2. Ressourcen für die Bioökonomie
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Verfahrenstechnik für die Bioökonomie |
Buch: | 2. Ressourcen für die Bioökonomie |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Samstag, 23. November 2024, 10:31 |
Beschreibung
Dieses Buch bietet einen Überblick über die vielfältige Rohstoffbasis der Bioökonomie.
2. Ressourcen für die Bioökonomie
Die Ausgangsbasis
Wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, basiert die Bioökonomie auf organischen Ausgangsstoffen, die Tieren, Pflanzen, Pilzen, Algen oder Mikroorganismen entstammen. Diese sogenannte Biomasse, aber auch deren Überbleibsel und Abfälle können zur Erzeugung von Energie oder neuen Produkten verwendet werden. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die vielfältige Rohstoffbasis der Bioökonomie.
- Land
- Wasser
- Nährstoffe
Des Weiteren können ohne den Einsatz von menschlicher Arbeitskraft, Technologie und Infrastrukturen biobasierte Produkte nicht im großen Maßstab erzeugt werden. Der Mensch hat den Ertrag von Pflanzen durch Züchtung gesteigert und durch maschinelle Bewirtschaftung weiter erhöht. Ohne diese Ressourcen könnte die hohe Anzahl an Menschen auf der Erde nicht ernährt und mit Produkten versorgt werden.
2.1 Pflanzlicher Ursprung
Landwirtschaftlicher Anbau
Ein Großteil der 2,6 Mio. ha Anbaufläche für Industrie- und Energiepflanzen wird Mais zur Herstellung von Biogas angebaut. Aber auch die Anbauflächen für Pflanzen zur Herstellung von Biodiesel und Bioethanol nehmen große Teile ein (FNR 2022).
https://www.fnr.de/ftp/pdf/berichte/22004416.pdf
Bedeutende Pflanzengruppen
Man kann anhand der hauptsächlich genutzten organischen Inhaltsstoffe der Pflanzen unterscheiden:- Zucker- und stärkehaltige Pflanzen
- Proteinpflanzen
- Ölpflanzen
- Lignocellulosehaltige Pflanzen
- Arzneipflanzen, kosmetisch genutzte Pflanzen
Aber auch pflanzliche Abfall- und Reststoffe werden zunehmend stofflich oder energetisch verwertet.
Einen Überblick, welche Abfälle und Nebenprodukte aus der Landwirtschaft für Bioraffinerieprozesse verwendet werden können, bietet dieser englischsprachige Artikel: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fenrg.2020.00152/full
Zucker
Wichtige zuckerhaltige Nutzpflanzen
1,9 Milliarden Tonnen Zuckerrohr und 270 Millionen Tonnen Zuckerüben wurden 2021 weltweit erzeugt (FAO 2022). Wichtige Anbauländer für Zuckerrohr sind Brasilien (38 %) und Indien (22 %), die zusammen 60 % der gesamten Erntemenge erzeugen (FAO 2022). In Brasilien werden ca. 45 % des erzeugten Zuckerrohrs für die Herstellung von Bioethanol eingesetzt (https://encyclopedia.pub/entry/17495).
Weltweite Bioethanolproduktion 2021: 104,5 Mrd.l (https://www.isosugar.org/sugarsector/ethanol). Davon insgesamt ca. 25 % aus Zuckerrohr (Hoang 2021, https://encyclopedia.pub/entry/17495)
Zuckerrüben werden vor allem in Russland, Frankreich, USA, Deutschland und der Türkei angebaut. Sie werden vor allem zu Zucker verarbeitet. In Deutschland wurden 2021 ca. 31,9 Mio. t Zuckerrüben erzeugt (BLE 2022). Ein Teil der angebauten Zuckerrüben wird aber auch zur Ethanol- oder Biogasherstellung verwendet. In Deutschland wurden 2021 ca. 1,3 Mio. t Zuckerrüben bei der Ethanolherstellung eingesetzt und etwa genauso viel für die Biogasherstellung (FNR 2022).
