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Kapitel I: Warum muss die Baubranche nachhaltiger werden?

Abschlussbedingungen

Viele Expert:innen fordern die Bauwende, also eine Umstrukturierung der Baubranche zu mehr Nachhaltigkeit. Hier erfahrt ihr drei wichtige Gründe warum die Wende so dringend erforderlich ist:


Grund Nr. 1: Zu hoher Ressourcenverbrauch

Rechenbeispiel gefällig?

Möchte man die Frage beantworten, warum die Baubranche nachhaltiger werden muss, dann gleicht die Antwort schon fast einer Rechenaufgabe: Im Zeitraum von 1900 bis 2005 ist die Weltbevölkerung von 1,65 Mrd. auf 6,56 Mrd., also in etwa um das Vierfache, gestiegen [1]. Der allgemeine Wohlstandsdrang sorgte jedoch dafür, dass sich die globale Materialentnahme nicht in gleichem Maße dazu steigerte, sondern sich gleich Verachtfachte und somit doppelt so schnell zunahm wie die Weltbevölkerung. 
Im Jahr 2015 entsprach die Menge an globaler Materialentnahme 84 Gt. Das sind rechnerisch etwa 11 t pro Person. Als nachhaltig gelten jährlich und weltweit max. 8 t pro Person. Prognosen zufolge könnte sich die jährliche Materialentnahme bis 2030 nochmals mehr als verdoppeln, sodass innerhalb der nächsten Jahrzehnte die Verfügbarkeit mancher Materialien rasant abnehmen wird bis zu dem Punkt, dass manche Rohstoff-Reserven komplett aufgebraucht sein werden. Betrachtet man nun gezielt den Einfluss der Baubranche, so beansprucht sie 50-60% des weltweiten Materialverbrauchs allein für sich und ist somit einsamer Spitzenreiter im Ressourcenverbrauch. Allein 80% der mineralischen Rohstoffe werden durch das Bauwesen verbraucht [2]. 
Die internationale Nonprofit-Organisation Global Footprint Network ermittelt jährlich den Earth Overshoot Day, also den Stichtag, an dem die Menschheit mehr Ressourcen verbraucht hat als die Erde im Laufe eines Jahres wiederherstellen kann. Dieser Stichtag war 2023 der 02. August. Die Statistik zeigt, dass dieser Tag jährlich früher stattfindet, was eines deutlich macht: Der Verbrauch ist jährlich gestiegen (Eine Ausnahme stellt das durch Corona geprägte Jahr 2020 dar) [3]. Spannend wird jedoch der Vergleich unter den Nationen. So war der deutsche Erdüberlastungstag der 04. Mai. Würde also die gesamte Menschheit so viel verbrauchen wie die Deutschen, dann bräuchte man jährlich die Kapazität von drei Erden! Damit ist Deutschland im internationalen Vergleich auf Rang vier hinter der USA (Rang 1 mit einem Verbrauch von 5.1 Erden), Australien (Rang 2 mit 4.5 Erden) und Russland (Rang 3 mit 3.4 Erden) [4]. Grund genug also sich in der Baubranche Gedanken über einen schonenderen Umgang mit Ressourcen zu machen.

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Grund Nr. 2: Abfallaufkommen

Wer viel verbraucht, produziert viel Müll

Nach Kreislaufwirtschaftsgesetz sind Abfälle Stoffe oder Gegenstände, derer sich Besitzer:innen entledigen möchten oder müssen. Hierbei wird unterschieden in Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung, also Abfälle, die auf andere Weise nicht mehr nutzbar sind [5]. Da die Baubranche den höchsten Ressourcenverbrauch hat, ist es beinahe logisch, dass sie auch beim Abfall den Großteil verursacht. In Deutschland entstanden 2018 insgesamt 417 Mio.t Abfall, wovon 55% aus Bau- oder Abbrucharbeiten stammten (hierunter verbergen sich alle Abfälle aus Herstellungs-, Bau- oder Rückbauphase sowohl von Gebäuden als auch infrastruktureller Baumaßnahmen) [6]. 

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Rechnerisch entspricht der jährliche Bauabfall in Deutschland etwa 74 Mio.t. * Versucht man dies in den Materialbedarf für Wohneinheiten aufzuwiegen, dann würde man daraus etwa 422.960 Wohneinheiten bauen können [7]. Die Auswirkungen des zu hohen Ressourcenverbrauchs bzw. die zu hohe Rate der Entnahme natürlicher Rohstoffe könnte also bereits durch die Substitution wiederverwerteter Abfälle reduziert werden. Dies ist ein wichtiger Grundgedanke im kreislaufgerechten Bauen. Gewinnt man Rohstoffe aus Abfällen bzw. bereits verwendeten Materialien, so spricht man von Sekundärrohstoffen. Verwendet man also Sekundärrohstoffe statt Primärrohstoffen (also denjenigen, die unverarbeitet der Natur entnommen werden) werden natürliche Rohstoffe-Reserven geschont [8].

* Anmerkung: Die angerechneten Bauabfälle von 74 Mio. beziehen sich auf das Jahr 2018 und ergeben sich gemäß Ursprungsquelle (siehe Quellen Nr. [9]) aus Bauschutt (59,8 Mio.t), Bauabfällen auf Gipsbasis (0,6 Mio.t) und Baustellenabfällen (14,0 Mio.t). Nicht angerechent wurden Bauabfälle aus Boden und Steine (130,3 Mio.t) und Straßenaufbruch (14,1 Mio.t). Insgesamt ergeben sich aus allen gerade aufgezählten Abfall-Unterteilungen die 55% Bau- und Abbruchabfälle, die in vorangehendem Tortendiagramm gezeigt werden.


