Wie Kinder Nachrichten wahrnehmen
Kinder sind neugierig und wollen erfahren, was in ihrer Umwelt passiert. Sie nehmen Ereignisse, die in der Welt geschehen, wahr und diese bleiben oft monatelang in ihrem Bewusstsein.
Jüngere Kinder erfahren meist über ihre Eltern von einem bestimmten Ereignis, während mit zunehmendem Alter das Fernsehen und andere Medien als Informationsquellen in den Vordergrund rücken. Kindernachrichtensendungen sind hierbei eine gezielte Anlaufstelle für Fragen und Informationen zum Weltgeschehen.
Bereits ab dem achten Lebensjahr können Kinder Nachrichten als ein eigenständiges Format erfassen. In diesem Alter entwickelt sich die Fähigkeit zum abstrakten Denken und Faktisches (z. B. Nachrichten) kann von Symbolischem (z. B. fiktive Unterhaltungsformate) unterschieden werden. Auch jüngere Kinder können Nachrichten bereits als Genre erkennen, sie haben allerdings Schwierigkeiten, die Inhalte des Gezeigten wiederzugeben. Sie bewegen sich im Umfeld ihrer aktuellen Erfahrungen und versuchen, diese zu erweitern, während ältere Kinder auch über die eigene Welt hinausblicken und sich mit entfernten und zukünftigen Welten beschäftigen wollen.
Befragt man Kinder zu ihrem Verständnis von Nachrichten, so geben sie an, dass Nachrichten die Realität widerspiegeln und nur das zeigen, was auch „wahr“ ist. Sie halten auch dann an dieser Aussage fest, wenn sie darauf hingewiesen werden, dass Nachrichten auch falsche Informationen enthalten können. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten bildet sich erst im Jugendalter heraus.
Wie wählen Kinder Nachrichten aus?
Bei der Auswahl der Nachrichten spielt für Kinder insbesondere der Nachrichtenwert eine Rolle. Eine Meldung hat dann einen hohen Nachrichtenwert, wenn sie möglichst viele Nachrichtenfaktoren in einer möglichst hohen Ausprägung enthält.
Zu den klassischen Nachrichtenfaktoren, wie sie für Erwachsenennachrichten angewandt werden, zählen der Schaden, die räumliche und psychologische Nähe, die Prominenz, die Reichweite und die Aktualität (siehe Grafik). Diese werden nicht nur von Journalistinnen und Journalisten bei der Auswahl von Meldungen berücksichtigt, auch Rezipierende richten ihre Aufmerksamkeit nach diesen Faktoren.
Um auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern einzugehen, wurden zudem spezielle Kindernachrichtenfaktoren ermittelt. Diese werden beispielsweise von der Redaktion der Kindernachrichtensendung logo! bei der Sendungsgestaltung berücksichtigt. Die Kindernachrichtenfaktoren beinhalten den Bezug zur Lebenswelt von Kindern, positive Vorbilder, Abenteuer aber auch Kuriositäten.
Schauen sich Kinder eine Nachrichtensendung an, so erinnern sie sich anschließend überwiegend an die Nachrichtenfaktoren, die in einem Beitrag vorkommen. Beiträge, die einen hohen Nachrichtenwert aufweisen, schätzen die Kinder dabei als relevanter ein. Bei der Auswahl der Nachrichten greifen Kinder jedoch eher auf den Kindernachrichtenwert als auf den klassischen Nachrichtenwert zurück.
Insbesondere für jüngere Kinder spielt neben den Nachrichtenfaktoren auch der Gestaltungswert der Nachricht eine Rolle für das Erinnerungsvermögen. Bei einer Nachrichtensendung sind dies beispielsweise die Sprechergeschwindigkeit, das Tempo, der Schnittwechsel oder auch Text-Bild-Scheren, das heißt, dass der gesprochene Text und das gezeigte Bild nicht übereinstimmen.
Probleme bei der Rezeption von Nachrichten
Kinder wissen meist noch nicht, wo sie glaubwürdige Informationen finden können. Auch der Mangel an Erfahrung führt dazu, dass Kinder noch nicht in der Lage sind, relevante von weniger wichtigen Informationen zu trennen. Diese Fähigkeit bildet sich erst ab einem Alter von ungefähr elf Jahren heraus. Besonders jüngere Kinder können noch nicht einschätzen, welche Informationen und Ereignisse sie persönlich betreffen könnten. So versetzen beispielsweise Nachrichten über Kriege und Katastrophen viele Kinder in Angst und wecken bei ihnen Emotionen wie Ekel oder Mitleid.