Die Vielfalt der Produkte aus Zuckerrübe wird auf dieser Internetseite gezeigt: https://www.zuckerverbaende.de/wir-sind-zucker/verarbeitung-der-zuckerruebe/verwertung-der-zuckerruebe/
Statistische Daten zum Anbau und der Verwendung von Zuckerrüben in Deutschland sind in diesem Bericht der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft zusammengefasst:
https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Zucker/2022BerichtZucker.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Stärke
Wichtige stärkehaltige Nutzpflanzen
Mais
60 % des weltweit erzeugten Reises (2021: 787 Mio. t) werden in China (27 %), Indien (25 %) und Bangladesch (7 %) angebaut. Reis wird vor allem für die Lebensmittelproduktion verwendet.
Weizen
Der Weizenanbau konzentriert sich nicht so stark auf einzelne Produktionsländer. Hier verteilen sich lediglich 40 % der weltweit erzeugten Menge von 787 Mio. t auf die drei Ländern China (18 %), Indien (14 %) und Russland (10 %). Die restlichen 60 % werden in verschiedenen anderen Teilen der Erde produziert. Die in China und Indien erzeugten Mengen werden auch dort konsumiert, während Russland, USA, Kanada, die EU und die Ukraine große Teile ihrer Produktion exportieren (Wolf et al. 2018)
Etwa 80 % des Weizens werden für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt, der Rest für industrielle Anwendungen oder als Tierfutter.
In Deutschland wurden 2021 auf 2,9 Mio. ha etwa 21,5 Mio. t Weizen angebaut. Etwa 3 % dieser Menge wurde für die Bioethanolherstellung verwendet (FAOSTAT 2022 und FNR 2022).
Proteinpflanzen
Proteine sind über Peptidbindungen miteinander verknüpfte Aminosäuremoleküle. Um diese aufzubauen, benötigen Pflanzen Stickstoff.
Proteinpflanzen, werden hauptsächlich wegen ihrer Früchte oder Samen mit hohem Proteinanteil kultiviert und als Nahrungs- oder Futtermittel eingesetzt. Die wichtigsten Kulturen sind aus der Familie der Leguminosen, also der Schmetterlingsblütler. Dazu gehören z.B. Erbsen, Bohnen, Linsen oder Soja, die meist mit dem Namen ihrer übergeordneten Familie als Hülsenfrüchte bezeichnet werden.
Im Jahr 2021 wurden auf mehr als 95 Mio. ha Hülsenfrüchte angebaut. Den größten Anteil daran haben Bohnen (38 %), Kichererbsen (16 %) und Augenbohne (16 %), die vor allem wärmeren Gebieten in Afrika, Lateinamerika und Südostasien angebaut wird. Von diesen Flächen wurden 2021 weltweit fast 89 Mio. t Hülsenfrüchte geerntet. Die größten Anteile an dieser Erntemenge entfielen dabei auf Bohnen (31 %), Kichererbsen (18 %), Erbsen (14 %) und Augenbohnen (10 %).
Ölhaltige Pflanzen
Chemie der Öle und Fette
Chemisch gesehen sind Öle und Fette Ester des Glycerins und drei Fettsäureeinheiten (Triglycerid). Sie bestehen aus 8 und 24 Kohlenstoffatomen, Wasserstoff und Sauerstoff.
Öle und Fette haben die gleiche allgemeine chemische Struktur, aber Öle sind unter Standardbedingungen (25 °C) flüssig und Fette sind fest. Oft sind Öle pflanzlichen Ursprungs und Fette tierischen Ursprungs.
Öle und Fette sind Stoffgemische und haben keinen genauen Schmelzpunkt, sondern einen Schmelzbereich. Sie sind in Wasser unlöslich.
Man spricht von gesättigten Fettsäuren, wenn die Kohlenstoffatome über Einfachbindungen verbunden sind.
