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2. Lufttransportsysteme

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2. Luftverkehr

2.1. Wachstum des Luftverkehrs

Der Luftverkehr ist stark von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends und der wirtschaftlichen Lage abhängig. Insbesondere Krisen wie eine Häufung von Flugunfällen, der Missbrauch von Luftfahrzeugen als Waffe oder Wirtschaftskrisen, Kriege oder Pandemien wirken sich enorm auf den Luftverkehr aus.

Insbesondere in Schwellenländern mit hohem Wirtschaftswachstum wächst die Mobilität der Gesamtbevölkerung enorm mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. In Staaten mit sehr hohem pro-Kopf-Einkommen beziehungsweise in der "westlichen Welt" und dem mittleren Osten ist die Mobilität der Gesamtbevölkerung bereits sehr hoch und zeigt nur noch eine geringe Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung um dem pro-Kopf-Einkommen im jeweiligen Staat. All dies gilt insbesondere für den Passagierluftverkehr. Zudem ist zu beobachten, dass in Schwellenländern mit hohem Wirtschaftswachstum und eigener Luftfahrtindustrie ein besonders starkes Wachstum des Kurzstreckentransports beziehungsweise des inländischen Verkehrsaufkommens in der Luftfahrt zu beobachten ist. Der Langstreckentransport wächst insbesondere entlang der Routen zwischen der "westlichen Welt", dem mittleren Osten und den Schwellenländern mit hohem Wirtschaftswachstum.

Kondratjew-Zyklen

Nikolai Kondratjew (1892 bis 1938) gilt als Begründer der „Theorie der langen Wellen“. Diese Theorie beschreibt nicht nur bloße Wirtschaftszyklen, sondern vor allem gesellschaftliche Prozesse.

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Auch die allgemein in Wirtschaft und Gesellschaft zu beobachtenden Kondratjew-Zyklen zeichnen sich aufgrund der starken Abhängigkeit der Luftfahrt von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends oft besonders stark in der Luftfahrt ab.

Passagierluftverkehr

Verschiedene Marktanalysen stellen fest, dass der weltweite Luftverkehr (in Personenkilometer pro Jahr Revenue Passenger Kilometres) in den vergangenen Jahrzehnten ein durchschnittliches jährliches Wachstum von etwa 4% bis etwa 5% aufgewiesen hat, was (vgl. Zinseszins-Effekt) etwa eine Verdoppelung des Luftverkehrsaufkommens alle 15 Jahre bedeutet. Das jährliche Wachstum der Anzahl der Flugpassagiere ist dabei geringer als das jährliche Wachstum der Personenkilometer pro Jahr, was bedeutet, dass nicht nur die Anzahl der Passagiere steigt, sondern auch die pro Passagier und Jahr zurückgelegte Strecke. Es fliegen also nicht nur immer mehr Menschen, sondern wer fliegt, fliegt auch Jahr für Jahr immer weiter. Dabei haben die Ölkrisen in den 1970er Jahren, der Angriff auf das World Trade Center im Jahr 2001 und die Finanzkrise in den Jahren 2008 / 2009 die Luftverkehrsentwicklung nur kurzfristig negativ beeinflusst.

Inwiefern diese Beobachtungen auch auf die 2020er Jahre übertragbar sind, werden die kommenden Jahre noch zeigen müssen. Die COVID-19-Pandemie stellt wirtschaftlich die größte Krise in der Luftfahrtgeschichte dar.

Luftfracht

Das Wachstum des Weltluftfrachtmarktes liegt mit durchschnittlich etwa 5% pro Jahr etwa gleichauf mit dem des Passagierluftverkehrs.

Die größten Wachstumsmärkte für Luftfracht befinden sich auf den Routen in asiatisch-pazifische Regionen beziehungsweise bei Inlandsflügen in den BRIC-Staaten (BRIC = Brasilien, Russland, Indien, China).

Es werden drei Arten von Luftfrachtbetreibern unterschieden:
  • Integratoren bieten einen "Tür zu Tür"-Service (FedEx, UPS, etc.)
  • All Cargo Airlines befördern ausschließlich Fracht (z.B. Cargolux)
  • Combination Carriers befördern Passagiere und Fracht (Lufthansa, Air France, etc.)
    • 55% der Luftfracht wird im kombinierten Transport befördert - also bei Combination Carriers
    • kombinierter Transport bedeutet fast immer Frachttransport im "Belly" - also im "Bauch" - von Passagierflugzeugen ("Belly-Fracht" - Belly Freight)
Außerdem haben Fluggesellschaften, die aus dem Passagierluftverkehr bekannt sind, oft auch zusätzlich eine reine Frachter-Flotte (zum Beispiel Lufthansa, Qatar, etc.). Diese operieren dann oft ähnlich wie All Cargo Airlines und führen Namenszusätze wie "Cargo", die sie vom Passagierbetrieb unterscheiden.

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Wie bereits erwähnt, wird etwa 55% der Luftfracht in Passagierflugzeugen (Passenger Aircraft / Passenger Airplanes) transportiert (kombinierter Transport). Auch deshalb machen Passagierflugzeuge 96% aller Flugbewegungen aus, da durch den kombinierten Transport nur eine geringe Anzahl an reinen Frachtflugzeugen (Cargo Aircraft / Freighters) benötigt wird.

