Zum Hauptinhalt

Kapitel 5.3: Geschlechterforschung = Feministische Forschung?

Abschlussbedingungen

Im letzten inhaltlichen Kapitel sollen Sie sich nun mit der Frage auseinandersetzen, was eigentlich unter dem Begriff Feminismus zu verstehen ist und ob Geschlechterforschung auch immer als feministisch verstanden werden kann.
Unter dem Begriff Feminismus sind unterschiedliche soziale, politische und akademische Bewegungen zu verstehen, die die Macht-, Herrschafts- und Gewaltverhältnisse zwischen den Geschlechtern kritisieren. Hier ist eine Auflistung einiger feministischer Strömungen:

  • Differenzfeminismus
  • Gleichheitsfeminismus
  • Radikaler Feminismus
  • Ökofeminismus
  • Schwarzer Feminismus
  • Lesbischer Feminismus
  • Queerfeminismus
  • Intersektionaler Feminismus

Wie Sie sehen, gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen feministischen Strömungen, die sich teilweise stark ihren Grundhaltungen oder politisch geforderten Strategien unterschieden. Recherchieren Sie nun und finden Sie heraus, was beispielsweise den Unterschied zwischen differenzfeministischen und gleichheitsfeministischen Ansätzen ausmachen kann.

Ausgehend davon, dass sich die Geschlechterforschung aus den feministischen Frauenbewegungen entwickelt hat (siehe Lerneinheit 3), könnte auch davon ausgegangen werden, dass Geschlechterforschung auch immer feministisch sei. Doch bei der Betrachtung einzelner Forschungsansätze wird deutlich, dass dies nicht immer der Fall ist.

Ein Beispiel:

Im Bereich der Schulforschung wird eine Studie zur Lesefähigkeit in der dritten Klasse durchgeführt. Ein Studienergebnis lautet, dass über 20 Prozent der Jungen in die unterste Kompetenzkategorie fallen, wohingegen bei Mädchen es unter 10 Prozent sind. Im Anschluss wird über Ursachen und mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenz bei Jungen diskutiert. 
Die Studie wird von den Forschenden in die Geschlechterforschung eingeordnet, weil die Studie von Beginn an das Geschlecht als Unterscheidungsmerkmal fokussiert hat. Mit dem Ziel, Geschlechterunterschiede und mögliche Benachteiligungen aufzudecken. 
Was in dieser Studie jedoch ausbleibt, ist erstens eine kritische Auseinandersetzung mit der binären Einteilung in Mädchen und Jungen. Zweitens wird die Vorannahme, dass das Geschlecht die relevante(ste) Kategorie für die Unterscheidung der Lesekompetenz ausmacht, nicht überprüft. Andere Kategorien oder eben die Verschränkung mehrerer sozialer Differenzkategorien werden nicht in Betracht gezogen. Was in dieser Studie also fehlt, ist eine kritischreflexive und geschlechtersensible Auseinandersetzung.


Derzeit besonders stark diskutiert ist der intersektionale Feminismus, der neben sexistischen und queerfeindlichen ebenfalls rassistische und klassistische Diskriminierungsformen kritisiert und Ungleichheitsverhältnisse somit ganzheitlicher betrachtet. Mit dieser Perspektive könnten die oben genannte und ähnliche Studien, in denen Geschlechterzuschreibungen (re-)produziert werden können, differenzierter und kritischer betrachtet werden.

 

Zuletzt geändert: Dienstag, 16. Dezember 2025, 13:20