Anbau
Die weltweite Anbaufläche von Ölpflanzen betrug 2021 rund 338 Mio. Hektar, mit einer Erntemenge von 1,2 Mrd. Tonnen.
Sojabohnen sind nicht nur Proteinlieferanten, sondern auch ein sehr bedeutender Öllieferant. Soja wurde 2021 auf fast 130 Mio. ha weltweit angebaut (FAOSTAT 2022) und dabei 373 Mio. t Soja erzeugt.
Die größten Anbauländer sind Brasilien, USA und Argentinien. Sie produzieren zusammen über 80 % der weltweiten Sojamenge.
Ein noch ausführlicheres Porträt der wichtigsten Ölpflanzen sowie der Ölerzeugung findet sich im Kapitel 1.2 des Lernangebots Zukunftsweisende Kraftstoffe auf der HOOU Plattform.
Lignocellulosehaltige Pflanzen
Struktur und Aufbau
Stärke wird von Pflanzen je nach Bedarf in weitere benötigte Reservestoffe (Fette und Proteine) oder sekundäre Pflanzenstoffe (Gerbstoffe, Alkaloide oder ätherische Öle) chemisch umgewandelt. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind für die Bioökonomie ebenfalls sehr interessant und werden daher im Kapitel Pflanzliche Arzneimittel genauer beschrieben. Auch Lignin ist ein solcher sekundärer Pflanzenstoff. Mehrjährige Pflanzen lagern ihn zur Stabilisierung in ihren Zellwänden ein. Wegen dieses Strukturgewebes aus Lignin und Zellulose werden sie als lignozellulosehaltige Pflanzen bezeichnet. Der jeweilige Anteil an Zellulosen, Hemicellulose und Lignin ist von der Art und den Standortbedingungen abhängig. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Zusammensetzung und Eigenschaften wichtiger Lignocellulose-Pflanzen.
Waldholz
Ein wichtiger Lieferant wirtschaftlich bedeutender Mengen an Lignocellulose-Rohstoffen ist die Forstwirtschaft. Die Wälder der Erde erzeugen Holz als Bau- und Werkstoffe, für die Zellstoff- und Papierherstellung oder zur Energieerzeugung. Holz ist eine der wichtigsten vom Menschen verwendeten biobasierten Ressourcen, die bereits vor Jahrtausenden für vielfältigste Anwendungen genutzt wurde.
Der Mensch bewirtschaftet einen Großteil der Wälder der Erde. Urwälder nach Definition der FAO (https://www.fao.org/3/I8661EN/i8661en.pdf) gibt es noch auf 1,11 Mrd. ha, das sind ca. 27 % der gesamten Waldfläche (4.06 Mrd. ha), die ca. 31 % der globalen Landfläche bedecken. Die größten Anteile der Waldflächen befinden sich in tropischen (45 %) und borealen (27 %) Zonen der Erde (FAO 2020). Die folgende Abbildung zeigt den Waldflächenanteil bezogen auf die Gesamtfläche der einzelnen Länder der Erde.
Die geernteten Stämme können in Rundholz, Industrieholz und Zellstoffholz eingeteilt werden, die in erster Linie in der Forstindustrie verarbeitet werden. Nicht alle Teile des Baumes werden an die Holz- und papierverarbeitende Industrie verkauft. Meist verbleiben schwache Baumteile, Äste sowie die Krone im Wald (Waldrestholz) und dienen nach ihrer Verrottung als Dünger für den Waldboden. In zunehmenden Maße sind aber auch diese Sortimente vor allem für die Energiewirtschaft von Interesse. Sie werden häufig als Brennholz verwendet oder sind auch für Bioraffinerien interessant. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass für die Nachlieferung von Nährstoffen und aus anderen ökologischen Gründen (z.B. Biodiversität) genügend Restholz im Wald verbleibt.