Auch die Darstellungsform der Nachrichten, die Nachrichtensprache und der Nachrichteninhalt können Kindern Schwierigkeiten bei der Rezeption bereiten.
Die Darstellungsform von Fernseh- oder Radionachrichten für Erwachsene ist gekennzeichnet durch ein schnelles Aufeinanderfolgen von Informationen, wobei es keine Möglichkeit gibt, das Gesehene oder Gehörte zu wiederholen. Es handelt sich überwiegend um eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von verschiedenen Einzelmeldungen, was das Verständnis für Kinder zusätzlich erschwert. Die einzelnen Beiträge verschmelzen miteinander, sodass es Kindern schwerfällt, die einzelnen Inhalte wiederzugeben.
Auch ist zu beachten, dass sich Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren besser an audiovisuelle Informationen erinnern als an rein auditive Meldungen oder Nachrichten im Printformat. Dies liegt unter anderem daran, dass bildgestützte Meldungen im Durchschnitt länger gezeigt werden als reine Sprechermeldungen. Zudem können Bilder das Interesse der Kinder wecken und die Aufmerksamkeit steigern.
Die Nachrichtensprache für Erwachsene zeichnet sich durch ein schnelleres Sprechtempo aus, als es in der Umgangssprache verwendet wird. Außerdem werden meist lange Sätze, eine komplizierte Satzstruktur und ein hoher Anteil an Fremdwörtern und Abkürzungen benutzt. Da das Kurzzeitgedächtnis bei Sieben- bis Achtjährigen allerdings nur drei Sekunden beträgt, führt dies zu Verständnisschwierigkeiten und Überforderung und die Aufmerksamkeit der Kinder lässt nach.
Die Nachrichteninhalte werden in Erwachsenennachrichten meist sehr komprimiert dargestellt und sie setzen häufig ein gewisses Vorwissen voraus. Kinder benötigen allerdings viele Erklärungen, die auf ihren Erfahrungshorizont und ihr Abstraktionsvermögen abgestimmt sind. Sie interessieren sich besonders für die Umstände und Folgen von Ereignissen und wollen mehr über die Hintergründe erfahren.
Ein weiteres Problem stellen Angst auslösende Inhalte, wie Kriege und Katastrophen, aber auch Krisen im persönlichen Umfeld dar. Diese Themen werden in den Kapiteln „Gesellschaftliche Krisenthemen“ und „Krisenthemen in der eigenen Lebenswelt“ ausführlich behandelt.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kinder Ereignisse, die in der Welt geschehen, wahrnehmen. Sie nutzen Kindernachrichtensendungen, um sich zu informieren, wobei sie bei der Auswahl der Nachrichten ihre Aufmerksamkeit nach den Kindernachrichtenfaktoren richten. Allerdings können Kindern die Darstellungsform der Nachrichten, die Nachrichtensprache und der Nachrichteninhalt Schwierigkeiten bei der Rezeption bereiten. Neben einem Verständnis für die Nachrichtenwahrnehmung von Kindern ist es für das Gestalten von Nachrichten mit Kindern auch wichtig, zu wissen, was überhaupt unter Medien- und Nachrichtenkompetenz verstanden wird. Eine Einführung hierzu bietet der folgende Beitrag "Medien- und Nachrichtenkompetenz".
Quellen:
- Gleich, Uli & Stefanie Schmitt (2009). Kinder und Fernsehnachrichten: Forschungsüberblick auf der Grundlage empirischer Studien. In: Media Perspektiven (2009), S. 593-602.
- Götz, Maya, 2011. Kinder wollen Kindernachrichten. In: TELEVIZION (2011), S. 29-30.
- Kettenhofen, Claudia et al. (2010). Nachrichtenselektion bei Kindern: Wie Kinder anhand von Nachrichten- und Gestaltungsfaktoren selektieren. In: TELEVIZION (2010), S. 46-49.
- Lipport, Jana (2012). Kinder und Fernsehnachrichten: Rezeptionsschwierigkeiten und der Versuch kindgerechter Darstellung. München: GRIN Verlag.
- Westdeutscher Rundfunk (2016a). KiRaKa: Kindernachrichten
- Westdeutscher Rundfunk (2016b). KiRaKa: Nachrichten
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