Vortrag 02: Christoph Falschlunger - Inklusion
Abschlussbedingungen
edu sharing objectRhythmik goes Inklusion!
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Methodische und didaktische Aspekte eines künstlerisch-pädagogischen (Basis-)Verfahrens
„Inklusion fängt in den Köpfen an, und zwar in unseren.“ (Feuser 2015, S. 46)
Inklusion ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und ein Auftrag an uns ALLE – spätestens durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2008 in Ö, 2009 in D, 2013 in der CH. Das bedeutet auch, dass sich Menschen aller Bereiche des Lebens Gedanken, vor allem aber Umsetzungstrategien überlegen müssen, wie Inklusion beispielsweise im Feld der Pädagogik und in verschiedenen Fachdisziplinen – wie auch die RhythmikMB eine ist – aussehen kann.
Aktuell gibt es die eng gefasste Sichtweise von Inklusion in Bezug auf Menschen mit Behinderungen, für viele als „logische“ Fortsetzung von der Exklusion zur Segregation zur Integration zur Inklusion. Die weite gefasste Sicht von Inklusion (seit ca. 2000) bezieht neben Behinderung auch andere Diversitätsmerkmale gleichberechtigt mit ein und versucht, die Diversität aller Menschen unserer Gesellschaft zu berücksichtigen. Grundlagen sind hier die Menschenrechte in ihren differenzierten Ausformungen der UNO. (vgl. Biewer, Proyer & Kremsner 2019, 23)
Feuser findet eine wichtige Definition von Inklusion in der Pädagogik: Pädagogisch gesehen bedeutet Inklusion, „dass alle […], in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen, an und mit einem ´gemeinsamen Gegenstand´ […] spielen, lernen, studieren und arbeiten“ (Feuser 2015, S. 95).
Fragen sind nun:
- Welche Zugänge braucht es, um Inklusion zu leben?
- Welche Ansätze dafür bietet RhythmikMB, im Wechselspiel der Mittel Musik-Bewegung-Materialien-Stimme/Sprache?
Exemplarisch werden neun Gelingensbedingungen von RhythmikMB für eine Pädagogik, die inklusiv gestaltet ist, aufgezeigt:
Würfel: Wechsel der Blickrichtung auf einen Menschen, dialogische Haltung, Resonanz
Kreis: Gemeinschaft leben, Partizipation für alle ermöglichen, Teilhabegerechtigkeit
Hand: Aktivität, handelndes Lernen, Einbezug der Sinne, Multisensorik
Netz: ganzheitliche Entwicklung anregen: bewegen, wahrnehmen, denken, sprechen/kommunizieren, sozial-emotional handeln, wollen, intuieren, erinnern/merken (Garnitschnig/Neira Zugasty/Falschlunger 2008/2020)
Bausteine: Entwicklungslogische Didaktik, Entwicklungsmöglichkeit der Teilnehmenden beachten
Uhren: (Binnen-)Differenzierung, Eigenzeit – Fremdzeit
Stufen: aufbauendes Arbeiten, Schritt-für-Schritt
Wellen: Rhythmisierung, Stundengestaltung auf Basis des Phänomens Rhythmus
Braille: Wissen über Teilnehmende, Rolle der Beobachtung
Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer auch Lernende*Lernender Ihrer Teilnehmenden bleiben und RhythmikMB im Sinne von Inklusion leben, denn dieses (Basis-)Verfahren bietet viele Voraussetzungen und künstlerische Zugänge, die einer inklusiven (allgemeinen?) Pädagogik förderlich sind.
Inklusion fängt nicht nur in unseren Köpfen an, sondern auch durch unsere Handlungen!
AMBR e.V. (2009/2013)(Hg.): Mimi Scheiblauer unterrichtet Rhythmik, öffnet Türen in ein lebenswertes Leben, inszeniert ein Krippenspiel. Bremen: Deutsches Tanzfilminstitut. www.musikundbewegung.de
Bauer, Joachim (2012): Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. München: Heyne.
Biewer, Gottfried & Proyer, Michelle & Kremsner, Gertraud (2019): Inklusive Schule und Vielfalt. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag.
Brack-Lees, Jacqueline (2008): Rhythmik in theaterpädagogischen Projekten. In: Berufsverband Rhythmik Schweiz (Hg.): Rhythmik. Nr. 14. Zürich: Fachzeitschrift Rhythmik. 16–21.
Bühler, Ariane & Thaler, Alice (2001): „Selber denken macht klug“: Rhythmik, ein gestalterisches Verfahren in der Heilpädagogik. Luzern: Edition SZH/SPC.
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (Hg.) (2016b). UN-Behindertenrechtskonvention. Deutsche Übersetzung der Konvention und des Fakultativprotokolls. Korrigierte Übersetzung aus 2008 (BGBl. III Nr. 155/2008). Wien: BMSGPK. https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=19
Danuser-Zogg, Elisabeth (2013, 3. Auflage): Musik und Bewegung. Struktur und Dynamik der Unterrichtsgestaltung. Sankt Augustin: Academia.
