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Bildung, Lernen und Digitalisierung

Website: Hamburg Open Online University
Kurs: Digital kompetent - ja, aber wie und warum?
Buch: Bildung, Lernen und Digitalisierung
Gedruckt von: Gast
Datum: Mittwoch, 15. Januar 2025, 18:48

Beschreibung

Digitale Bildung - was bedeutet das eigentlich? Und was hat das alles mit Lernen zu tun? Darum geht's hier.

1. Bildung und Lernen

Bevor wir uns nun intensiver mit bildungswissenschaftlichen Begriffen und Konzepten auseinandersetzen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Verbindung von Bildung und Digitalisierung. In dem folgenden Video findet Ihr dazu einen kurzen Impuls, wie diese beiden Begriffe zusammengebracht werden (können).

Digitalisierung der Bildung

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Körber Stiftung

Die mit der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 einhergehenden bundesweiten Schließungen von Bildungseinrichtungen haben die Verbindung der beiden Begriffe im öffentlichen Diskurs noch weiter verstärkt. So liest man in den Medien immer wieder vom "digitalen Klassenzimmer" (Stuttgarter Zeitung, 27.07.2020), dass Schulen nun "endlich zeitgemäß unterrichten - mithilfe des Internets" (ZEIT Online, 18.03.2020) oder dass "unsere Bildungslandschaft [...] digitaler werden" muss (Die Welt, 23.09.2020). Diesen Schlagzeilen gemein ist immer, dass sich Bildung durch das, was landläufig als Digitalisierung bezeichnet wird, verändert und verändern muss. Und gerade weil die Begriffe Bildung und Digitalisierung in unserem Alltag so selbstverständlich benutzt werden, ist es umso wichtiger, genauer hinzusehen und zu verstehen, was sich konkret hinter diesen Begriffen verbirgt.

2. Der Bildungsbegriff

Laut Duden online kommen dem Begriff Bildung fünf Bedeutungen zu:

  1. das Bilden; Erziehung; das Gebildetsein; das Ausgebildetsein; erworbenes Allgemeinwissen; gutes Benehmen
  2. das Formen (z.B. von Sätzen und Beispielen); das Bilden (z.B. eines Kreises); Schaffung
  3. das Sichbilden; Entstehung
  4. Form; Gestalt (z.B. von Wolken)
  5. Gebildetes (besonders von jemandem gebildetes Wort)

Allein schon mithilfe dieses Blicks in ein Wörterbuch ist zu erkennen, dass der Begriff Bildung ein vielschichtiger ist.

Der Bildungsbegriff nach Wilhelm von Humboldt

Das deutsche Bildungssystem fußt auf dem Bildungsverständnis von Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt. Da Ihr als angehende Lehrkräfte eben in diesem tätig sein werdet, ist es wichtig, zu verstehen, worin der konzeptionelle Ursprung dessen liegt. In dem folgenden Video wird dieses Verständnis von Bildung genauer erklärt:

Wilhelm von Humboldts Vorstellung von Bildung

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Helen Knauf

3. Lernen

Wenn wir von Bildung und Schule sprechen, geht es oftmals um das Lernen. "Lernen" lässt sich auf die gotische Bezeichnung für "ich weiß" (lais) sowie auf das indogermanische Wort für "gehen" (lis) zurückführen, was bereits die Prozesshaftigkeit zur Erlangung von Wissen verdeutlicht (Mielke, 2001, S. 11). Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Lehr- und Lerntheorien entwickelt. Die vier zentralen Theorien Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und situiertes Lernen sollen im folgenden kurz skizziert werden.

