9. Biobasierter Flugkraftstoff
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Verfahrenstechnik für die Bioökonomie |
Buch: | 9. Biobasierter Flugkraftstoff |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Samstag, 23. November 2024, 10:35 |
Beschreibung
In diesem Buch geht es um fortschrittliche Kraftstoffe, die auf landwirtschaftlichen Biomasseressourcen basieren und deren Herstellung
9. Biobasierter Flugkraftstoff
Es gibt viele verschiedene Methoden der Biokraftstoffproduktion. Einige sind bereits ausgereift und im Einsatz, andere befinden sich noch in einem experimentellen Stadium oder in der Versuchsphase. In Zukunft werden synthetische Kraftstoffe auf Basis abiotischer erneuerbarer Energiequellen (z. B. erneuerbarer Strom) an Bedeutung gewinnen.
Was solltest Du wissen?
- Eine Reihe von Verfahren zur Herstellung von Sustainable Aviation Fuels (SAF) sind bereits von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zugelassen, darunter HEFA, Alcohol-to-Jet und die Fischer-Tropsch Synthese
- SAF werden nicht in reiner Form verwendet, sondern bis zu 50 % fossilem Kerosin beigemischt
- auch die Herstellung von Kerosin durch genveränderte Hefen (SIP) wird erprobt
9.1 Welche biobasierten Kraftstoffe gibt es schon?
Bioethanol und Biodiesel gehöhren zu den am weitesten verbreiteten Biokraftstoffen und werden zumeist in Straßenfahrzeugen eingesetzt, bzw. dem herkömmlichen fossilbasierten Kraftstoff beigemischt. Bioethanol wird über einen Fermentationsprozess mit anschließender Destillation hergestellt. Derzeit werden als Rohstoffe vor allem Mais (in den USA) oder Zuckerrohr (in Brasilien) eingesetzt. Bei Biodiesel werden, je nach Herstellungsverfahren und Rohstoffbasis, FAME (fatty acid methyl ester) und HVO (hydrognenated vegetable oil) oder synonym HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) unterschieden. FAME hat eine andere chemische Zusammensetzung als fossiler Diesel und ist daher nicht in reiner Form für herkömmliche Dieselmotoren geeignet und wird daher nur zugemischt. HVO und HEFA hingegen sind vollständig kompatibel. Wer mehr über die verschiedenen Herstellungsprozesse und Rohstoffe erfahren möchte, kann sich Kapitel 2 des Lehrmaterials zum Thema zukunftsweisenden Kraftstoffe auf der HOOU-Plattform anschauen.
Einordnung von Biokraftstoffen
Biokraftstoffe können in 3 Typen eingeteilt werden, die auch als Generationen bezeichnet werden. Die Charakterisierung hängt mit den verwendeten Rohstoffen und dem Stand ihrer technologischen Reife zusammen:
Kraftstoffe der 1. Generation
- herkömmliche Biokraftstoffe
- basieren auf Zucker, Stärke oder Pflanzenöl, d.h. Biomasse, die auch als Lebensmittel verwendet wird
- das Herstllungsverfahren wird gut beherrscht und ist bereits weit verbreitet und kommerzialisiert
Kraftstoffe der 2. Generation
- basieren auf zellulosehaltiger Biomasse (z.B. Holz, Stroh oder Maisstroh)
- konkurrieren nicht direkt mit der Lebensmittelherstellung, beanspruchen aber dennoch Flächenressourcen
- die Verarbeitungstechnologie teilweise unausgereift und kostspielig, da zellulosehaltiges Material vor der Umwandlung vorbehandelt werden muss
Kraftstoffe der 3. Generation
- nutzen spezielle Mikroorganismen wie Algen als Rohstoffe
- Algen sind eine große Gruppe photosynthetisierender Organismen mit etwa 30.000 bekannten Arten
- Biokraftstoffproduktion aus Algen ist im kleinen Maßstab gut etabliert, aber im industriellen Maßstab noch nicht wirtschaftlich umsetzbar
Mittlerweile wird auch von einer 4. Generation von Kraftstoffen gesprochen. Hierbei sind Biokraftstoffe gemeint, die aus gentechnisch veränderten Algen oder Pflanzen hergestellt werden. Durch die gentechnische Veränderung können die Nachteile “normaler” Pflanzen, wie z.B. ein geringer Fettgehalt oder niedrige Wachstumsraten, behoben werden.
In einigen Fällen werden auch Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, Biomethan, synthetische Biokraftstoffe und Kraftstoffe aus erneuerbarem Strom, manchmal in Kombination mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, als Kraftstoffe der vierten Generation bezeichnet.
Status Quo Produktion
Im Jahr 2021 wurden 159 Milliarden Liter Biokraftstoffe produziert (IEA, 2022: https://www.iea.org/energy-system/low-emission-fuels/biofuels). Große Mengen der derzeit verwendeten Biokraftstoffe werden aus Pflanzenölen gewonnen. Bioethanol ist der weltweit am häufigsten verwendete Biokraftstoff. Im Jahr 2021 wurden weltweit ca. 103 Mrd. Liter produziert. USA, Brasilien und die Europäische Union sind die größten Erzeugerländer (Renewable Fuels Association 2022: https://ethanolrfa.org/markets-and-statistics/annual-ethanol-production).