Feuser, Georg (2015): Zwei Prämissen für „Kooperation an einem gemeinsamen Gegenstand“. In: Steirische Vereinigung für Menschen mit Behinderung (Hg.): Behinderte Menschen. Nr. 4/5/2015 (Graz: RehaDruck). 45–49.
Fröhlich, Andreas (2007): Basale Stimulation. In: Greving, Heinrich (Hg.): Kompendium der Heilpädagogik. Band 1. A–H. Troisdorf: Bildungsverlag EINS. 88–96.
Frohne, Isabelle (1981): Das Rhythmische Prinzip. Grundlagen, Formen und Realisationsbeispiele in Therapie und Pädagogik. Lilienthal/Bremen: Eres Edition.
Garnitschnig, Karl & Neira Zugasti, Helga (2006): Rhythmik als Movens der Entwicklung der psychischen Funktionen. Forschungsprojekt des Instituts für Musik und Bewegung sowie Musiktherapie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und des Instituts für Bildungswissenschaft der Universität Wien. (Forschungsbericht abrufbar unter: https://www.mdw.ac.at/mrm/mbe/inklusions-und-heilpaedagogik-diversitaet/entwicklungsraster-tpo/)
Garnitschnig, Karl & Neira Zugasty, Helga & Falschlunger, Christoph (2021): Lernen aus entwicklungsdynamischer Sicht: RhythmikMB & Tabelle der psychischen Funktionen – zwei sich ergänzende Verfahren. & Tabelle der Entwicklung der psychischen Funktionen – TPO 2006/2020. In: https://www.mdw.ac.at/mrm/mbe/inklusions-und-heilpaedagogik-diversitaet/entwicklungsraster-tpo/
Hirler, Sabine (2012): Wahrnehmungsförderung durch Rhythmik und Musik. Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag.
Hürtgen-Busch, Songrid (1996): Die Wegbereiterinnen der rhythmisch-musikalischen Erziehung in Deutschland. Frankfurt am Main: dipa-Verlag.
Kessler-Kakoulidis, Lucia (2016): Rhythmik und Autismus. Der integrative Ansatz Amélie Hoellerings in Theorie und Praxis. Gießen: Psychosozial Verlag.
Klöppel, Renate & Vliex, Sabine (2012, 3. Auflage): Helfen durch Rhythmik. Verhaltensauffällige Kinder erkennen, verstehen, richtig behandeln. Kassel: Bosse Verlag.
Kremsner, Gertraud & Proyer, Michelle & Baesch, Sophia (2020): Vom Universal Design for Learning zum Local Universal Design for Inclusive Education. Ein Plädoyer für inklusive Wurzeln. In: Sonderpädagogische Förderung heute (1/2020). Weinheim: Beltz Juventa. 34–46.
Neikes, J. L. (1998, 5. Auflage): Scheiblauer Rhythmik. Sankt Augustin: Academia.
Neira Zugasti, Helga & Garnitschnig, Karl (2008): Entwicklung beobachten, erkennen und unterstützen am Beispiel der rhythmisch-musikalischen Erziehung. Reg. Nr. 12348. DVD mit Begleitmaterial. BMUKK Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abt.7 – Medienservice 2008. CD-Rom. (Video abrufbar unter: https://www.mdw.ac.at/mrm/mbe/inklusions-und-heilpaedagogik-diversitaet/entwicklungsraster-tpo/)
Neira-Zugasti, Helga (1987, 2. Auflage): Rhythmik als Unterrichtshilfe bei behinderten Kindern. Wien: Jugend und Volk Verlag.
Probst, Werner & Schuchhardt, Anja & Steinmann, Brigitte (2006): Musik überall. Ein Wegweiser für Förder- und Grundschule. Braunschweig: Westermann Verlag.
Probst, Werner & Vogel-Steinmann, Brigitte (1978): Musik, Tanz und Rhythmik mit Behinderten. Regensburg: Gustav Bosse Verlag.
Quinten, Susanne & Reuter, Lisette & Almpanis, Andreas (2020) (Hg.): creability. Kreative und künstlerische Tools für die inklusive Kulturarbeit. Köln: Un-Label e.V. https://un-label.eu/project/creability/ (23.06.2021)
Reich, Kersten (2014): Inklusive Didaktik. Bausteine für eine inklusive Schule. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.
Rosa, Hartmut & Endres, Wolfgang (2016, 2. Auflage): Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert.Weinheim, Basel: Beltz Verlag.
Schöb, Andrea (2013): Definition Inklusion. In: http://www.inklusion-schule.info/inklusion/definition-inklusion.html(06.04.2019)
Stabe, Eva Roswitha (1996): Rhythmik im Elementar-, Primär -und Sonderschulbereich. Ganzheitliche Entwicklungsförderung am Beispiel retardierter und behinderter Kinder und Jugendlicher in Theorie – Didaktik – Praxis. Bern: Haupt Verlag.
Steinmann, Brigitte & Pollicino, Karin (2009): Musikhören mit dem Körper. Rhythmik in der Entwicklungsförderung von Kindern und Jugendlichen mit Hörbeeinträchtigungen. Wiesbaden: Reichert Verlag.