Die holzverarbeitende Industrie ist stark auf Nadelholz ausgelegt, da es überwiegend gerade und schnell wächst und durch seine geringere Dichte bei gleichzeitiger Zug- und Biegefestigkeit gute Eigenschaften für Anwendungen im Bau- und Konstruktionsbereich hat. Laubholz wird oft im Möbelbau und Innenausbau verwendet. Aber selbst dort werden oft aus Kostengründen und zur Gewichtsverringerung zunehmend Span- und Faserplatten aus minderwertigen Nadelholzsortimenten verarbeitet.
Weltweit wurden im Jahr 2020 etwa 1,4 Mrd. m³ Nadelrundholz und 2,5 Mrd. m³ Laubholz geerntet (FAOSTAT 2023: https://www.fao.org/faostat/en/#data/FO).
In deutschen Wäldern wachsen im Jahr etwa 117 Mio. m3 Holz (bwi.info: https://bwi.info/start.aspx). Um sich besser vorstellen zu können, wie viel das ist, wird oft auf einen Holzwürfel zurückgegriffen, der den Zuwachs von Holz pro Sekunde greifbar macht. Für Deutschland hätte dieser Würfel eine Kantenlänge von 1,55 Metern.
Lignocellulose-Biomasse kann auch aus Abfallströmen der Landwirtschaft oder Landespflege sowie aus der Industrie oder aus Abbruchmaterialien geliefert werden.
Lignocellulose-Biomasse wird oft als vielversprechender Rohstoff für die Herstellung von Biokraftstoff angesehen, da sie eine reichlich vorhandene Quelle für organisches Material ist, das nicht in direkter Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermitteln steht. Die Lignocellulose-Moleküle können in sauerstofffreier Atmosphäre durch Pyrolyse gecrackt werden, sie können vergast und dann mittels einer Fischer-Tropsch-Synthese verflüssigt werden oder sie können in Zucker und dann in Alkohol umgewandelt werden.
Tierischer Ursprung
In ihren Geweben bauen Tiere durch Verstoffwechslung ihrer Nahrung Proteine und Fette auf, die wiederum Mensch und Tier als Nahrung dienen können. Außerdem produzieren Tiere unterschiedliche Produkte, die vom Menschen genutzt werden, wie zum Beispiel Honig, Milch, Eier oder Wolle. Aber auch Ausscheidungsprodukte oder Überbleibsel (Häute oder Knochen) werden auf vielfältige Art genutzt. Meist werden Rohstoffe tierischen Ursprungs in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie verwendet. Reststoffe finden aber auch als Düngemittel oder bei der Biogaserzeugung Verwendung. Ein relativ neuer Zweig ist die Erzeugung und Nutzung von Insekten als Proteinquelle für Mensch und Tier. Die EU hat 2021 z.B. Mehlwürmer als “Novel Food” (Neuartiges Lebensmittel) zugelassen.
Aktuelle Liste der in der EU zugelassenen „Neuartigen Lebensmittel“
Blick über den Tellerrand
Was sind Alternative Proteine?
Alternative Proteine sind von Algen oder Pilzen produzierte Proteine, stammen von Insekten oder werden im Labor aus Zellen kultiviert. Sie werden zur Herstellung von Fleischersatzprodukten, Tiernahrung oder als Milchalternative verwendet.
Dieser Zweig der Bioökonomie erhält aus verschiedenen Gründen immer mehr Aufmerksamkeit. Ein Beweggrund ist die Sorge um die zukünftige Nahrungsmittelversorgung einer wachsenden Weltbevölkerung, ein anderer, ethische und ökologische Bedenken gegenüber konventionellen Fleisch- und Milchprodukten sowie der Trend zum Vegetar- oder Veganismus.
Ein Start-up, das von Absolventen Technischen Universität Hamburg gegründet wurde, erzeugt mithilfe von Bakterien qualitativ hochwertige Proteine für Nahrungs- und Futtermittel: https://microharvest.com/technology/