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3. Pflanzliche Arzneimittel

In diesem Buch lernst Du die verschiedenen Wirkstoffgruppen und Verfahren kennen.

3.1 Wirkstoffgruppen

Obwohl jede Pflanzenart ihr eigenes spezifisches Substanzgemisch zu ihrem Schutz synthetisiert, lassen sich die einzelnen Substanzen auf drei wesentliche Stoffgruppen zurückführen, die aus Verbindungen des Primärstoffwechsels synthetisiert werden (also aus Kohlehydraten, Proteinen und Fetten).

 

Terpene

Terpene oder Terpenoide können sehr unterschiedlich aufgebaut sein, sind für die jeweilige Pflanze aber sehr charakteristisch. Unter dem Begriff Terpene werden eine Vielzahl von Stoffen zusammengefasst, sie basieren aber alle auf dem Molekül Isopren (C5H8), das durch Einbau von Phosphat in die aktivierte Form Isopentenyldiphosphat überführt wird.

Das oben genannte Taxol zur Krebsbekämpfung aus der Pazifischen Eibe, gehört ebenso zur Gruppe der Terpene wie Kautschuk, der eine wichtige technische und wirtschaftliche Bedeutung hat. 

Isopren & Isopentenyldiphosphat
Isopren & Isopentenyldiphosphat von Anne Rödl (CC BY)


Terpene sind im Grunde Kohlenwasserstoffe mit jeweils charakteristischen funktionellen Gruppen und gehören chemisch gesehen zu den Lipiden.

 

 

Terpene werden anhand der enthaltenen C-Atome in Hemi- (C5), Mono- (C10), Sesqui- (C15), Diterpene (C20), usw. Bei mehr als 40 C-Atomen spricht man von Polyterpenen.

Tabelle Übersicht Terpene
Übersicht Terpene von Anne Rödl (CC BY)


Pflanzen synthetisieren Terpene für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete:

 

 

 

  • zur Abwehr von Fraßfeinden (antimikrobiell)
  • zum Anlocken von Bestäubern (Geruchs- und Geschmacksstoffe)
  • als Signalstoffe, Wachstumsregulatoren (Phytohormone)

 

 

Interessant ist auch, dass manche Insekten pflanzliche Terpene aufnehmen und daraus Pheromone (Signalstoffe) synthetisieren, mit denen sie Artgenossen anlocken bzw. warnen können.

 

 

Ätherische Öle

Ätherische Öle bestehen zumeist aus Mono- und Sesquiterpenen und bilden eine eigene vielgestaltige Untergruppe der Terpene mit unterschiedlichsten medizinischen Wirkungen. Ätherische Öle haben einen charakteristischen, starken Geruch und Geschmack, sind zwar ölartig, aber trotzdem sehr leicht flüchtig. Sie sind nicht gut in Wasser löslich, bilden einen Film auf der Wasseroberfläche, lösen sich aber in lipophilen Lösungsmitteln (Benzol, Ethanol, fette Öle). Unter der Einwirkung von Licht oder Sauerstoff verändern sich die ätherischen Öle und büßen an Qualität und Geschmack ein.

In allen riechenden bzw. duftenden Teilen von Pflanzen spielen ätherische Öle eine Rolle. Sie locken damit Insekten an oder schützen die Pflanze vor Fraßfeinden, Mikroorganismen oder Pilzen.

 

Flüchtige ätherische Öle werden durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Weniger flüchtige ätherische Öle werden durch Auspressen, überkritisches CO₂ oder Lösemittel extrahiert. Die Anwendung von ätherischen Ölen als Salben, Tees, Spülungen, Tinkturen oder Würzkräuter sind vielfältig. Sie wirken je nach Ursprung durchblutungsfördernd, appetit- und verdauungsanregend, antiseptisch, beruhigend, auswurffördernd oder entzündungshemmend.

Tabelle Ausgewählte Ätherische Öle und ihre Wirkung
Ausgewählte Ätherische Öle und ihre Wirkung von Anne Rödl (CC BY)

 

 

Phenolische Verbindungen

Die Gruppe der Phenole oder Phenylpropanoide sind sehr vielfältig und dienen der Pflanze sowohl zur Abwehr von Fraßfeinden oder Pathogenen (Tannine, Phytoalexine), als auch zum Anlocken von Bestäubern oder Samenverbreitern (Farbstoffe) sowie zum Aufbau stützender Strukturen (Lignin). Ausgangsbasis für die Synthese der pflanzlichen Phenole ist die Aminosäure Phenylalanin.

Im Folgenden werden die wichtigsten Stoffgruppen und deren Vorkommen etwas näher beschrieben.