Behaviorismus

Die behavioristische Lerntheorie meint das Beschreiben und Steuern von Lernen durch Reize und Verstärkungen. Sie ist maßgeblich durch Pawlows Forschungen im Bereich der klassischen Konditionierung geprägt. Der Ansatz beschränkt sich dabei auf das von außen beobachtbare Verhalten eines Menschen. Über mögliche Lernprozesse, die im Inneren von Lernenden vorgehen, kann daher nichts Eindeutiges gesagt werden. Tulodziecki & Herzig (2004) sprechen daher von einer „Black Box“. Im Sinne des sogenannten Reiz-Reaktions-Modells verhalten sich die Lernenden passiv-rezeptiv, was bedeutet, dass sie durch äußere Einflüsse gesteuert werden (ebd.). Damit kann das Lernen durch eine konsequente Abfolge von Belohnung und Bestrafung maßgeblich beeinflusst werden (Baumgartner, 2003). Das Medium des Computers ist dabei in besonderer Weise eignet, um die Lerntheorie effektiv und konsequent anzuwenden, da durch die Wiederholung bestimmter Übungen, die Fertigkeiten der Lernenden trainiert werden können. Grundsätzlich wird der behavioristische Ansatz allerdings stark kritisiert, da weder die Komplexität des menschlichen Lernens noch der Lernende als aktives Subjekt in diesem Ansatz berücksichtigt werden.

Kognitivismus

Im Mittelpunkt der kognitivistischen Lerntheorie steht das aktive Individuum, das äußere Reize bewusst aufnimmt und weiterverarbeitet. Damit ist gemeint, dass Lernende neue Informationen interpretieren, bewerten, ordnen und selektieren und diese in vorhandenes Wissen integrieren (Kron & Sofos, 2003). Durch die Interaktionen der Lernenden mit der Umwelt und mit internen kognitiven Strukturen findet Lernen durch Einsicht und Erkenntnis statt (Süss et al., 2013). Die Rolle der Lehrenden beschreiben De Witt und Czerwionka in diesem Zusammenhang wie folgt:

Der Lehrende versucht, objektive Inhalte so zu vermitteln, dass der Lernende diese Inhalte nach der Übermittlung in ähnlicher Form besitzt wie der Lehrende. Die Lernumgebung, d.h. das Arrangement aus Unterrichtsmethoden und -techniken, Lernmaterialien und Medien, wird auf den „Transport“ des Lerngegenstandes abgestimmt.

- De Witt und Czerwionka, 2007, S. 57

Digitale Medien bieten nach diesem Ansatz die Möglichkeit, den Verstehensprozess so zu unterstützen, dass Informationen strukturiert und übersichtlich in Form von multimedialen Datenbeständen und in offenen Lernsystemen dargestellt werden.

Kostruktivismus

Es ist die Grundannahme des konstruktivistischen Ansatzes, dass nichts objektiv existiert. Demnach ist alles Wissen das Ergebnis einer subjektiven Konstruktion der Menschen (Tulodziecki & Herzig, 2004). Lernende werden als selbständige und aktive Subjekte angesehen, welche neue Eindrücke basierend auf individuellen Erfahrungs- und Entwicklungsständen in selektiver Weise wahrnehmen, interpretieren und verarbeiten. Somit wird Lernen als Konstruktion von Wissen verstanden. Lehrende regen dabei den Lernprozess an und unterstützen diesen, indem von ihnen die Rahmenbedingungen für das Lernen ausgestaltet werden (Süss et al., 2013). Ein Beispiel für die konstruktivistische Nutzung digitaler Medien im Unterricht ist das Erstellen von Weblogs. Diese Form der digitalen Tagebücher ermöglicht viele freie und persönliche Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen keine inhaltlichen Grenzen gesetzt sind und die Lernenden durch die Lehrenden bei der subjektiven Konstruktion von Wissen unterstützt werden (Süss et al., 2013).

Situiertes Lernen

Zwischen der kognitivistischen und konstruktivistischen Lerntheorie können Überschneidungen festgestellt werden, die dem situierten Lernen, sozusagen als Zwischenposition zwischen den beiden Theorien zugeordnet werden (Tulodziecki & Herzig, 2004). Dabei ist der Ausgangspunkt des situierten Lernens eine authentische Problemstellung. Bei dieser Lerntheorie folgt auf die Problemstellung eine anwendungsorientierte Anregung und Unterstützung von Lernprozessen, wobei die Lernprozesse bei den Lernenden ausgelöst werden müssen. Das ist so zu verstehen, dass das Individuum seinen Wissensbestand selbstständig aufbaut und als Lernender bzw. Lernende im Mittelpunkt steht. Mandl et. al (1995) formulierten dazu relevante Aspekte des situierten Lernens: - Relevanz einer komplexen Ausgangsproblematik sowie die Authentizität der Problematik - Artikulation und Reflexion von Problemlöseprozessen sowie das Lernen im sozialen Austausch im Sinne des kooperativen Lernens - Auswahl von Medien ist an den Lernenden orientiert

