5.2 KI-Governance an Hochschulen
Ohne klare Zuständigkeiten und Regeln bleibt KI ein Risiko – mit Governance wird sie gestaltbar.
Um die Anforderungen des AI Acts zuverlässig umzusetzen, müssen Hochschulen robuste Governance-Strukturen etablieren. Governance beschreibt die Gesamtheit der Zuständigkeiten, Regeln, Prozesse und Kontrollmechanismen, mit denen der Einsatz von KI gesteuert wird – und betrifft sowohl technische als auch ethische, rechtliche und strategische Aspekte.
Ein funktionierendes Governance-Modell schafft den Rahmen für einen rechtssicheren, transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit KI – von der Auswahl bis zur Kontrolle eingesetzter Systeme.
Zuständigkeiten und Rollen klar definieren
Zentral ist die klare Zuordnung von Verantwortung innerhalb der Hochschule. Für Bewertung, Freigabe, Kontrolle und Dokumentation von KI-Anwendungen sollten folgende Akteure eingebunden werden:
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Datenschutzbeauftragte
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IT-Sicherheitsbeauftragte
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Fachverantwortliche aus Lehre, Forschung und Verwaltung
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Ethikkommissionen oder hochschulinterne Gremien für Technikfolgenabschätzung
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ggf. externe Expert:innen für Recht, Technik und Qualitätssicherung
Hochschulweite KI-Richtlinien etablieren
Ein Governance-Rahmen sollte auf verbindlichen KI-Richtlinien basieren. Diese geben Orientierung und schaffen Klarheit für alle Beteiligten. Sie sollten insbesondere folgende Inhalte abdecken:
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Kriterien zur Risikoeinstufung von KI-Systemen
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Anforderungen an Datenqualität, Fairness und Nachvollziehbarkeit
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Prozesse zur Risikoanalyse, Dokumentation und Überwachung
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Vorgaben zur menschlichen Aufsicht und Eingriffsmöglichkeiten
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Regelungen für Open-Source- oder Drittanbieter-KI
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Empfehlungen zum Einsatz generativer KI in Lehre und Prüfungen
Fortbildung & Sensibilisierung als Daueraufgabe
Ein effektives Governance-Modell muss auch die Kompetenzentwicklung der Beteiligten sichern. Fort- und Weiterbildungsangebote sind essenziell, um Lehrende, Forschende und Verwaltungsmitarbeitende in die Lage zu versetzen, KI-Systeme sachgerecht zu bewerten und verantwortungsvoll zu nutzen. Die Governance-Struktur sollte als lernende Organisation verstanden werden – dynamisch, anpassungsfähig und erfahrungsbasiert.
Integration in bestehende Hochschulstrukturen
Ein nachhaltiges KI-Governance-Modell ist am effektivsten, wenn es mit bestehenden Digitalisierungs-, IT- und Qualitätsstrukturen der Hochschule verzahnt wird. Besonders sinnvoll:
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Anbindung an bestehende Strategie-, Datenschutz- und Ethikgremien
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Aufbau eines interdisziplinären KI-Lenkungsausschusses, der hochschulweit Entscheidungen vorbereitet und unterschiedliche Perspektiven integriert
Standardisierte Vorabprüfung & Systemregister
Zur praktischen Umsetzung empfiehlt sich die Einführung eines verpflichtenden Prüfprozesses, bevor neue KI-Systeme beschafft oder entwickelt werden. Dieser kann analog zu Datenschutz-Folgenabschätzung nach DSGVO gestaltet sein und sollte:
- eine Risikoanalyse beinhalten
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konkrete technische, rechtliche und organisatorische Schutzmaßnahmen definieren
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alle Ergebnisse dokumentieren
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regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden
Ergänzend sollte ein zentrales Register aller eingesetzten KI-Systeme aufgebaut und gepflegt werden. Es erhöht die Transparenz, verbessert die interne Koordination und erleichtert Nachweise gegenüber Aufsichtsbehörden.
💡 Lernzusammenfassung Kapitel 5.2: Anforderungen an die Governance
- Governance bedeutet mehr als Technik: Hochschulen müssen klare Zuständigkeiten, Regelungen und Kontrollprozesse definieren, um den Einsatz von KI verantwortungsvoll und rechtssicher zu gestalten – insbesondere bei Hochrisiko-KI-Systemen.
- Verbindliche Richtlinien und Vorabprüfungen: Der Einsatz von KI sollte durch hochschulweite Richtlinien geregelt sein. Neue KI-Systeme dürfen erst nach einer standardisierten Risiko- und Eignungsprüfung eingeführt werden. Ein zentrales Register schafft Transparenz.
- Governance ist ein kontinuierlicher Lernprozess: Hochschulen sollten KI-Governance als dynamisches System verstehen, das sich laufend weiterentwickelt – durch Austausch zwischen Fachbereichen, ethische Reflexion, Schulungen und die Integration in bestehende Strategien.
Leitfäden, Stellungnahmen und Handreichungen von Hochschulen und Fachgesellschaften
KI-Leitfäden, Stellungnahmen und Handreichungen von Hochschulen sind speziell entwickelte Ressourcen und Richtlinien, die darauf abzielen, Studierende, Lehrende und Forschende über rechtliche, praktische und auch ethische Aspekte im Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu informieren. Diese Dokumente bieten eine Orientierungshilfe, wie KI-Technologien verantwortungsvoll in Forschung, Lehre und Studium eingesetzt werden können. Sie enthalten oft Empfehlungen zur Nutzung von KI-Tools, Hinweise zum Datenschutz, zur Sicherheit von Daten und Systemen sowie Richtlinien zur Vermeidung von Verzerrungen und Diskriminierung durch KI-Anwendungen. (Sortierung nach Aktualität)
- TU München: TUM-KI-Strategie (02/2025)
- Zentren für Kommunikation und Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung e.V. (ZKI): "KI-Verordnung/Artificial Intelligence Act: KI-Kompetenz ab 02.02.2025 Pflicht", Handlungsempfehlung sowie Merkblatt für Nutzende (01/2025)
- AG Digitale Medien und Hochschuldidaktik der dghd in Kooperation mit der GMW: Didaktische Handreichung zur praktischen Nutzung von KI in der Lehre (10/2024, aktualisiert 03/2025)
- Leitlinien für den Einsatz von KI-Systemen. Die KI-Leitlinien der Kompetenzstelle KI am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (04/2024)
- Fernuniversität in Hagen: Handreichung zu ChatGPT in Lehre und Studium (05/2023) und Handlungsempfehlungen für den didaktischen Einsatz von generativer KI in der Hochschullehre (01/2024)
- HafenCity Universität Hamburg: Handreichungen zum Umgang mit generativen KI-Anwendungen an der HafenCity Universität (12/2023)
- Technische Universität Hamburg: KI-Tools in Studium und Lehre: Handreichung der TU Hamburg (10/2023)
- Stellungnahme des Präsidiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Einfluss generativer Modelle für die Text- und Bilderstellung auf die Wissenschaften und das Förderhandeln der DFG (09/2023)
- Universität Hamburg: Übersicht zu ChatGPT im Kontext Hochschullehre (01/2023)