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Wenn die Stimme wächst

Abschlussbedingungen

Wenn die Stimme wächst!

Mutation – wenn die Stimme wächst! 
Die Stimme verändert sich im Laufe des Lebens. Ein Kleinkind klingt anders als ein erwachsener Mann, eine Jugendliche anders als eine 90-jährige Frau. 

Die am deutlichsten hörbare Veränderung ist wohl die Mutation, oder auch der Stimmbruch. Dieser Vorgang geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist als eine Phase der stimmlichen Veränderung zu betrachten: Die Mutation der Stimme ebnet den Weg von der Kinderstimme zur Erwachsenenstimme. In der Zeit der Pubertät kommt es unter hormonellen Einfluss (Testosteron / Östrogen) zu einem raschen Wachstum des Kehlkopfes, der vor allem bei Jungen in Erscheinung tritt. Während sich im Kindesalter die Kehlkopfdimensionen bei Mädchen und Jungen kaum unterscheiden, beginnt mit der Pubertät eine Phase der geschlechtsspezifischen Differenzierung, das sekundäre Geschlechtsmerkmal Stimme wächst, wobei die Mutation und die Pubertät nicht gemeinsam beginnen müssen. 

Bei Jungen kann die Mutation sich über einen längeren Zeitraum hinweg hinziehen. Das Ausmaß des Kehlkopfes nimmt um etwa das Doppelte zu, wobei vor allem die Vergrößerung des horizontalen Durchmessers auffällig ist: Die Schildknorpelplatten bilden vorne dann etwa einen Winkel von 90 Grad anstelle von 120 Grad, wie vor der Pubertät. Man erkennt den sogenannten „Adamsapfel“. Die Länge der Stimmlippen trägt die Verantwortung für die Höhe der Stimme, die bei den Knaben um ca. 10 mm zunimmt. Der Tonhöhenbereich beim normalen Sprechen sinkt beim Knaben um ca. eine Oktave. Ebenso hat dies Gültigkeit für den gesamten Tonhöhenumfang, also für den Bereich zwischen dem höchst- und tiefstmöglichen Ton. Die Stimme „normal“ zu benutzen kann für Jungen in dieser Zeit sehr schwierig und willkürlich sein: ein leichtes und vorsichtiges Gesangstraining kann durchgeführt werden, von einem intensivem Stimmtraining ist innerhalb dieser Phase aber eher abzuraten. Es können sowohl plötzliche Wachstumsschübe vorkommen als auch plötzliche Wachstumsstillstände. Einher damit gehen Stimmstörungen, da die in der Kindheit erlernten nervalen Steuerungsmechanismen nicht mehr den neuen anatomischen Strukturen entsprechen. Alte Funktionen zerfallen und die neuen Koordinationen müssen erlernt werden. Das führt dazu, dass die Stimme zunächst belegt oder rau und zweitweise auch behaucht klingt. Etwa ein Fünftel der Jungen erlebt die Mutation als Stimmbruch. Im Oktavabstand kippt die Sprechstimme plötzlich nach hoch oder runter. 

Bei Mädchen ist eine Mutation zwar oftmals nicht so deutlich hörbar und findet in einem wesentlich geringeren Umfang statt, sie vollzieht sich aber dennoch: Das Längenwachstum der Stimmlippen beläuft sich auf etwa 3-4 mm und im Gegensatz zu den Jungen ist bei Mädchen ein relativ koordiniertes Wachstum der beteiligten Muskulatur und der Organe zu beobachten. Stimmliche Störungen lassen sich eventuell in Form von Heiserkeit ausmachen, die über den Mutationszeitraum unregelmäßig auftauchen kann, aber auch wieder verschwindet. Durch die wachstumsbedingten Veränderungen der Resonanzräume verändert sich die Klangfarbe der Mädchenstimme: sie kann beispielsweise dunkler werden. Generelle Tonumfangsveränderungen sind nicht zu verzeichnen. So können manche Mädchen nach der Mutation höher singen, manche tiefer und bei vielen bleibt der Stimmumfang gleich. Die sogenannte mittlere Sprechstimmlage sinkt beim Mädchen um ca. eine Terz ab. 

Die Sexualhormone üben neben dem Einfluss auf das Größenwachstum des Kehlkopfes auch Einflüsse auf andere körperliche Merkmale aus: 
  • Flexibilität der heranwachsenden Muskeln, an denen der Kehlkopf aufgehängt ist, die einen maßgeblichen Beitrag zur Kehlkopfstellung im Ansatzrohr leistet -
  • Spannungszustand des Stimmlippenmuskels 
  • Steuerung durch Nerven 
  • Menge und Zusammensetzung des Speichels und des Schleims 
  • Anpassungsfähigkeit des Atmungsapparates 
Zum Abschluss der Mutation festigt sich diese Zusammenarbeit. Die Stimme wird belastbarer und tragfähiger. Die Stimmbelastung von Kindern, die regelmäßig, z.B. in professionellen Chören oder solistisch singen oder Sprechrollen im Theater erhalten, ist erhöht. Insbesondere während des Stimmwechsels ist es daher von Notwendigkeit, dass diese Kinder durch eine stimmbildnerische oder gesangspädagogische Lehrkraft und eine stimmärztliche Beratung begleitet werden. Die bewusste und behutsame Umgehensweise mit dem Organ kann Stimmstörungen interdisziplinär vorgebeugt werden. Darüber hinaus ergibt sich durch diese Zusammenarbeit die Chance, den Zeitpunkt des Stimmwechsels zu erkennen (Endoskopie des Kehlkopfes, Bestimmung der Stimmleistungsparameter, Wachstumsrate, Labordiagnostik der Hormone). Die künstlerische Leitung kann so ideal in Bezug auf die Besetzung des Chores agieren. Die regelmäßige Probenteilnahme soll nun durch eine an die jeweilige Person gebundene Stimmbildung ersetzt werden. So eröffnet sich für manch geübte Sänger:innenstimme die Möglichkeit eines langsamen “Schwebens” in die tieferen Lagen ohne einen sog. “Stimmbruch” zu erleiden.

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Zuletzt geändert: Montag, 27. November 2023, 21:55