Für die Produktion von SAF wird derzeit in den meisten Fällen die HEFA-Technologie eingesetzt (Shahriar & Khanal 2022: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0016236122017471?via%3Dihub). Als Rohstoffe werden Altfetten, -ölen und Tierfette verwendet. Die Biodieselproduktion mithilfe des Alkohol-to-Jet Verfahrens aus Siedlungsabfällen oder forst- und landwirtschaftlichen Reststoffen ist wesentlich geringer (Shahriar & Khanal 2022).
Im Jahr 2021 wurden jedoch lediglich 0,1 % des weltweiten Kerosinbedarfs durch SAF gedeckt. Laut IEA (2022) soll sich der Anteil bis 2030 jedoch auf 5 % erhöhen.
Flugkraftstoffe
Flugkraftstoffe müssen ganz besonderen Anforderungen an Verbrennungsqualität und Sicherheit genügen.
Der Kraftstoff darf:
- sich nicht unkontrolliert entzünden
- keine Ablagerungen bilden
- sich nicht elektrisch aufladen
- bei Temperaturen unter -30 °C nicht vereisen
Natürlich gelten diese Anforderungen auch für biobasierte Flugkraftstoffe.
Die Bezeichnung SAF - Sustainable Aviation Fuel wird seit einiger Zeit von der Luftfahrtindustrie für alternative Kraftstoffe, basierend auf biogenen Rohstoffen verwendet und schließt aber auch strombasierte Kraftstoffe mit ein. Derzeit werden diese SAF aber nicht in reiner Form verwendet, sondern bis zu 50 % fossilem Kerosin beigemischt.
9.2 Wie werden SAF hergestellt?
Im Folgenden werden grundlegende Prinzipien der wichtigsten, bereits zugelassene Produktionsverfahren zur Herstellung von biobasiertem SAF erläutert. Eine vollständige und aktuelle Übersicht über die bisher von der American Society for Testing and Materials (ASTM) zugelassenen Produktionsverfahren findet man bei der ICAO: https://www.icao.int/environmental-protection/GFAAF/Pages/Conversion-processes.aspx.
HEFA-Verfahren
für die Herstellung des Kraftstoffes können alle pflanzlichen Öle oder tierischen Fette eingesetzt werden. Aber auch ein Verfahren, das auf Algen basiert ist, bereits zugelassen. Im großen Maßstab werden bereits heute vor allem von der finnischen Firma Neste: https://www.neste.com/products/all-products/saf/raw-materials gebrauchte Speiseöle (z.B. Frittierfett) und tierische Fette aus Schlachtabfällen zur Herstellung von Biodiesel bzw. Biokerosin verwendet.
Verfahrensschritte
Fließbild HEFA-Verfahren
Fischer-Tropsch Synthese aus Biogas
Um aus Siedlungsabfällen oder forst- und landwirtschaftlichen Reststoffen einen Kraftstoff herstellen zu können, müssen die Feststoffe zunächst einmal in ein Gas verwandelt werden. Dieser Prozess findet in Biogasanlagen statt und wurde ausführlich im Kapitel 8 dieses Lernangebots erläutert.
Die weiteren Schritte der Verflüssigung des Gases werden in der folgenden Tabelle kurz erläutert.
Alcohol-to-Jet
Um einen Flugkraftstoff aus Alkohol zu erzeugen, muss zunächst Ethanol oder Butanol aus Zucker hergestellt werden. Das geschieht mittel Fermentierung (Bioethanolherstellung), wie in Kapitel 2.1 des Lernangebots Zukunftsweisende Kraftstoffe der HOOU-Plattform ausführlich erläutert.
Die eigentlichen Schritte des Alkohol-to-Jet Verfahrens werden in der folgenden Tabelle kurz erläutert.
Synthetisierte Iso-Paraffine aus hydriertem fermentierten Zucker (SIP)
Der Herstellungsprozess basiert auf der Verstoffwechselung von Zuckern zu langkettigen Kohlenwasserstoffen durch genveränderte Hefen. Die erzeugten C-15 Alkene werden Farnesene genannt. Dafür werden verschiedene Enzyme und Pilze benötigt. Im Grunde handelt es sich auch hier um einen Fermentationsprozess, der unter aeroben Bedingungen, als unter Sauerstoffeinfluss stattfindet. Aus der Fermenterbrühe werden die langkettigen Farnesene abgetrennt und über eine Hydrierung in Farnesane umgewandelt. Zuckerbasierte synthetisierte Iso-Paraffinen werden derzeit nur in geringen Mengen produziert, da sich der Prozess noch in der Demonstrationsphase befindet. Es ist fraglich, ob diese Art von Kerosin tatsächlich in großen Mengen Anwendung finden wird.
Interessant ist, dass sich als Nebenprodukt des Prozesses das Anti-Malariamittel Artemisinin biosynthetisch herstellen lässt, was natürlich im Einjährigen Beifuß vorkommt. So konzentriert sich der derzeit einzige Hersteller von SIP mehr auf biobasierte chemische Produkte als auf Kerosin.
9.3 Aus der Forschung
- Projektbericht zum Einsatz von erneuerbarem Kraftstoff am Flughafen Leipzig/Halle: https://www.dbfz.de/fileadmin//user_upload/Download/Extern/DEMO-SPK_Endbericht_final.pdf
- Auch am Flughafen Kopenhagen wird der Einsatz von SAF untersucht: https://alight-aviation.eu/
- Ein mit EU-Forschungsgeldern gefördertes Konsortium plant derzeit die erste Alkohol-to-Jet Produktionsanlage: https://flite.eu/