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Grund Nr. 3: Emissionen

Vergleicht man den Bausektor mit anderen Branchen im Ausstoß energiebedingter CO2-Emissionen, dann zeigt sich auch hier, dass die Baubranche die Statistik anführt. Obwohl die Auswirkungen klimaschädlicher Emissionen auf die globale Erd-Erwärmung lange bekannt sind, steigt ihre Menge kontinuierlich an. Die Zusammenhänge anthropogener, also menschengeschaffener, Emissionen, sind insgesamt äußerst komplex. Jedoch sollte beachtet werden, dass nicht alle durch den Menschen hervorgerufenen Emissionen auch gleichzeitig klimaschädlich sind. Die klimaschädlichen Emissionen lassen sich unterteilen in Emissionen, die durch die Nutzung und Veränderung des natürlichen Lebensraumes entstehen, in prozessbedingte Emissionen und in energiebedingte Emissionen, wobei letztere sich in direkte und indirekte energiebedingte Emissionen unterteilen lassen. Die Prozessbedingten sind Emissionen, die bspw. durch chemische Reaktionen hervorgerufen werden, aber nicht energiebedingt sind. D.h. es sind freigesetzte Treibhausgase, die bei der Produktion entstehen. Energiebedingte Emissionen entstehen durch die Bereitstellung von Kälte, Wärme oder Elektrizität. Die direkte Bereitstellung findet vor Ort durch hauseigene Anlagen wie z.B. Heizungsanlagen statt, während die indirekte Bereitstellung nicht vor Ort, also z.B. durch Kraftwerke stattfindet [10]. Im Vergleich unterschiedlicher Sektoren beträgt der Anteil der Baubranche aus den klimaschädlichen Emissionen zwischen 47 bis 53%, also in etwa die Hälfte [11].



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Zwar gibt es mit Sicherheit weitere Einflüsse der Baubranche auf die Umwelt, die dazu beitragen, dass eine Bauwende erforderlich ist, doch sind diese drei Gründe die wahrscheinlich mit Abstand signifikantesten, da sie unmittelbar Einfluss auf den Erhalt unseres Planeten nehmen.

Wie wichtig Nachhaltigkeit im Bauen ist, sollte dir nun also deutlicher sein. Wenn du erfahren möchtest was genau hinter dem Begriff Nachhaltigkeit steckt und warum Kreislaufgerechtigkeit eine Lösung darstellt, klicke >>> hier <<< um zum nächsten Kapitel zu gelangen.


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Quellen

[1]  Anna-Sofie Turulski (2023): Entwicklung der Weltbevölkerungszahl von Christi Geburt bis zum Jahr 2021.
<https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/>; Aufruf: 12.12.2023
[2] Sobek, Werner (2022): non nobis -über das Bauen in der Zukunft. Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. avedition. Stuttgart. S. 32
[3]  Earth Overshoot Day: <https://overshoot.footprintnetwork.org/>; Aufruf: 19.12.2023
[4] Earth Overshoot Day: <https://overshoot.footprintnetwork.org/newsroom/press-release-german-overshoot-day-2023-de/>; Aufruf: 19.12.2023
[5] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2020): Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz KrWG). S. 3f Online abgerufen unter: <https://www.bmuv.de/gesetz/kreislaufwirtschaftsgesetz>; Aufruf: 18.12.2023
[6] Sobek, Werner (2022): non nobis -über das Bauen in der Zukunft. Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. avedition. Stuttgart. S. 154, 156
[7] Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel (Hrsg.) (2023): Baukultur Bericht 2022/23 Neue Umbaukultur. Bundesstiftung Baukultur. 2. Auflage. S. 26
[8] DNR Deutscher Naturschutzring. <https://www.dnr.de/themen/glossar/primaer-und-sekundaerrohstoffe>; Aufruf: 21.12.2023
[9] Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V. (Hrsg.)(2021): Kreislaufwirtschaft Bau. Mineralische Bauabfälle. Monitoring 2018. Bericht zum Aufkommen und zum Verbleib mineralischer Bauabfälle im Jahr 2018. Berlin. Online abgerufen unter: <https://kreislaufwirtschaft-bau.de/Download/Bericht-12.pdf>; Aufruf: 21.12.2023
[10] Sobek, Werner (2022): non nobis -über das Bauen in der Zukunft. Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. avedition. Stuttgart. S. 206ff
[11] Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel (Hrsg.) (2023): Baukultur Bericht 2022/23 Neue Umbaukultur. Bundesstiftung Baukultur. 2. Auflage. S. 14

Abbildungen
Abb. Earth Overshoot Day. <https://overshoot.footprintnetwork.org/>; Aufruf: 19.12.2023
Abb. Abfallaufkommen im Kreislaufdiagramm. Grafik erstellt von Lennard Thier. Nach: Sobek, Werner (2022): non nobis -über das Bauen in der Zukunft. Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. avedition. Stuttgart. S. 156
Abb. Jährlicher Bauabfall Dtld. in Wohneinheiten. Siehe [7]
Abb. Klimafaktor Bauen weltweit. <https://www.bundesstiftung-baukultur.de/publikationen/pdf-zum-download/baukulturberichte>; Aufruf: 19.12.2023

Zuletzt geändert: Freitag, 12. Januar 2024, 09:27