Bildung, Lernen und Digitalisierung
Digitale Bildung - was bedeutet das eigentlich? Und was hat das alles mit Lernen zu tun? Darum geht's hier.
3. Lernen
Wenn wir von Bildung und Schule sprechen, geht es oftmals um das Lernen. "Lernen" lässt sich auf die gotische Bezeichnung für "ich weiß" (lais) sowie auf das indogermanische Wort für "gehen" (lis) zurückführen, was bereits die Prozesshaftigkeit zur Erlangung von Wissen verdeutlicht (Mielke, 2001, S. 11). Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Lehr- und Lerntheorien entwickelt. Die vier zentralen Theorien Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und situiertes Lernen sollen im folgenden kurz skizziert werden.
Behaviorismus
Die behavioristische Lerntheorie meint das Beschreiben und Steuern von Lernen durch Reize und Verstärkungen. Sie ist maßgeblich durch Pawlows Forschungen im Bereich der klassischen Konditionierung geprägt. Der Ansatz beschränkt sich dabei auf das von außen beobachtbare Verhalten eines Menschen. Über mögliche Lernprozesse, die im Inneren von Lernenden vorgehen, kann daher nichts Eindeutiges gesagt werden. Tulodziecki & Herzig (2004) sprechen daher von einer „Black Box“. Im Sinne des sogenannten Reiz-Reaktions-Modells verhalten sich die Lernenden passiv-rezeptiv, was bedeutet, dass sie durch äußere Einflüsse gesteuert werden (ebd.). Damit kann das Lernen durch eine konsequente Abfolge von Belohnung und Bestrafung maßgeblich beeinflusst werden (Baumgartner, 2003). Das Medium des Computers ist dabei in besonderer Weise eignet, um die Lerntheorie effektiv und konsequent anzuwenden, da durch die Wiederholung bestimmter Übungen, die Fertigkeiten der Lernenden trainiert werden können. Grundsätzlich wird der behavioristische Ansatz allerdings stark kritisiert, da weder die Komplexität des menschlichen Lernens noch der Lernende als aktives Subjekt in diesem Ansatz berücksichtigt werden.
Kognitivismus
Im Mittelpunkt der kognitivistischen Lerntheorie steht das aktive Individuum, das äußere Reize bewusst aufnimmt und weiterverarbeitet. Damit ist gemeint, dass Lernende neue Informationen interpretieren, bewerten, ordnen und selektieren und diese in vorhandenes Wissen integrieren (Kron & Sofos, 2003). Durch die Interaktionen der Lernenden mit der Umwelt und mit internen kognitiven Strukturen findet Lernen durch Einsicht und Erkenntnis statt (Süss et al., 2013). Die Rolle der Lehrenden beschreiben De Witt und Czerwionka in diesem Zusammenhang wie folgt:
- De Witt und Czerwionka, 2007, S. 57
Digitale Medien bieten nach diesem Ansatz die Möglichkeit, den Verstehensprozess so zu unterstützen, dass Informationen strukturiert und übersichtlich in Form von multimedialen Datenbeständen und in offenen Lernsystemen dargestellt werden.
Kostruktivismus
Es ist die Grundannahme des konstruktivistischen Ansatzes, dass nichts objektiv existiert. Demnach ist alles Wissen das Ergebnis einer subjektiven Konstruktion der Menschen (Tulodziecki & Herzig, 2004). Lernende werden als selbständige und aktive Subjekte angesehen, welche neue Eindrücke basierend auf individuellen Erfahrungs- und Entwicklungsständen in selektiver Weise wahrnehmen, interpretieren und verarbeiten. Somit wird Lernen als Konstruktion von Wissen verstanden. Lehrende regen dabei den Lernprozess an und unterstützen diesen, indem von ihnen die Rahmenbedingungen für das Lernen ausgestaltet werden (Süss et al., 2013). Ein Beispiel für die konstruktivistische Nutzung digitaler Medien im Unterricht ist das Erstellen von Weblogs. Diese Form der digitalen Tagebücher ermöglicht viele freie und persönliche Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen keine inhaltlichen Grenzen gesetzt sind und die Lernenden durch die Lehrenden bei der subjektiven Konstruktion von Wissen unterstützt werden (Süss et al., 2013).
Situiertes Lernen
Zwischen der kognitivistischen und konstruktivistischen Lerntheorie können Überschneidungen festgestellt werden, die dem situierten Lernen, sozusagen als Zwischenposition zwischen den beiden Theorien zugeordnet werden (Tulodziecki & Herzig, 2004). Dabei ist der Ausgangspunkt des situierten Lernens eine authentische Problemstellung. Bei dieser Lerntheorie folgt auf die Problemstellung eine anwendungsorientierte Anregung und Unterstützung von Lernprozessen, wobei die Lernprozesse bei den Lernenden ausgelöst werden müssen. Das ist so zu verstehen, dass das Individuum seinen Wissensbestand selbstständig aufbaut und als Lernender bzw. Lernende im Mittelpunkt steht. Mandl et. al (1995) formulierten dazu relevante Aspekte des situierten Lernens: - Relevanz einer komplexen Ausgangsproblematik sowie die Authentizität der Problematik - Artikulation und Reflexion von Problemlöseprozessen sowie das Lernen im sozialen Austausch im Sinne des kooperativen Lernens - Auswahl von Medien ist an den Lernenden orientiert
Je nach lerntheoretischem Ansatz werden Lernprozesse anders verstanden und auch der Einsatz von Medien variiert. Beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht kann es daher hilfreich sein, zu reflektieren, welche Lerntheorie umgesetzt werden soll.