 

Flavonoide (Farbstoffe)

Der Begriff Flavonoide leitet sich vom lateinischen Wort für Gelb “flavus” ab. Viele früher aus Pflanzen extrahierte Farbstoffe (z.B. aus dem Färberwau) waren gelb. Aber auch andere Blütenfarbstoffe (rötlich, violett, bläulich) gehören zu den Flavonoiden. Sie dienen der Pflanze auch als UV-Schutz. Medizinisch wirksame Flavonoide sind meist an Zucker gebunden und werden dann als Glykoside bezweichnet. Viele Früchte und Gemüse enthalten Flavonoide. Ihnen wird eine gesundheitsfördernde, weil antioxidative, antikarzinogene und radikalfangende Wirkung zugeschrieben.

 

  • Flavonoide stecken in heimischen Obstsorten (z.B.Äpfeln, Birnen, Beeren, Kirschen)
  • Zwiebeln, Auberginen
  • Tee, Kakao und Rotwein
    Rotes Weinlaub enthält z.B. Quercitrin und Rutin, die eine entzündungshemmende und gefäßabdichtende Wirkung haben und das daher gegen geschwollene Beine eingesetzt wird.

 

 

Phytoalexine

Die Phytoalexine können ebenfalls den Flavonoiden zugeordnet werden, können aber auch aus anderen Stoffklassen gebildet werden und sollen daher gesondert vorgestellt werden. Im Gegensatz zu den Farbstoffen erfüllen sie eine komplett gegensätzliche Aufgabe. Sie dienen der Abwehr von pathogenen Pilzen oder Bakterien. Interessant ist, dass diese Stoffe erst nach einer Infektion der Pflanze erzeugt werden und in gesunden Pflanzen nicht vorkommen. Phytoalexine sollen die Ausbreitung oder Vermehrung der schädlichen Invasoren hemmen. Schon nach 24h sind die Phytoalexine in den befallenen Pflanzenteilen nachweisbar. Die Forschung darüber ist noch relativ jung.

 

Tannine (Gerbstoffe)

Tannine sind Polyphenole und haben sowohl eine technische als auch eine medizinische Bedeutung. Tannine fällen Eiweiße und werden deshalb zur Herstellung von Leder aus Tierhäuten eingesetzt. Heutzutage werden aber in der Industrie meist synthetische Gerbstoffe verwendet. Pflanzen bilden Tannine, um Fressfeinde fernzuhalten. Sie finden sich im Holz und Rinde (z.B. der Eiche), aber auch in Blättern und teilweise in Früchten. Tannine wirken antibakteriell oder auch antiviral und haben damit konservierende Eigenschaften. Da sie mit Eiweißmolekülen reagieren, wirken Tannine adstringierend, d.h. zusammenziehen, was für Mittel gegen Durchfall, vermehrte Schweißbildung oder Entzündungen eingesetzt wird.

Eiche von Anne Rödl (CC BY)

 

 

Lignin

Auch Lignin gehört zur Gruppe der komplexen phenolischen Verbindungen (Phenylpropanoide). Sie führen zum Verholzen der pflanzlichen Zellwand und dienen damit der Erhöhung der Druckfestigkeit. Die technische Verwendung von Ligninen wird zurzeit noch erforscht, denn zumeist müssen z.B. für die Papierherstellung oder Biokraftstoffherstellung Lignine aus dem Holz aufwändig abgetrennt werden und werden danach vorwiegend energetisch verwertet.

 

Der Artikel von Rinaldi et al. (2016) bietet einen tieferen Einblick in den Stand der Forschung zur besseren Verwertung von Lignin:

https://doi.org/10.1002/ange.201510351

Chemische Struktur von Lignin
Chemische Struktur von Lignin von Anne Rödl (CC BY)

 

 

Alkaloide

Alkaloide basieren auf stickstoffhaltigen Verbindungen. Sie wirken mehrheitlich sehr stark auf das zentrale Nervensystem, oft auch giftig. Prominente Vertreter dieser sehr umfangreichen Substanzgruppe sind Coffein, Nikotin, Kokain, Morphin, Chinin oder Atropin (in der Tollkirsche). 12.000 Alkaloide sind erforscht. Die Pflanze bildet Alkaloide im Aminosäurestoffwechsel und schützt sich damit vor Fraßfeinden. Jede Pflanzenfamilie bringt eine jeweils typische Substanz hervor und bildet diese nur in bestimmten Lebensabschnitten oder Pflanzenteilen. Daher kommt es, dass Pflanzen wie Kartoffel, Tomate oder Paprika, die zur oft Alkaloid-bildenende Familie der Nachtschattengewächse gehören, trotzdem wichtige Speisepflanzen sind. In den verzehrten Teilen dieser Pflanzen wird das Alkaloid mit zunehmender Reife abgebaut bzw. verschwindet spätestens durch die Zubereitung (Schälen, Kochen). In manchen Fällen nimmt der Mensch die leicht giftige, dafür aber auch anregende Wirkung, absichtlich in Kauf. So gehört auch der Tabak zur Familie der Nachtschattengewächse.

Tabelle Überblick Alkaloide
Überblick Alkaloide von Anne Rödl (CC BY)