Rhythmik im Kindergarten - Sibylle Schura
Abschlussbedingungen
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Rhythmik in der Arbeit mit Kita-Kindern
Weil das Fach Rhythmik für eine Vielzahl von Altersgruppen sowie Arbeitsschwerpunkten geeignet ist, z.B. in der Pädagogik, in der Heilpädagogik, in der Kunst, auf der Bühne, Tanz, Theater, möchte ich meine
Definition für die Rhythmik im pädagogischen Bereich für Elementarkinder beschreiben. Ich orientiere mich an der Terminologie von Rudolf Konrad (1984) und arbeite meine Erfahrungen in der pädagogischen Praxis mit Elementarkindern ein.
Kernaussage:
Rhythmik ist eine Methode oder ein Verfahren, das den Kindern einen umfassenden Zugang zu ihren eigenen Fähigkeiten ermöglichen soll.
Zu den eigenen Fähigkeiten gehören aus meiner Sicht: die Wahrnehmung, die Bewegung, die Emotionalität, das Soziale Verhalten, sowie die intellektuellen Fähigkeiten des Kindes.
Die Mittel der Rhythmik mit denen gearbeitet wird, kommen aus fünf Bereichen, die – jede für sich betrachtet – eine eigenständige Disziplin sind. Das sind im Einzelnen: Musik, Bewegung, Wahrnehmung, Sprache, Materialien. Ziel der Rhythmik im Elementarpädagogischen Bereich ist es, dem Kind spielerisch basale Zugänge zu den Disziplinen zu öffnen.
Der Musik kommt in diesem Zusammenhang jedoch die Hauptrolle zu: Denn sie hat direkte Bezüge und ist geradezu Impulsgeber zu allen andern Bereichen. Die Musik durchdringt alle weiteren Bereiche und lässt diese miteinander in Verbindung treten, ohne dass der rote Faden in einer Stunde verloren geht.
Zunächst möchte ich die generelle Frage stellen: Welche Beziehung besteht zwischen Musik und Bewegung, Wahrnehmung, Sprache und Material?
Die Musik wird wahrgenommen und spricht schnell unsere Emotionen an.
Sie ist gerne der Impuls für Bewegungen, denn sie bringt uns zum Tanzen oder gibt der Bewegung einen zeitlichen Rahmen, in dem wir uns bewegen – z.B. dann, wenn wir beim Joggen Musik hören.
Sie enthält Strukturen, wie sie auch in Sprache vorhanden sind – etwa betonte und unbetonte Passagen oder das Auf und Ab der Melodien im Ausdruck des Sprechens.
Wir können die Musik mittels Materialien sichtbar machen und so eine gehörte Struktur visualisieren, sie somit auf Dauer festhalten, fixieren. Wer nicht Noten lesen kann, vermag über eine Visualisierung von kurzen und langen Tönen aufmalen, was er gehört hat.
Wie werden nun Rhythmikstunden mit diesen fünf Mitteln entwickelt?
Rudolf Konrad hat die vielfältigen Prozesse, die in einer Rhythmikstunde unter Einbeziehung der Mittel in Gang kommen, als Aktionsfelder bezeichnet. Die Aktionsfelder nach Rudolf Konrad betreffen die: Sensorik, Interaktion, Gruppe, Ästhetik.
In den verschiedenen Aktionsfeldern im musikpädagogischen Zusammenhang mit Elementarkindern bekommt das Kind Zeit und Raum gestellt, um seine eigenen Möglichkeiten und Ideen sowie die der anderen Kinder kennenzulernen und den eigenen Bezug zum Mittel zu entwickeln.
Das heißt konkret in der Arbeit mit den Kindern: Das Kind erfährt sich selbst über seine Sensorik, es tritt in Interaktion mit den anderen Kindern ein, es entwickelt Gestaltungsideen in und mit der Gruppe und erschließt sich so einen Ausschnitt ästhetischer Inhalte. Diese können aus der Musik, der Kunst, der Sprache, der Natur, der Naturwissenschaft stammen.
