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Historische Klaviere - Im Spannungsfeld zwischen Instrumentenbau und Interpretationsgewohnheiten
Kursthemen
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Camille Pleyel (1788-1855) — (Wien 1841) im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Die Manufacture Pleyel wurde 1807 vom österreichischen Komponisten Ignaz Josef Pleyel in Paris gegründet. Nach dessen Tode im Jahr 1831 übernahm sein Sohn Camille die Arbeit und führte die Manufaktur zu weltweiten Ruhm. Camille Pleyel war Mitbegründer der berühmten Pariser “Salons”. Sie waren angesehene Treffpunkte für die Musikszene und boten eine Bühne für Virtuosen und Komponisten der Zeit. Frédéric Chopin war bei Pleyel häufiger Gast. Er war so von der Qualität der Pleyel Instrumente überzeugt, dass er ausschließlich auf Pleyel-Flügeln spielte, deren leichtgängige Mechanik und warmer süß-samtiger sonorer Ton legendär waren Debussy, de Falla, Ravel, Stravinsky und Alfred Cortot waren ebenfalls Pleyel-Anhänger und spielten nach Möglichkeiten nur auf diesen Flügeln. 1834 produzierten bei der Manufaktur Pleyel 300 Klavierbauer knapp 1.000 Instrumente.[1]
[1] Zitiert nach: https://klavierinforum.blogspot.com/search?q=pleyel. Abrufdatum 3.3.2024 15:52 Uhr
Historische Klaviere - Teil 02 - Hammerflügel Pleyel
Prof. Dr. Hans Bäßler im Gespräch mit Kurator Olaf Kirsch
Pleyel
Paris (1847) Herstellungs-Nr. 14444
Transcript:
00:00:08:04 - 00:00:41:03 Hans Bäßler
Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg verfügt über eine großartige Sammlung von Tasteninstrumenten. Was besonders fasziniert, ist die Sammlung des 19. Jahrhunderts. Und dazu gehört auch ein Instrument von Camille Pleyel, das wir uns in diesem Fall genauer ansehen wollen. Bei uns ist und erläutert der Kurator dieser Sammlung, Olaf Kirsch. Herr Kirsch, ich habe gehört, dass die Familie Pleyel eigentlich Playel heißt. Was hat es damit auf sich?
00:00:41:07 - 00:01:47:19 Olaf Kirsch
Ja, der Firmengründer war ein Ignaz Playel, der in Österreich Kompositionsschüler von keinem Geringeren als Joseph Haydn gewesen ist. Und er war - wie das damals üblich war, als die Musikberufe noch nicht so in Sparten professionalisiert waren - in vielen Bereichen aktiv. Er ist dann nach Paris gegangen, eigentlich als Musikverleger. Viele Streicher werden ihn kennen, seine Duos für zwei Geigen, die gern im Geigenunterricht verwendet wurden. Und Freunde haben ihn eigentlich überredet, ob er nicht Klaviere bauen wolle und, ich glaube, 1807 hat er dann in Paris seine ersten Klaviere hergestellt. Das ist ganz interessant. Es gab ja zwei Schulen des Klavierbauers, die in dieser Zeit wichtig waren: Die Wiener Tradition und die Englische Tradition. Und Playel, aus Wien kommend, mit dieser Wiener klassischen Musik eigentlich in seinem geistigen Gepäck, versucht, so einen Ausgleich zwischen der Feinheit und der Brillanz der Wiener Instrumente mit der Klangfülle und der Sonorität der englischen Tradition zu verbinden.
00:01:49:01 - 00:02:01:14 Hans Bäßler
Für mich ist ganz auffällig - im Gegensatz zu dem Instrument, was wir uns ja auch angeguckt haben von Brodmann aus Wien -, dass wir hier einen etwas anderen Korpus haben. Woran liegt das?
00:02:01:24 - 00:03:46:21 Olaf Kirsch
Ja, also wenn man das Instrument jetzt anschaut, so ein bisschen von der Wuchtigkeit, vom Gewicht, fühlen wir uns an moderne Instrumente erinnert schon. Und wenn wir hineinschauen - was Sie ja, glaube ich, ansprechen hier: Diese Metallverstrebungen werden notwendig, weil man viel dickere Saiten mit sehr viel stärkerem Saitenzug hat, weil man einen lauteren, kräftigeren Klang haben will. Ein Klang, der auch lange stehenbleibt, um große, Kantilenen, kantable Bögen spielen zu können. Und es wird notwendig, die Instrumente mit Metallverstrebungen zu stabilisieren. Interessant, dass die hier im oberen Bereich, im mittleren Bereich des Instruments angebracht sind, aber noch nicht an der Rückseite im Bassbereich, so dass man also eine gute Stimmhaltung auch der kürzeren hohen Saiten hier gewährleisten will, eigentlich aber noch von einem Holzkorpus als Klangkorpus ausgeht. Und wir können hier sogar noch eine kleine Klappe zumachen. Man kann sich durchaus vorstellen, dass man das so gespielt hat. Vielleicht weil man nicht wollte, dass man in diese Metallkonstruktion so hinein guckt, was vielleicht noch eher als profanes Material galt, was man von Dampfmaschinen, von Lokomotiven so kannte. Zum anderen hat es auch klangliche Elemente als Schalldeckel, der den Innenraum so etwas abschirmt und vielleicht dazu führt, dass der Klang des Instruments insgesamt etwas homogener wird. Man kann den Deckel auch hochklappen und dann hat man sozusagen die moderne Spielsituation. Das wird hier mit einem Lederriemen eingehängt.
