Zum Hauptinhalt

2. Lufttransportsysteme

Abschlussbedingungen

4. Sicherheit & Lufttüchtigkeit

4.2. Risiko, Wahrscheinlichkeit, Zuverlässigkeit, Auswirkung

Die Philosophie der Sicherheit im Luftverkehr beruht auf Überlegungen zur Ausfallwahrscheinlichkeit beziehungsweise zum Risiko.

Risiko Flugreise?

Alle Menschen sterben früher oder später. Das Risiko zu sterben muss also auf einen Zeithorizont bezogen werden. Sinnvoll ist die Bemessung des Sterberisikos an der Wahrscheinlichkeit, binnen einer Stunde zu sterben, die Wahrscheinlichkeit des Todes pro Stunde. Dieser ist selbstverständlich vom Alter abhängig. Neugeborene und hochaltrige Menschen haben im Durchschnitt eine höhere Wahrscheinlichkeit des Todes pro Stunde.

Für Personen bis zu einem Lebensalter von etwa 52 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit des Todes pro Stunde bei unter 1*10^-6 (= < 0,0001%) also unter 1 : 1 Million. Für die Flugsicherheit wählt man grob gesagt den Ansatz, dass man die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines tödlichen Flugunfalls bei einem konkreten Flugzeug innerhalb der nächsten Stunde unterhalb von 1*10^-7 (= < 0,00001%) also unter 1 : 10 Millionen halten möchte. Das heißt, dass ein Mensch in diesem Flugzeug mitfliegen könnte, und statistisch gesehen nach einem gesamten Leben in diesem Flugzeug nach etwa 1141 Jahren mit dem ersten tödlichen Flugunfall zu rechnen hätte. Es könnten also ein Dutzend Personen ihr gesamtes Leben - Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr, vom Säugling bis zum Greis - in einem Flugzeug verbringen und höchstens einer von ihnen wird voraussichtlich bei einem Flugunfall sein Leben lassen müssen. Auch wer also in seinem Leben 1000 Flugstunden reist, kommt nur mit einer Wahrscheinlichkeit von unter einem hundertstel Prozent (0,001%) durch einen Flugunfall ums Leben.

Seit dem Jahr 2002 gab es daher kein Jahr mehr, in dem mehr als 1000 Menschen weltweit in der kommerziellen Luftfahrt ums Leben gekommen sind - bei seit dem Jahr 2002 weltweit mehr als anderthalb Milliarden und seit dem Jahr 2014 weltweit über 3 Milliarden Passagieren und Crewmitgliedern im jeweiligen Jahr. In den 1970er Jahren lag die Zahl der jährlichen Todesfälle in der kommerziellen Luftfahrt noch etwa doppelt so hoch wie heute (in absoluten Zahlen wohlgemerkt). Seitdem hat sich das Passagieraufkommen mehr als versechsfacht. Die Luftfahrt ist in den letzten etwa vier Jahrzehnten also mehr als 12 mal so sicher geworden wie zuvor.

In der Luftfahrt lassen sich also hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung ähnliche Beobachtungen treffen wie im Straßenverkehr, wo sich in den vergangenen Jahrzehnten die absolute Anzahl der Verkehrstoten trotz Bevölkerungswachstums in Deutschland mehr als halbiert hat und die Anzahl der Verkehrstoten gemessen an der Anzahl der Fahrzeugkilometer heutzutage (2020) sogar nur noch etwa ein Siebtel des Wertes aus dem Jahr 1980 beträgt.

Klassifizierung von Wahrscheinlichkeiten

Wahrscheinlichkeit und Zuverlässigkeit gehen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Versagens miteinander einher.

Es haben sich einschlägige Normen zu diesem Thema entwickelt:
  • Zuverlässigkeit nach FAR / Advisory Circular §1309: Wahrscheinlichkeit der Fehlerklasse
  • SAE/ARP4754, RTCA DO-178C: System Development Assurance / Qualität der Softwareentwicklung 

Der Eintritt eines Ereignisses pro Flugstunde oder Flugbewegung lässt sich daher in Wahrscheinlichkeitsklassen einteilen. Mit den Wahrscheinlichkeitsklassen sind Auswirkungen verknüpft. Je schwerwiegender eine mögliche Auswirkung eines Ereignisses ist, desto unwahrscheinlicher muss das Eintreten des Fehlers sein. Eine Auswirkung darf nie wahrscheinlicher eintreten als ihre jeweilige Wahrscheinlichkeitsklasse. Andernfalls wäre das Risiko als nicht akzeptabel zu werten.

edu sharing object

Anschaulicher wird dies wenn man die Effekte auf Luftfahrzeug, Besatzung oder Passagiere betrachtet und daraus zulässige Wahrscheinlichkeiten und Fehler klassifiziert.