Wie nehmen Kinder Werbung wahr?
Für Kinder ist Werbung meistens extra bunt – für Werbebotschaften werden gern Figuren aus Kindergeschichten oder Heldeninnen und Helden aus Filmen oder angesagten TV-Serien verwendet. Das Problem? Für viele Kinder ist es schwierig, Werbeinhalte von der Realität zu trennen. Warum das so ist und in welcher Form man Kinder bei der Wahrnehmung von Werbung unterstützen kann, lesen Sie hier.
So nehmen Kinder Werbung wahr
Während Erwachsene bei Werbung klar zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können, verarbeiten Kinder Informationen nicht über den zentralen Weg. Dies tun sie meist nur über die sogenannte periphere Route. Die periphere Route lässt die kritische Überprüfung von inhaltlichen Aussagen aus – dadurch prägt Werbung bei Kindern das Wirklichkeitsbild. Wenn Kinder also aus entwicklungspsychologischen Gründen noch nicht dazu in der Lage sind, Werbung kritisch zu betrachten, kann es passieren, dass sie die vermittelten Aussagen aus der Werbung in ihr persönliches Wirklichkeitsbild übernehmen. So berichtet Annika Sartor (Redakteurin GEOlino): “Kinder können das Konzept mit der Werbung nur schwer verstehen. Wir bekommen Leserbriefe zum Beispiel mit dem Inhalt: ‚Hallo GEOlino auf Seite 57 habe ich euren Bericht nicht verstanden…‘. Dann schauen wir auf Seite 57 und sehen, dass es eine Anzeige ist, die der Leser nicht verstanden hat. Unsere Hilfsmittel sind hier also auf das Optische beschränkt. Es steht natürlich auch Anzeige drüber, das sieht aber nicht jedes Kind.” Auch Jana Bories (Medienpädagogin und Projektleiterin bei Schnappfisch) stellt fest: „Weniger entscheidend als die Menge ist der Inhalt. Werbung muss auf jeden Fall kinder- und jugendtauglich sein und sie darf auf keinen Fall die Kinder verstören. Es muss auch für sie ersichtlich sein, dass es Werbung ist. Das hat auf verschiedene Altersgruppen verschiedene Auswirkungen.“
Mit welchem Alter lernen Kinder, was Werbung ist?
Wie Werbung auf Kinder wirkt, hängt stark vom Alter ab.
Frühe Kindheit: Kinder im Alter von null bis fünf Jahren können Werbung nicht als solche erkennen. Die Denkweisen in der frühen Kindheit werden noch stark von eigenen Handlungen gelenkt. Sie verstehen nicht, was sich hinter den Werbeabsichten von Unternehmen verbirgt.
Mittlere Kindheit: Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren haben bereits die Fähigkeit, sich in eine andere Perspektive hineinzuversetzen. Dadurch eignen sie sich bereits Wissen über kommerzielle Absichten an. Somit wissen Kinder in diesem Alter, dass Werbung ihnen etwas verkaufen will.
Späte Kindheit: Zu der späten Kindheit zählen Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Das abstrakte Denkvermögen nimmt in diesem Alter immer mehr zu – damit können sie ökonomische Zusammenhänge selbst erfassen und Funktionen von Werbung verstehen. Werbeaussagen werden nun nicht nur als solche identifiziert, sondern Kinder verstehen auch die Anreize, die diese vermitteln sollen.
Generell gilt: Mit zunehmenden Alter sinkt die Akzeptanz von Werbung. Während Vorschulkinder sogar noch gerne Werbung rezipieren, sind Kinder in der späten Kindheit eher weniger begeistert. Das liegt unter anderem daran, dass Kinder ab 12 Jahren sich in der Regel Werbung gegenüber verhalten, wie Erwachsene es tun – sie sind als werbekompetent anzusehen. Werbekompetent ist allgemein jede Person, die nicht nur weiß, was Werbung ist, sondern auch die Interessenshintergründe von Werbung versteht und berücksichtigt. Die Verarbeitung bezieht sich dabei auf die Identifikation von bestimmten inhaltlichen und gestalterischen Merkmalen einer Werbebotschaft. Dazu zählt die Unterscheidung der Werbeelemente in Bezug auf Farbe, Licht oder Ton. Aber auch Faktoren wie Überzeugungskraft oder die optische Wirkung sind relevant. Gleichzeitig ist in Bezug auf die Werbekompetenz auch wichtig, die unterschiedlichen Werbemittel zu kennen (lesen Sie hierzu auch den Beitrag "Arten von Werbung")
Damit ein Kind als werbekompetent gilt, sind die folgenden fünf Punkte zu beachten:
- Zweck von Werbung erkennen
- Werbebotschaften kritisch reflektieren können
- Eigene Urteile bzw. Meinungen bilden können
- Ästhetische und moralische Kriterien von Werbung kennen und verstehen
Die Entwicklung der Werbekompetenz – was hat sich verändert?
