Zum Hauptinhalt

3. Pflanzliche Arzneimittel

In diesem Buch lernst Du die verschiedenen Wirkstoffgruppen und Verfahren kennen.

3.2 Verfahren zur Gewinnung von Pflanzenwirkstoffen

Bei Pflanzenwirkstoffen, die in verschiedenen Pflanzenteilen enthalten sind, handelt es sich um Feststoffgemische (Pflanzenteile), manchmal auch um Feststoff-Flüssigkeitsgemische (z.B. weiche Früchte). Für diese Gemische gibt es jeweils geeignete Trennverfahren.

Wer sich einen ersten allgemeinen Überblick über physikalisch-chemische Trennverfahren verschaffen möchte, findet hier  eine schöne Übersicht:

Übersicht über Stoffgemische und Trennverfahren.
Übersicht Trennverfahren/Stoffgemische, Abbildung von MaPost (CC BY-SA)

 

 

Pflanzenwirkstoffe werden meist durch Extraktionsverfahren gewonnen. Für fest-flüssig-Gemische wie z.B. öl- oder safthaltige Früchte eignet sich das Pressen. Größtenteils wird dabei das gesamte Substanzgemisch aus den Pflanzen gewonnen.

Wer sich generell über die Mechanismen der verschiedenen Trennverfahren informieren möchte, kann sich dieses Video hier anschauen: https://www.youtube.com/watch?embed=no&v=Euhwe0QhNxs
 

Extraktion

Heraustrennen einer Komponente eines Feststoffgemisches mithilfe eines Lösungsmittels. Es basiert auf unterschiedlichen Löslichkeit der zu trennenden Stoffe.
Oft handelt es sich um einen vielstufigen Extraktions- und Reinigungsprozess. Dabei werden unerwünschte Inhaltsstoffe entfernt und die erwünschten Wirkstoffe angereichert.

Geeignete Lösemittel sind, je nach Eigenschaften des zu extrahierenden Stoffes:

  • Wasser
  • Alkohol
  • Öle
  • Überkritisches Kohlendioxid

Allgemeine Verfahrensschritte

Im ersten Schritt ist es meist empfehlenswert, das Extraktionsgut zu zerkleinern, um die Pflanzenzellen aufzuschließen und die Oberfläche, an der das Lösemittel angreifen kann, zu vergrößern. Danach erfolgt eine intensive Durchmischung von Stoffgemisch und Lösemittel. Der zu lösende Stoff reichert sich im Lösemittel an. Nach mehreren Extraktionsdurchgängen liegen zwei unterschiedliche Phasen vor. Das Extrakt besteht aus dem Lösemittel vermischt mit dem extrahierten Stoff und ein Rückstand, Raffinat genannt.

Wenn beide Phasen einen großen Dichteunterschied aufweisen, kann man sie z.B. mithilfe eines Filters oder Scheidetrichters voneinander trennen. Wenn sie homogen vermischt sind, können Lösemittel und Extrakt auch durch Destillation bzw. Rektifikation (mehrere Destillationen hintereinander) wieder getrennt werden. Beide Substanzen sollten dafür einen deutlich unterschiedlichen Siedepunkt aufweisen.

Um Reinsubstanzen zu gewinnen, werden oft mehrere Löse- und Trennschritte benötigt. Im Folgenden werden kurz ein im pharmazeutisch-technischen Bereich gebräuchliche Extraktionsverfahren vorgestellt.

Überblick Extraktionsverfahren

Perkolation

Die Perkolation wird angewendet, wenn das Extraktionsgut vom Lösemittel gut durchströmt werden kann.
Ein warmes Lösemittel wird durch die Pflanzenteile hindurch geleitet. Das Aufbrühen von Kaffee in einem Kaffeefilter wird hier meist als veranschaulichendes Beispiel genannt. Mehrere Perkolatoren hintereinandergeschaltet nennt man Reperkolation.

