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Kapitel II: Was bedeutet es, nachhaltig zu bauen, und was hat das mit Kreislaufgerechtigkeit zu tun?

Abschlussbedingungen

Begriffsklärung "Nachhaltigkeit" allgemein

Der Begriff Nachhaltigkeit ist im Generellen äußerst komplex und wird heute oft missverständlich bis hin zum fälschlichen Gebrauch zu Werbezwecken verwendet. Daher ist es wichtig sich darüber im klaren zu sein, dass der Begriff ein System-erhaltendes Prinzip darstellt, welches einer Handlungsaufforderung gleichkommt.

Während Carl von Carlowitz als Urheber des Begriffs noch von „nachhaltender Nutzung“ in der Waldbewirtschaftung sprach, womit die Erhaltung eines regenerativen, natürlichen Systems gemeint war (also nur so viel Holz zu schlagen wie auch nachwachsen kann), wurde nachhaltige Entwicklung darauffolgend immer mehr generalisiert. Heute ist die Definition am geläufigsten, dass es sich um ein Handlungsprinzip handelt, bei dem es darum geht die eigenen Bedürfnisse nicht auf Kosten späterer Generationen oder der Umwelt zu befriedigen.

Eine Definition im Generellen ist aufgrund des allumfassenden Einzugs in unseren Sprachgebrauch sehr umfassend bzw. komplex. Es wurden unterschiedlichste Schemata zur Verdeutlichung verfasst. Die wohl bekanntesten sind das Nachhaltigkeitsdreieck, das Schnittmengen- oder das Drei-Säulen-Modell. Gemein ist ihnen die gleichberechtigte Ausbalancierung der Bereiche Soziales, Ökologie und Wirtschaft (siehe Abb. Nachhaltigkeitsmodelle). Die Modelle veranschaulichen, dass sobald ein Sektor ein Übergewicht erhält, die Nachhaltigkeit nicht mehr bestehen kann. [1]

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Die drei grundlegenden Nachhaltigkeitsstrategien

Versucht man vorangegangenen Abschnitt ganz knapp zusammenzufassen, dann würde man sagen "Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip, bei dem mit einem System so umgegangen wird, dass sein fortbestehen gesichert ist bzw. dass es sich selbst regenerieren kann". 

Unter diesen Handlungsprinzipien gibt es drei grundlegende Strategien, die sich etabliert haben: Die Suffizienz, die Effizienz und die Konsistenz. Diese drei Strategien können gewissermaßen als Herleitung von der Nachhaltigkeit zur Kreislaufgerechtigkeit verstanden werden.

Suffizienz beschreibt kurz gesagt den Verzicht oder die Sparsamkeit. Aus Perspektive des Ressourcenschutzes ist dies wahrscheinlich die nachhaltigste Variante. Denn beabsichtigt ist der Verzicht auf Verbrauch bzw. Konsum, um vorhandene Ressourcen schlichtweg gar nicht erst aus der Natur entnehmen zu müssen. D.h. aber auch, dass nicht mehr neu gebaut werden würde. Dies könnte dem Grundgedanken nach nur funktionieren, wenn bereits genügend Bestandsbauten vorhanden wären.

Effizienz im Sinne der Nachhaltigkeit würde bedeuten, dass eine Optimierung bzw. Steigerung der Produktivität erfolgt. D.h. Ziel wäre bspw. eine Maximierung von Energieersparnis in der Herstellungs- oder Nutzungsphase von Gebäuden, eine Optimierung von Produktionsprozessen, eine Verkürzung von Transportwegen (oder die Minimierung von klimaschädlichen Emissionen) oder die Verlängerung der Lebensdauer bzw. Haltbarkeit von Materialien oder Produkten. Die Kritik an dieser Strategie ist, dass sie zwar zu einer Reduktion der Verbrauchsrate führen kann, aber  im Grundsatz ein lineares Wirtschaftssystem bleibt. D.h. dass die Effizienz ein wesentliches Kernproblem nicht lösen kann. Nämlich eine mögliche endgültige Erschöpfung von Ressourcen.

Konsistenz übersetzt man in diesem Kontext am treffendsten mit Verträglichkeit. D.h. hinter dieser Strategie versteckt sich der Grundgedanke, dass man den Umgang mit natürlichen Ressourcen (oder besser gesagt mit dem natürlichen Kreislauf) verträglich gestaltet. Dadurch würde sich eine Ressourcenneutralität einstellen. Dies kann geschehen, indem man sich bspw. beim Neubau an Sekundärrohstoffen (also Stoffen, die bereits zuvor verbaut worden waren) bedient oder Materialien verwendet, die nachwachsen. Besonders letzteres würde in einer theoretischen Balance aus An- und Abbau ein System-erhaltendes Prinzip darstellen. [2]


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Im Endeffekt zeigt sich, dass die Kreislaufgerechtigkeit sich als Konsistenz-Strategie aus den grundlegenden drei Nachhaltigkeitsstrategien (also als lediglich eine von drei Optionen) ableitet. Dies sollte stets berücksichtigt werden, da es insbesondere beim Bauen nach wie vor "am nachhaltigsten" wäre, gar nicht erst neu zu bauen. 

Ein Bereich, in dem diese Grundsätze bereits verankert sind, ist die Entsorgung. Da die Baubranche die Branche mit dem höchsten Abfall ist, ist es naheliegend den Anfall von Abfall zu minimieren. Hierzu wurde bereits in der Abfallrahmenrichtlinie eine fünfstufige Hierarchie für Maßnahmen im Umgang mit Abfällen (siehe Abb. fünfstufige Abfallpyramide) festgelegt [3]:

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Zusammenfassend scheint die Bewertung des Grades an Nachhaltigkeit beinahe unmöglich und lässt sich in der Regel nicht eindeutig beantworten, da die Parameter, die zur Bewertung herangezogen werden müssten, äußerst komplex und vielfältig sind. Durch die geforderte Vereinbarkeit von Ökologie, Sozialem und Ökonomie ist das Prinzip ´Nachhaltigkeit´ ein Balanceakt. Dennoch bietet die Hierarchie der Abfallpyramide einen ersten Ansatz der Wirksamkeit von Maßnahmen im nachhaltigen Sinne.

Was es mit den einzelnen Begriffen der Pyramide auf sich hat und warum der Begriff ´Recycling´ im Alltagsgebrauch meistens falsch verwendet wird, erfährst du im Abschnitt >>> Die wichtigsten Begriffe <<<




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Quellen:
[1] Iris Pufé: bpb.de. Bundeszentrum für politische Bildung. <https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/188663/was-ist-nachhaltigkeit-dimensionen-und-chancen/ > Aufruf: 21.11.2023

[2] Rosen, Anja (2021): Urban Mining Index - Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. Dissertation. Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag. S. 18f. Nach: Von Hauff, Michael; Kleine, Alexandro (2009): Nachhaltige Entwicklung – Grundlagen und Umsetzung. München, Oldenbourg Verlag. S. 38f

[3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2020): Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz KrWG). Online abgerufen unter: <https://www.bmuv.de/gesetz/kreislaufwirtschaftsgesetz>; Aufruf: 18.12.2023

Abbildungen:

Abb. Nachhaltigkeitsmodelle. Erstellt von Lennard Thier. Nach: [1]
Abb. Suffizienz, Effizienz, Konsistenz. Erstellt von Lennard Thier. Nach: [2]
Abb. Fünfstufige Abfallpyramide. Erstellt von Lennard Thier. Nach: [3]

Zuletzt geändert: Freitag, 12. Januar 2024, 09:47