Kapitel III: Welche Kreisläufe von Baustoffen sind im Bauwesen relevant?
Relevante Kreisläufe im Bauen
Wie im ersten Kapitel bereits näher beschrieben, verbraucht die Menschheit Jahr für Jahr und kontinuierlich ansteigend mehr Ressourcen als der Planet auf natürlichem Weg erneuern kann. Allgemein wird zwischen biotischen (erneuerbar) und abiotischen (nicht erneuerbaren) Ressourcen bzw. Rohstoffen unterschieden. Biotische Rohstoffe sind nachwachsende Stoffe pflanzlicher oder tierischer Natur. Abiotische sind Erze, fossile oder mineralische Ressourcen, die nicht im herkömmlichen Sinne nachwachsen können [1].
Bei weiter steigender Weltbevölkerung und weiterhin
steigendem Materialbedarf ist davon auszugehen, dass, damit die in der Natur
verbleibenden Ressourcen geschont werden können, die Strategie einer kreislaufgerechten
Bauweise am wirksamsten ist. Ausgehend davon, dass sich durch die vom Menschen gebauten
Umwelt neben der verbleibenden Natur ein zweites Materiallager aus
Sekundärrohstoffen gebildet hat, hat sich der Begriff des Urban Mining
etabliert. Kurz gefasst bedeutet Urban Mining die bereits gebaute Umwelt als
urbane Mine zu begreifen, aus der dann entsprechende Sekundärrohstoffe abgebaut
werden können. Ziel dabei ist ein sogenannter geschlossener Kreislauf, d.h. ein
Kreislauf, in dem durch endlose Wiederholung von Wiederverwendung und Wiederverwertung
von Materialien kein Abfall anfällt [2].
Hierfür ist besonders entscheidend, dass zukünftig Gebäude von Anfang an so geplant werden, dass sie sortenrein rückbaubar sind, sodass die Materialien entsprechend einfach ihrem Materialkreislauf zurückgeführt und weiter genutzt werden können [3]. Außerdem ist es entscheidend, dass die Menge an wiederverwertbaren Materialien erfasst wird. Denn in der Vergangenheit wurde im Regelfall nicht nach dem Prinzip der Kreislaufgerechtigkeit geplant, was den Rückbau und die Wiederverwendung bzw. -verwertung erheblich erschwert und unwirtschaftlich macht. Es gibt inzwischen mehrere Unternehmen, die versuchen, bereits verbaute Materialien zugänglich zu machen (Um mehr über dieses Thema zu erfahren, schaut euch gerne unsere Vorträge von Madaster, EPEA und concular an).
Um Kreislaufgerechtigkeit zu verstehen, muss zunächst verinnerlicht
werden, dass es eine Vielzahl verschiedener Kreisläufe gibt. Relevant in dieser
Darstellung vom kreislaufgerechten Bauen sind lediglich der natürliche, der
technische und der biologische (alternativ auch biotischer) Kreislauf . Der natürliche Kreislauf stellt
sozusagen die ungestörten Naturkreisläufe dar, die möglichst geschützt werden
sollten. Durch menschliche Eingriffe in Form von Rohstoff-Entnahme wird dieser
natürliche Kreislauf gestört. Der entnommene Stoff wird dann fortan je nach Art
des Stoffs und nach Verwendung dessen entweder im biologischen oder im
technischen Kreislauf geführt. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es das Ziel diese
beiden Kreisläufe zu schließen, indem die entnommenen Stoffe entweder wie beim
biologischen Kreislauf ohne Störstoffe in den natürlichen Kreislauf
zurückgeführt werden können oder wie beim technischen Kreislauf dauerhaft in
endlosen Kreisläufen wiederverwendet und wiederverwertet werden, indem sie nach
ihrer Nutzung nicht entsorgt, sondern aufbereitet werden [4].
Die Regel besagt, dass alle Stoffe, die biotisch sind, dem biologischen
Kreislauf zugeordnet werden und alle Stoffe, die abiotisch sind, dem
technischen Kreislauf. Entscheidend ist jedoch, dass die Stoffe im biologischen
Kreislauf biologisch abbaubar sind und sozusagen den biologischen Kreislauf
verlassen können, indem sie dem natürlichen Kreislauf z.B. durch Kompostierung
zurückgeführt werden. Diese Vorgehensweise ist im technischen Kreislauf nicht
möglich, da hier in der sogenannten Technosphäre Materialien wie Metalle oder
Kunststoffe zirkulieren, die eben nicht biologisch abbaubar sind. Wichtig zu
beachten ist dabei, dass auch nachwachsende Rohstoffe in den technischen
Kreislauf überführt werden können. Dabei ist es entscheidend, ob diese Stoffe
dann nach ihrer Nutzung wieder sortenrein getrennt werden können, sodass sie
dem biologischen Kreislauf wieder zugeführt werden können [5].