Mazeration

Auch kalter Auszug genannt. Die Pflanzenteile in das Lösemittel (Wasser, Öl, Alkohol) eingelegt und einige Zeit ziehen gelassen. Die löslichen Bestandteile gehen in das Lösemittel über (Mazerat).
Wird der Vorgang bei höheren Temperaturen durchgeführt, spricht man vom Digerieren (Digestion).

Digestion

Das zerkleinerte Pflanzenmaterial wird mit dem Lösemittel unter Zufuhr von Wärme verührt. Mit der Zeit setzen sich die nicht-löslichen Bestandteile am Boden ab. Durch Dekantieren oder Filtrieren trennt man die Feststoffe und das Extrakt.
Auch hier gibt es ein anschauliches Beispiel aus der Welt der Kaffeezubereitung. Das Aufbrühen von Kaffee mittels einer French Press Kanne entspricht dem Prinzip der Digestion. Das heiße Wasser (Lösemittel) wird vollständig mit dem Extraktionsgut (Kaffee) vermischt und erst nach einer Weile wieder getrennt. Das Lösemittel wird so immer weiter mit den Extraktstoffen aufkonzentriert. Das heißt aber auch, dass die Extraktion mit zunehmender Konzentration des Extrakts in der Lösung immer langsamer verläuft und damit ganz andere Stoffe aus dem Extraktionsgut gelöst werden, als bei einer Berieslung mit immer frischem Lösemittel. Deshalb muss der Vorgang gestoppt werden, indem Extrakt und Lösemittel wieder voneinander getrennt werden. Dafür können Dekanter (Vollmantel-Schneckenzentrifuge) eingesetzt werden. In der horizontalen Trommel rotiert die Suspension, wie in einer Zentrifuge. Der sich ablagernde Feststoff wird von einer Schnecke kontinuierlich nach außen befördert.
Im Allgemeinen ist das Zentrifugieren ein geeignetes Trennverfahren für Fest-flüssig-Gemische.Hier kann man sich das Prinzip eines Dekanters noch einmal genauer anschauen: 
ProjektWiki zu Dekanter: https://projektwiki.zum.de/wiki/Techniker_Schule_Butzbach/Verfahrenstechnik/Trennverfahren/Zentrifugen/Dekanter
Technisch fortgeschrittenere Verfahren ermöglichen z.B. eine bessere Vermischung des Feststoffes und des Lösemittels durch Rührgeräte, wie bei der Turbo- oder Wirbelextraktion. Auch die Anwendung von Ultraschall versetzt das Extraktiongemisch in Schwingungen und sorgt so für eine intensivere Vermischung während der Extraktion.
Die gewünschten Bestandteile können auch durch Auskochen extrahiert werden, insofern sie hitzebeständig sind. Pflanzenfarbstoffe können zum Beispiel so gewonnen werden.

Ein Experiment dazu, wird hier beschrieben: Abpflanz.PDF (https://www.seilnacht.com/Download/Abpflanz.pdf)

 

Destillation

 

Schematische Abbildung Rektifikationskolonne
Schematische Abbildung Rektifikationskolonne von Anne Rödl (CC BY-SA)

 

 

Ätherische Öle oder Hydrolate (Pflanzenwasser) werden oft durch Destillation gewonnen. Wasser wird mit den Pflanzenteilen gemischt und erhitzt. Der Dampf wird aufgefangen, in einem Kondensator abgekühlt und damit wieder flüssig. Dieses flüssige Kondensat enthält die gelösten Pflanzeninhaltsstoffe und wird aufgefangen. Durch mehrmaliges Wiederholen des Vorgangs kann die Konzentration der extrahierten Substanzen im Destillat erhöht werden. Großtechnische Anlagen nutzen sogenannte Rektifikationskolonnen, in deren Etagen die Destillation kontinuierlich wiederholt wird, indem der Dampf aufsteigt und das Kondensat nach unten fließt.