Diese Verhältnisse haben sich aufgrund der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 in mancher Hinsicht verschoben. Anders als im Passagierluftverkehr ist das Verkehrsaufkommen im Frachtluftverkehr weitestgehend konstant geblieben (je nach Land / Region teils Rückgang oder sogar Wachstum während der Pandemie). Durch das geringe Verkehrsaufkommen an Passagierflugzeugen wurde die Welt-Frachterflotte quasi voll ausgelastet. Durch die quasi vollständige Auslastung der Welt-Frachterflotte wurde Luftfracht daher auch in Passagierflugzeugen ohne Beförderung von Passagieren transportiert. Fluggesellschaften, die bislang als Combination Carriers agiert haben, fliegen daher in den Jahren 2020 und 2021 teils auch reine Frachtflüge. In der Luftverkehrswirtschaft hat im Rahmen dessen auch der Begriff des "Prachters" an Bedeutung gewonnen. Prachter bezeichnet dabei ein Flugzeug, das kurzfristig mit vergleichsweise geringem Aufwand an Arbeitsstunden vom Passagierflugzeugen zum Frachter umgerüstet wird / wurde.

Das Durchschnittsalter von Frachtflugzeugen liegt bei etwa 22 Jahren. Eine Ausmusterung findet nach durchschnittlich etwa 35 Jahren statt. Frachtflugzeuge sind zum Großteil gebrauchte, umgerüstete Passagierflugzeuge (zum Beispiel Boeing 727, Douglas DC-8, etc.). Anders als beim Prachter findet die reguläre Umrüstung dauerhaft und mit höherem Aufwand an Arbeitsstunden statt. Ältere Frachtflugzeuge werden jedoch voraussichtlich zu einem großen Teil im Laufe der 2020er Jahre auf Grund ihres hohen Alters ausgemustert. Als neuere Frachtflugzeuge werden vor allem die Boeing 747, die McDonnell Douglas MD-11, der Airbus A300 / A310 und der Airbus A330 eingesetzt. Aufgrund der alten Triebwerksmuster erfüllen nicht alle Frachtflugzeuge die ab 2002 geltenden Lärmvorschriften. Das liegt vor allem daran, dass Triebwerke, die in den 1970er oder 1980er Jahren entwickelt wurden, in der Regel höheren Lärmklassen zuzuordnen sind als modernere Triebwerksmuster mit vergleichbarer Leistung beziehungsweise vergleichbarer Schubkraft (dazu mehr in Unterkapitel  10. Luftverkehr & Umwelt). Daher drohen hohe Gebühren oder gar Start- und Landeverbote. Wie viele Prachter nun womöglich längerfristig reine Frachtflugzeuge werden, ist eine Frage, mit der sich die Luftfahrtindustrie beziehungsweise die Luftverkehrswirtschaft (das sind insbesondere die Fluggesellschaften) inzwischen auseinandersetzt.

Flugzeugsproduktions- & Umrüstungszahlen

Der überwiegende Teil (etwa 97%) neu produzierter Flugzeuge wird als Passagierflugzeug produziert und eingesetzt. Nur ein kleiner Teil (etwa 3%) der neu produzierten Flugzeuge kommt direkt als reines Frachtflugzeug zum Einsatz. Die Zahl der auszumusternden Passagierflugzeuge beträgt in der jüngeren Vergangenheit üblicherweise etwas weniger als ein Drittel der Neuproduktion von Passagierflugzeugen im gleichen Zeitraum. Ein noch geringerer Anteil der bestehenden Passagierflotte wird zu Frachtflugzeugen umgerüstet, sodass die Welt-Passagierflotte tendenziell wächst. Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens (Personenkilometer pro Jahr - RPK) erscheint dies auch nur logisch und konsequent. Innerhalb der Welt-Passagierflotte werden zudem ältere Flugzeugmuster bei weniger prestigeträchtigen Fluggesellschaften oder in Entwicklungsländern durch neuere Flugzeugmuster von Premium-Fluggesellschaften beziehungsweise europäischen oder asiatischen Flag-Carrier-Fluggesellschaften ersetzt und somit innerhalb der Welt-Passagierflotte "recycelt".

Der Begriff des Flag-Carriers bezeichnet eine Fluggesellschaft, die einen hohen Repräsentationsstatus hat und die mit dem internationalen Ruf des Staates, dessen Flagge sie führt beziehungsweise in dem die Flugzeuge registriert sind, verknüpft wird (zum Beispiel Lufthansa, British Airways, Air France, Aeroflot, Malaysia Airlines, etc.). Siehe dazu auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Flagcarrier