Thaler-Battistini, Alice (2019): Rhythmik: handlungsorientiert, mehrdimensional, ästhetisch. Ein gestalterisches Verfahren in der Pädagogik und der Heilpädagogik. Bern: Edition SZH/CSPS.
Verband deutscher Musikschulen (Hg.) (2017): Spektrum Inklusion. Wir sind dabei! Wege zur Entwicklung inklusiver Musikschulen. Bonn: VdM-Verlag.
Wagner, Robert (2016): Max Einfach – Musik Gemeinsam von Anfang an. (Spielheft 1 & Lehrerband). Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft.
Witoszynskyj, Eleonore & Schindler, Gertraud & Schneider, Margit (2006): Erziehung durch Musik und Bewegung. Wien: ÖBV.
Zuckrigl Hildegard & Zuckrigl, Alfred (1976): Rhythmik hilft behinderten Kindern. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Weitere Literatur des Vortragenden
Falschlunger, Christoph & Pilz, Ines (2022): RhythmikMB in der Elementaren Bildung. In: Bruckner, Johanna & Lindner, Doris (Hg.): Handbuch Elementare Bildung. Göttingen: Hogrefe Verlag. (in Fertigstellung)
Falschlunger, Christoph (2021): RhythmikMB erleben – (Sprach-)Entwicklung anregen. Ganzheitliche Zugänge durch Rhythmik/Musik und Bewegung. In: Paier, Almuth (Hg.): Z´sammgredt. Wien: Lernen mit Pfiff. (in Fertigstellung)
Falschlunger, Christoph (2020): ´The room in-between´: Interaction in Rhythmics and aspects of the approach in the artistic educational work with pupils having severe intellectual disabilities. In: Editions Papillon / FIER (Ed.)(2020): Chemins de rythmique 3 / Paths to Rhythmics 3. 34 leçons, 24 professeurs / 34 lessons, 24 teachers. Troinex/Drize, Genève, Suisse: Editions Papillon. 62-74.
Falschlunger, Christoph (2019): RhythmikMB erleben – Sprache bewegen! Die Wechselbeziehung von Bewegung, Musik, Stimme/Sprache und Materialien als Gestaltungsmittel sprachunterstützender Räume. In: Paier, Almuth (Hg.)(2019): SRACH[]RÄUME eröffnen-gestalten-erleben. Sprachheilpädagogik aktuell – Interdisziplinäre Einblicke und Ausblicke. Wien: Lernen mit Pfiff. 261-272.
Falschlunger, Christoph (2019): RhythmikMB in der Elementarpädagogik – Unterrichtsfach und pädagogisches Verfahren. In: Fajtak, Ulrike; Schmidt-Hönig, Kerstin (Hg.)(2019): Schuleingangsphase erleben und gestalten. Pädagogische und didaktische Beiträge. Wien: LIT Verlag. 204-219.
Falschlunger, Christoph (2016): RhythmikMB: ein Basisverfahren für inklusiv gestaltete Pädagogik.
In: Hauser-Dellefant, Angelika; Witoszynskyj, Eleonore (Hg.)(2016): Leben ist Bewegung ist Musik. Entwicklungen und Konzepte der Wiener Rhythmik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Wiesbaden: Reichert Verlag. 199-221.
Falschlunger, Christoph (2014): ´Zwischenräume´: Zum Stellenwert von Inter-Aktionen in der Rhythmik im Kontext einer stärkenorientierten Pädagogik für Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. In: Berufsverband Rhythmik Schweiz (Hg.)(2014): Rhythmik/Musik- und Bewegungspädagogik (Nr. 25). Zürich. 13-18. ( http://rhythmik.ch/Fachzeitschrift/Nr-25-Blickwinkel-Rhythmik-und/ )
Falschlunger, Christoph (2014): Rhythmik und Performing Translation: Zum Potential kreativer Übersetzungsräume in der Rhythmik/Musik‐und Bewegungspädagogik am Beispiel interaktiver Sequenzen mit Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. In: Hasitschka, Werner (Hg.)(2014): Performing Translation. Schnittstelle zwischen Kunst, Pädagogik u. Wissenschaft. Wien: Locker‐Verlag. 344-353.
Verlinkungen
Entwicklungsraster „Tabelle der Entwicklung der psychischen Funktionen – TPO“ (Einführungstext, Forschungsbericht, Video, Tabelle 2008/2020):
Inklusives Ensemble Ohrenklang_mdw:
Christoph Falschlunger - Bio
Musik- und Bewegungspädagoge/Rhythmiker, Sonderschullehrer, Volksschullehrer, PhD-Student.
Senior Lecturer an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Bereich Inklusions- und Heilpädagogik, Lehrender am Institut für Ausbildung an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Wien/Krems sowie an der Universität Wien, Leitung künstlerischer (inklusiver) Projekte, Verfasser von Fachartikeln, Referententätigkeit im In- und Ausland.
Zuletzt geändert: Montag, 10. Juli 2023, 19:38