Je nach lerntheoretischem Ansatz werden Lernprozesse anders verstanden und auch der Einsatz von Medien variiert. Beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht kann es daher hilfreich sein, zu reflektieren, welche Lerntheorie umgesetzt werden soll.

4. Digitalisierung in der Bildung

In den beiden vorherigen Abschnitten wurden die Begriffe Bildung und Digitalisierung noch einmal beleuchtet und in ihrer Bedeutung erfasst. Dabei ist Euch sicherlich aufgefallen, dass statt dem Begriff der Digitalisierung verstärkt der Begriff der Digitalität verwendet wurde. Als Lehrende in diesem Seminar vertreten wir die Auffassung, dass die gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen durch sich immer weiter entwickelnde Technologien nicht ausschließlich Prozesse von nicht-digital zu digital sind, sondern eine neu zu denkende Verbindung von Analogem und Digitalem darstellen und als solche betrachtet werden müssen.

Gerade in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie erlebt das Bildungswesen einen regelrechten "Digitalisierungsschub". Wenn Bildungseinrichtungen geschlossen sind, werden plötzlich - noch mehr als vorher - andere Wege gebraucht, um das formale Lernen zu ermöglichen. Dabei prägten Digitalisierung, das Internet und die breite Verfügbarkeit mobiler Endgeräte schon vorher die Medienwelt in einem erheblichen Maße, weshalb Marotzki und Jörissen von Medienbildung als eine "durch Medien induzierte strukturelle Veränderung von Mustern des Welt- und Selbstbezugs" (Marotzki & Jörissen, 2010, S. 109) sprechen. Der angesprochene Welt- und Selbstbezug findet sich bereits bei Humboldt, der den Kern der Bildung als Verknüpfung vom Selbst und der Welt beschreibt. Daher handelt es sich bei Bildung und auch beim Lernen immer um soziale Prozesse, was die Bedeutung von Lernräumen, die mit anderen geteilt werden, umso deutlicher macht. Bildung ist also ein sozialer Prozess und bezieht sich immer auf die Beziehung zu anderen Personen. Die durch Digitalisierung beförderten Veränderungen sind mehr als nur die Überführung von Analogem zu Digitalem, sondern beschreiben neue Aushandlungsprozesse, wie wir leben, arbeiten, kommunizieren und lernen wollen.

Seit circa 1,5 Jahren wird im Kontext der Corona-Pandemie in den Medien viel über Digitalisierung und Bildung berichtet. Nicht immer findet dabei auch eine fundierte Auseinandersetzung mit den dahinterliegenden Konzepten und theoretischen Zugängen statt. Dabei braucht es eine Schärfung der verwendeten Begriffe auf der einen Seite, um bestimmte Positionen nachvollziehbar zu machen, und andererseits um einen konstruktiven Diskurs führen zu können, bei dem alle ein gleiches Verständnis der Ausgangslage haben.

Um die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen des 1. Moduls mit einem konkreten Beispiel zusammenzubringen, recherchiere bitte einen aktuellen Artikel aus einem Medium Deiner Wahl (Zeitung, Mediathek, etc.) zu den Konsequenzen der Corona-Pandemie für Lehrkräfte in Bezug auf Unterricht und Digitalisierung. Greife die Kernaussagen des Artikels auf und reflektiere diese.
Selbstverständlich kannst Du in Deinem Beitrag auch selbst gewählte Schwerpunkte legen, um die Kernaussagen des ausgesuchten Artikels vor dem Hintergrund von Medienpädagogik im Kontext von Digitalität zu reflektieren.