Eine Analyse der Markterwartungen für die 2010er und 2020er Jahre (basierend auf Zahlen, die im Jahr 2011 zur Verfügung standen) zeigt nachstehend die erwarteten absoluten Zahlen für diese beiden Jahrzehnte. Berücksichtigt wurden alle Passagierflugzeuge mit mindestens 100 Sitzplätzen und alle reinen Frachtflugzeuge.
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Die Welt-Frachterflotte speist sich neben dem Zulauf aus der Flugzeugneuproduktion somit auch ganz wesentlich über Umrüstungen aus der Welt-Passagierflotte. Trotz des geringen Anteils der Passagierflugzeuge, die zu Frachtflugzeugen umgebaut werden (gemessen an der Größe der Welt-Passagierflotte sowie den Zu- und Abflussgrößen im Passagierflugzeugbereich), ist dies jedoch für die Welt-Frachterflotte der bedeutendere Zulaufkanal im Vergleich zur Neuproduktion. Auch daraus erklärt sich das hohe Durchschnittsalter von Frachtflugzeugen (etwa 22 Jahre). Auch bei Frachtflugzeugen gilt, dass die Welt-Frachterflotte tendenziell wächst, da die Anzahl der auszumusternden Frachtflugzeuge üblicherweise unterhalb der Summe der neu produzierten Frachtflugzeuge und der umgerüsteten Flugzeuge liegt.

Hinsichtlich der absoluten Zahlen gilt es zu berücksichtigen, dass diese auf Prognosen für die 2010er und 2020er Jahre beruhen, die bereits im Jahr 2011 erstellt wurden. Bis zum Einbruch des Luftverkehrs durch die COVID-19-Pandemie im Frühjahr des Jahres 2020 hat die Marktentwicklung der Prognose dabei weitestgehend entsprochen. Sowohl hinsichtlich der absoluten Zahlen als auch hinsichtlich der Zahlenverhältnisse gibt es in den Jahren 2020 und 2021 selbstverständlich erhebliche Unterschiede zu den Vorjahren. Die Nachwirkungen dessen werden auch in den Folgejahren noch feststellbar sein, sodass ein nachträglicher Soll-Ist-Vergleich zum Ende der 2020er Jahre mit der vorstehenden Grafik sicherlich in einigen Jahren ein interessanter Gegenstand für Marktanalysten sein wird. Eine Beschäftigung damit, welche Schlüsse für die Zukunft daraus möglich sein könnten, würde hier jedoch den Rahmen des Kurses verlassen.

COVID-19-Pandemie

Inwiefern die Beobachtungen aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sowie die Erwartungen, die noch vor wenigen Jahren für die nahe bis mittlere Zukunft formuliert wurden, auch auf die 2020er Jahre übertragbar sind, wird die Geschichte noch zeigen müssen.

Kurzfristig gilt vor allem, dass der Passagierluftverkehr enorm zurückgegangen ist, das Luftfrachtaufkommen sich jedoch relativ robust zeigt. Die mittel- bis langfristigen Folgen für die gesamte Luftfahrtbranche abzuschätzen, ist deutlich schwieriger.

Perspektiven der Luftfahrtindustrie nach COVID-19-Pandemie:
  • Akut: Rückgang des kommerziellen Luftfahrtbetriebs um etwa 90%! (zeitweise im Jahr 2020)
  • Mittelfristig: Wegen Finanz- / Liquiditätsengpässen der Passagiere / Kunden erheblicher Nachfragerückgang für die Folgejahre zu erwarten
  • Fraglich:
    • Folgen von Digitalisierung & anderen Marktveränderungen auf Luftverkehrsaufkommen: Z.B. weniger Geschäftsreisen?
    • Flugscham: Wie wägen (insbesondere private) Flugreisende künftig den teilweise schlechten Ruf der Luftfahrt in Umweltfragen gegen ihren eigenen Reisedrang ab? Inwieweit gilt dies auch für Geschäftsreisende? Kann der teilweise schlechte Ruf beseitigt werden?
    • Reguliert / besteuert die Politik die Luftfahrt künftig stärker (aus Umwelt- oder sonstigen Gründen)?
Dominoeffekte der Pandemie führen zu einem massiven Rückgang der zivilen, kommerziellen Luftfahrtindustrie für die nächsten Jahre.

Die Folgen sind vorerst:
  • Mindestens 50% Nachfragerückgang zu erwarten (von Endkundenseite = Flugreisende)
  • Etwa 50% Rückgang der Flugzeugflottenkapazität im operativen Geschäft (bei Fluggesellschaften)
  • Etwa 50% Rückgang des fliegenden Personals (sowie entsprechend des Bodenpersonals)
Mittelbare Folgen sind zudem:
  • Einbruch der Flugzeugabnahmen bei Herstellern & Einbruch der Neubestellungen bei Herstellern
  • Personalabbau bei Herstellerindustrie und Zulieferern: Mittelfristig etwa 40% Rückgang zu erwarten
Die Regeneration auf den "Vor-Corona-Stand" wird wohl in einigen Bereichen etwa 7 bis 10 Jahre benötigen. Denkbar ist auch, dass die Luftfahrt nach der Pandemie kaum noch mit der Luftfahrt, wie wir sie davor kannten, vergleichbar sein wird, da sich grundlegende Unterschiede manifestieren könnten.

Die Erholung des Luftverkehrs ist somit zumindest sehr viel langwieriger als bei allen bisher dagewesenen Krisen zu erwarten.