Das Internet ist mittlerweile ein heißgeliebtes Unterhaltungsmedium für Kinder und vor allem Jugendliche. Jana Bories erklärt: „Werbung und Jugendliche treffen aktuell vor allem im Internet und in den sogenannten neuen Medien aufeinander.“
Damit stellt sich die Frage: Hat sich hierdurch in den letzten Jahren auch die Entwicklung der Werbekompetenz der Kinder und Jugendlichen verändert? Andrea Rehn (Programmreferentin der Medienanstalt Hamburg/Schleswig Holstein) sagt dazu: „Nein. Auch, wenn Kinder und Jugendliche den technischen Umgang mit Internet und Smartphones sehr schnell erlernen und darin vielen Erwachsenen oft einen Schritt voraus sind, hat dies nur wenig Bedeutung für ihre Fähigkeit, Medieninhalte inhaltlich zu prüfen und zu bewerten. Dies gilt auch für den Umgang mit Werbung. Sie benötigen daher die Unterstützung von Erwachsenen, um den kritischen und sicheren Umgang mit Werbung zu erlernen.“
Wie kann man Kinder für das Thema Werbung sensibilisieren?
Generell können Kinder Werbung nur kritisch betrachten, wenn sie verstanden haben, warum es Werbung gibt und welche Intention sie verfolgt. Dabei hilft es nicht, Medien mit Werbeinhalten generell zu verbieten. Vielmehr ist es wichtig, die richtigen Gegenargumente zu liefern und Werbung und die dahinter versteckte Botschaft im Alltag zu erklären, wenn sie auftaucht. Dabei spielen Eltern eine essentielle Rolle. Wenn Kinder zum Beispiel ein bestimmtes Produkt haben wollen, was gerade beworben wird, sollten sie mit in die Entscheidung einbezogen und ihnen gegebenenfalls Alternativen aufgezeigt werden. Es können also Argumente für und gegen das Produkt mit dem Kind zusammengefunden werden. Natürlich ist es für Kinder eine Herausforderung, diese Kompetenzen dann sowohl offline als auch online in alltäglichen Situationen, in denen sie mit Werbung konfrontiert werden, anzuwenden. So empfiehlt Andrea Rehn in Bezug auf Online-Werbung: “Es ist sinnvoll, Regeln zum Umgang mit Werbung im Internet festzulegen, z.B. ohne Absprache mit den Eltern keine persönlichen Daten preiszugeben. Wichtig ist, den Sinn solcher Regeln für die Kinder verständlich zu erklären”. Aber nicht nur Eltern können einen Beitrag leisten: Auch die Schule kann durch den Einsatz spezieller Unterrichtseinheiten die Werbekompetenz der Schülerinnen und Schüler weiter fördern. Alternativ kann die Unterstützung auch im Rahmen eines Projektes in der Schule oder anderen Medieneinrichtungen, in dem Werbespots oder Werbematerialien produziert werden können, erfolgen. Wer selbst einmal Werbespots oder andere Materialien produziert hat, der kann sich auch besser in die Hintergründe hineinversetzen.
Alle wichtigen Tipps zusammengefasst finden Sie außerdem auch in "Tonis Checkliste – So werden Kinder kritische (Werbe-)Konsumenten" zum Download.
Downloads:
Text: Wie nehmen Kinder Werbung wahr (PDF)
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Text: Wie nehmen Kinder Werbung wahr (ODT)
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Wie nehmen Kinder Werbung wahr? von Nele Ollech, Julia Steding, Friederike Schöppe ist, wenn in Teilen nicht anders angegeben, lizensiert unter CC-BY Creative Commons 4.0