Die nachfolgende Grafik versucht die Zusammenhänge noch
einmal übersichtlich darzustellen:
Wie Baustoffe wiederverwendet werden können
Das allgemein als Recycling bezeichnete Vorgehen zur erneuten Verwendung von Baustoffen/-teilen oder -produkten untergliedert sich in drei unterschiedlich Möglichkeiten. Wie auch schon im letzten Kapitel erwähnt gibt es eine grobe Rangfolge in der Wertigkeit von Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit. D.h. am nachhaltigsten ist immer der Verzicht von Ressourcenverbrauch zur optimalen Schonung anderer Ressourcen. Ist der Verzicht jedoch keine Option, bleiben die drei Möglichkeiten der Wiederverwendung, Wiederverwertung und Weiterverwertung (Vgl. Abb. Fünfstufige Abfallpyramide in Kapitel II). Die Wiederverwendung (auch als Re-Use bezeichnet) beschreibt die erneute Verwendung eines Produkts ohne den Verlust oder die Veränderung seiner aktuellen Gestalt. D.h. dieses Produkt wird 1:1 ohne Qualitätsverlust wiederverwendet. Wiederverwertung als nächste Stufe beschreibt gebrauchte Teile, die zur erneuten Verwendung einem Aufbereitungsprozess unterzogen werden müssen. Die Qualitätsstufe des Ursprungsproduktes oder -stoffes wird auf diese Weise wiederhergestellt, aber eben über weitere Maßnahmen und nicht durch direkte Wiederverwendung. Diese Stufe ist im eigentlichen Sinne das Recycling. Der Begriff Recycling wird aber oft in der Literatur auch als Oberbegriff für alle drei Maßnahmen genannt. Die letzte Stufe der Weiterverwertung ist als Downcycling zu verstehen, d.h. ein Material wird einem erneuten Verwertungsprozess unterzogen, aber erhält dadurch eine niedrigere Qualität. Letzteres könnte nur im biologischen Kreislauf als sogenannte Kaskadennutzung als nachhaltig bewertet werden, da nicht biologisch abbaubare Stoffe dem natürlichen Kreislauf nicht zurückgeführt werden können.
Nachfolgende Grafik visualisiert dieses Prinzip.
Die linke Seite zeigt zudem die Sonderrolle des biologischen bzw. biotischen
Kreislaufs aufgrund seiner nachwachsenden Eigenschaften, während mineralische,
metallische und fossile Materialien in diesem Falle nur innerhalb des
Hochbauwesens zirkulieren können. Außerdem zeigt die Grafik durch gestrichelte
Linien, dass durch den Qualitätsverlust bei Aufbereitungsprozessen die
Weiterverwertung sowie die energetische Nutzung im biotischen Kreislauf nicht
als vollständig geschlossene Kreisläufe gelten [6].
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Untenstehende Grafik zeigt ergänzend die einzelnen Stufen
bzw. Phasen, die im technischen und biotischen bzw. biologischen Kreislauf im
kreislaufgerechten Bauen von Relevanz sind.
[1] DESTATIS Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Was sind Rohstoffe? <https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/UGR/rohstoffe-materialfluesse-wasser/Glossar/was-sind-rohstoffe.html> Aufruf: 21.12.2023
[2] Rosen, Anja (2021): Urban Mining Index - Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. Dissertation. Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag. S. 4f
[3] wie [2] S. 12f
[4] wie [2] S. 21ff
[5] Cradle to Cradle NGO: Cradle to Cradle Lexikon <https://c2c.ngo/lexikon/> Aufruf: 21.12.2023
[6] Hillebrandt, Annette; Riegler-Floors, Petra; Rosen, Anja; Seggewies, Johanna-Katharina (2018): Atlas Recycling. Edition Detail. München. S.58f
Abbildungen
Abb. Zusammenhänge Kreisläufe. Grafik von Lennard Thier. Nach: Rosen, Anja (2021): Urban Mining Index - Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. Dissertation. Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag. S. 21
Abb. Nutzungs- und Lebenszyklen von Baustoffen. wie [6] S. 59
Abb. Biotischer und technischer Kreislauf nach Cradle to Cradle. wie [6] S. 60