00:03:48:02 - 00:04:02:22 Hans Bäßler
Trotzdem fällt auf, dass wir, was die Metallverwendung angeht, es etwas anders noch hatten damals im Verhältnis zu der Art und Weise, wie man heute innen drinnen den Korpus bearbeitet hat.
00:04:03:05 - 00:05:14:04 Olaf Kirsch
Genau. Also Sie sehen, dass die Saiten ja alle parallel durch das Instrument laufen. Heute haben wir den Basssteg mit den umsponnenen Saiten und der wird hier auf die andere Seite gesetzt, so dass wir eine kreuzsaitige Bespannung haben. Man möchte noch mehr Klangvolumen haben, man möchte Resonanzen haben, was man dadurch erzielt. Der Vorteil dieser Parallelbesaitung ist, dass er transparenter ist, dass wir eine größere Klarheit auch im Bassbereich haben. Es gibt ja sogar inzwischen den Versuch, den modernen Flügel mit einer Parallelbesaitung wiederzubeleben. Barenboim hat sich ja so einen Flügel bauen lassen und ist damit auf Tournee gegangen. Da sehen wir, finde ich, wieder sehr schön, dass es eigentlich in der Kunst, im Instrumentenbau kein absolutes Richtig-Falsch, Besser-Schlechter geht, sondern dass es Alternativen sind. Ich kann einen transparenten Klang haben, dann habe ich nicht diese Klangwucht. Ich kann versuchen, möglichst ein enormes Klangvolumen zu erzeugen. Das erkaufe ich mir aber, dass dann etwas Transparenz und Trennschärfe verloren gehen.
00:05:14:19 - 00:05:37:07 Hans Bäßler
Eine letzte Frage. Wenn ich diese schöne Maserung des Korpus sehe, dann frage ich mich zwangsläufig eigentlich: Warum baut man nicht grundsätzlich diese Maserung, sondern warum hat man heutzutage diese Standards, dass grundsätzlich schwarz gespritzte, hochpolierte Flügel da sind?
00:05:37:14 - 00:06:49:01 Olaf Kirsch
Ich bin häufig von Besuchern des Museums auch gefragt worden, wenn sie sich hier umschauen, das ganze 19. Jahrhundert haben wir diese schönen Instrumente mit diesen edlen Holzfurnieren, wann die Instrumente eigentlich schwarz geworden sind. So genau weiß ich das gar nicht. Das kennen wir ja von Fotos. So, das muss irgendwie um die Jahrhundertwende gewesen sein. Ich vermute mal, dass es möglicherweise mit der Herrenmode einherging. Als der Herr also einen schwarzen Frack trug, kamen auch die schwarzen Flügel auf die Bühne. Aber das ist eine Vermutung von mir. Also es ist in Quellen von mir bisher nicht belegt, nachgewiesen, warum wir jetzt diesen Standard schwarz haben auf der Bühne. Das sieht ja vielleicht dann schon mehr nach Salon, nach Wohnzimmer aus. Und es ist ja auch jedem unbenommen. Es gibt ja auch heutige Hersteller mit Serien mit edlen Furnieren, sich im Wohnzimmer so ein holzsichtiges Instrument aufzustellen. Auf dem Konzertpodium hat sich irgendwie das Schwarz so eingebürgert. Wobei man sich ja fragen kann, ob zu den edlen Streichinstrumenten, den Geigen und Celli in Holz vielleicht nicht auch ein Holzkonzertflügel in der Optik auch schön wäre.
00:06:49:19 - 00:07:29:07 Hans Bäßler
Damit haben wir uns jetzt befasst mit einem Instrument, das in Paris gebaut worden ist. Ich sagte schon 1847. Beim nächsten Mal werden wir ein Broadwood-Flügel uns genauer ansehen. Wir gehen dann von Paris nach London und werden dort ein anderes, ein neues Klangbild erleben. Es ist spannend. Wir haben im Grunde genommen eine Reise durch Europa von Wien über Paris nach London und dann geht es noch weiter nach New York. Aber zunächst einmal herzlichen Dank noch an Herrn Kirsch für diese Einsichten und auch die Aussichten.
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F. Chopin: Nocturne Es-Dur Op. 9 Nr. 2
Hubert Rutkowski, Prof. für Klavier an der Hochschule für Musik und Theater HamburgIm Vergleich: Pleyel /1841) / Steinway D (2022)
Der Komponist Frédéric Chopin liebte die Pleyel-Instrumente und war mit dem Chef der Manufaktur eng befreundet, sodass man davon ausgehen muss, dass diese Instrumente seinen Vorstellungen von Musik am ehesten entsprachen. Anders als bei Brodmann, aber doch seiner Klangphilosophie ihm nicht unähnlich zeichnen sich seine Instrumente durch einen sehr warmen Ton aus, der dem melodiösen Charakter der Musik Chopins sehr nahe kommt, wenn nicht sogar entspricht. Hinzu kommt die Leichtigkeit des Anschlages, die für die raffinierten Überleitungspassagen z.B. dem hier vorgestellten Nocturne sehr zugute kommt, weil man auf diese Weise die Unterschiede von Haupt- und Nebennoten sehr gut darstellen kann. Der Pianist Hubert Rutkowski vermittelt diese kompositorische Raffinesse durch seine hier vorgestellte Interpretation. Und gleichzeitig erkennt man, wie sehr Rutkowski versucht diese Idee auf einem modernen Steinway-Flügel wiederum nachzuzeichnen.
Hammerflügel Pleyel, Paris, 1847
Aus der Sammlung Musikinstrumente im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steinway&Sons D-274 mit harmonischer Dämpfung
Aufgenommen im Showroom Steinway & Sons Hamburg
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