Bezogen auf meine Filmsequenz fand Folgendes statt:
- Die Kinder beobachten draußen den Wind und seinen Einfluss auf die Blätter, sie sehen und spüren (Wahrnehmung).
- Sie imitieren, was sie wahrgenommen haben und bewegen sich wie das Blatt oder der Wind (Bewegung).
- Sie beschreiben und besprechen ihre Eindrücke und tauschen sich dabei über ihr Wissen und Erfahrungen aus (Sprache).
- Unter Verwendung des Materials der „Windpuschel“ werden außerdem haptische und auditive, visuelle, Wahrnehmungen, sowie Orientierung im Raum, Gleichgewichtserfahrungen, Eigenwahrnehmungssinn gemacht (Material).
- Sie erfinden auf Basis der gesammelten Erfahrung einen ganz individuellen Ausdruck, der unter Begleitung von Musik zu ihrem eigenen Tanz wird (Musik).
Bei all den verschiedenen Aufgabenstellungen werden Prozesse in Gang setzt, in denen es um Emotionen, das Soziale Verhalten, die Kognition, die Motorik und die Wahrnehmung geht. Für das Kind sollte es sich einfach nur gut anfühlen, und es sollte Lust an diesen Aktionen haben. Häufig wird dafür der Begriff der „Ganzheitlichkeit“ verwendet. Ich schätze ihn nicht so gerne, weil eigentlich erst einmal definiert werden muss, um welche Art Ganzheitlichkeit es sich denn handelt.
Was ist das Ziel all der Bemühungen im Unterricht mit der Rhythmik?
Das Kind hat einen Anspruch darauf, dass es mit all seinen Talenten und Möglichkeiten gefördert wird. In der Rhythmik werden die Fähigkeiten des Kindes umfassend und kindgemäß angesprochen und entwickelt. Es wird umfassend auf sein Leben, seine individuelle Perspektive, seine Verwirklichung in Beruf und Gesellschaft, vorbereitet sein.
Ausblick:
Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt, die uns im Alltag enorm viel Möglichkeiten und Potential bietet … aber auch Gefahren birgt.
Aus Sicht einer Musikpädagogin liegen die Gefahren für Kinder darin, dass sie kostbare Zeit vor dem Bildschirm sitzen und nicht in einem lebendigen, realen Austausch mit anderen Kindern stehen. Digitale Welten – also bereits das Benutzen des Computers – führt zu Reduzierung des Bewegungspotentials, denn die erforderlichen Bewegungen sind auf die Finger fixiert, die Augen müssen auf den Bildschirm gucken. Die Handhabung des Computers ist also monoton, führt zu Bewegungsarmut und lässt die Fülle der eigenen Lebendigkeit nicht entstehen.
Zum Schluss einige Fragen:
Was aber passiert, wenn ein Kind sich selbst z.B. nicht in seiner Motorik entwickeln darf?
Wie wollen wir in der Zukunft leben?
Was ist unserer Gesellschaft die Individualität wert?
Fazit:
Wie immer die Zukunft sein wird:
Der Mensch ist im Prinzip eine Einheit von Leib – Seele – Geist.
Zielsetzung der Rhythmik, gerade in der elementarpädagogischen Arbeit mit Kindern, ist es diese Einheit immer wieder herzustellen.
Ich denke daher, dass sich die Kraft, die in den jedem jungen Menschen steckt, immer ihren Weg finden wird, damit sich das Kind in dieser Einheit erfährt.
Sibylle Schura: Lieder für kleine Ohren, Eres Edition 2326.
Rudolf Konrad: Erziehungsbereich Rhythmik, Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1984.
Sibylle Schura - November 2020
Zuletzt geändert: Montag, 10. Juli 2023, 18:44