 

Soxhletverfahren

 

Apparatur für Soxhletextraktion
Apparatur für Soxhletextraktion von Anne Rödl (CC 0)

 

 

Ein Laborverfahren, dass die Extraktion löslicher Stoffe aus Feststoffen durch eine Kombination aus Destillation und Perkolation ermöglicht und verfeinert, ist das Soxhletverfahren mithilfe eines Soxhlet Apparats.

  • In den Aufsatz (5) wird der Feststoff gefüllt
  • Lösemittel wird darunter erhitzt (1)
  • Dampf steigt im Dampfrohr auf (3)
  • kondensiert (9) und tropft durch den Aufsatz in den Feststoff
  • Wenn ein bestimmter Füllstand erreicht ist, läuft das Lösemittel, dass inzwischen etwas von dem Feststoff gelöst hat, in dem dünnen Röhrchen über (6) und zurück in den Kolben.
  • Nach und nach reichert sich immer mehr vom gelösten Stoff im Kolben an, bis schließlich alles Lösemittel verdampft ist

 

 

 

Wer das Funktionsprinzip des Soxhlet Apparats es etwas anschaulicher erklärt haben möchte, kann sich dieses Video anschauen:
 

Säulenchromatogaphie

Hierbei wird eine hohe Glassäule verwendet, die mit einem festen bzw. pulvrigen Packmaterial gefüllt wird. Dieses Packmaterial wird als stationäre Phase bezeichnet und besteht meist aus Kieselgelen, Aluminiumoxid oder Calciumcarbonat, manchmal auch aus porösen, synthetischen Polymeren. Es kann die gesamte Säule ausfüllen oder nur die Innenflächen bedecken. Am unteren Ende der Säule befindet sich ein Hahn. In die Säule wird das in einem geeigneten Lösemittel (Aceton, Hexan, Ethanol, Methanol etc.) gelöste Pflanzenmaterial aufgetragen. Dieses Gemisch wird als mobile Phase bezeichnet. Um es durch die Säule zu transportieren, wird von oben kontinuierlich ein sogenanntes Laufmittel aufgetropft. Durch unterschiedliche Polaritäten der Substanzen in der mobilen Phase entstehen Wechselwirkungen mit der stationären Phase. Diese bewirken eine Auftrennung der mobilen Phase, da die Substanzen unterschiedlich schnell durch den Feststoff wandern. Sie trennen sich zonenweise auf und können einzeln abgelassen werden.

Die Säulenchromatographie kann auch als analytisches Instrument eingesetzt werden, indem man die einzelnen Bestandteile des Gemisches nach Auftrennung bestimmen und messen kann.

Im kommerziellen Maßstab wird der Vorgang beschleunigt, indem die mobile Phase mit Druck durch die stationäre gedrückt wird.

Dieses Video der Reihe Lecture2Go von der Universität Hamburg erklärt ausführlich das Vorgehen bei der Säulenchromatographie:
Video Lecture2Go: Naturstoffe - Säulenchromatographie: https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2go/-/get/v/15978

Hochdruck-Gasextraktion 

Die Extraktion von Feststoffen kann statt mit flüssigen organischen Lösemitteln auch mit einem überkritischen Fluid durchgeführt werden. Das ist gerade im Lebensmittel- und Pharmabereich hilfreich, da nicht mit teilweise giftigen bzw. gesundheitsschädlichen Lösemitteln gearbeitet werden muss. Das Verfahren nutzt sogenanntes überkritisches Kohlendioxid (CO₂), das unter hohem Druck und hoher Temperatur einen Zustand zwischen Gas und Flüssigkeit annimmt. Mit Hilfe eine Pumpe oder eines Kompressors wird das angewärmte CO₂ durch das Pflanzenmaterial geleitet und löst die gewünschten Substanzen. In einem Separator trennt sich das Extrakt durch Entspannung des CO₂. Das Verfahren eignet sich vor allem für schwerflüchtige, aber thermisch instabile Substanzen.