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Selbstverständnis und Wertesäulen der Gemeinwohl-Ökonomie

Site: Hamburg Open Online University
Course: Einführung in die Gemeinwohl-Ökonomie
Book: Selbstverständnis und Wertesäulen der Gemeinwohl-Ökonomie
Printed by: Gast
Date: Sunday, 5 October 2025, 10:18 PM

Description

Die GWÖ basiert auf ethischen Grundwerten, die als Säulen des Gemeinwohls gelten: Menschenwürde, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung. Diese Werte bilden die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaften, das gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert und eine lebenswerte Zukunft für alle ermöglicht.

1. Selbstverständnis der GWÖ

Die GWÖ als ganzheitliche Alternative versteht sich als schlüssiges Modell und konsistenter Theorieansatz, Beteiligungsprozess für alle kooperativen und kreativen Reformwilligen und demokratischer Umsetzungsprozess.

„Auf gesellschaftlicher Ebene wirkt [die GWÖ-Bewegung] ihrem Selbstbild zufolge als ‚Initiative der Bewusstseinsbildung für Systemwandel‘, auf politischer Ebene ‚als Motor für rechtliche Veränderung‘ und auf wirtschaftlicher Ebene als ‚lebbare, konkret umsetzbare Alternative für Unternehmen‘, die den ‚Zweck des Wirtschaftens und die Bewertung von Unternehmenserfolg anhand gemeinwohlorientierter Werte definiert'“ (Meynhardt, Fröhlich 2017).

Die GWÖ geht davon aus, dass die Schaffung von Institutionen und geeigneten Rah­menbedingungen ausreicht, um den negativen Auswirkungen kapitalistischer Märk­te, wie Wachstumszwang, steigende Ungleichheit, Umweltverschmutzung, fehlen­des Mitbestimmungsrecht der Bürger:innen und asoziale Verhaltensmuster (z. B. Rücksichtslosigkeit und Gier), entgegenzuwirken.

2. Unternehmen der (sozialen) Marktwirtschaft und der GWÖ

In den folgenden Darstellungen sind überwiegend derzeitige Unternehmen der (sozialen) Marktwirt­schaft den (zukünftigen) Unternehmen der angestrebten GWÖ aus Felbers Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ (2018) gegenübergestellt. Die Ideen und Forderungen zeigen teilweise Überschneidungen mit anderen sozialökologischen Transformationsansätzen, was im Sinne einer gemeinsamen, sich gegenseitig befruchtenden Suche nach Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem als durchaus gewollt betrachtet wird.

2.1. Unternehmensziele und Finanzen

 

Derzeitige Unternehmen der (sozialen) Marktwirt­schaft

(zukünftige) Unternehmen der angestrebten GWÖ

Unternehmensziel

  • Gewinnmaximierung
  • Gemeinwohlmehrung: Ziel aller Unternehmen ist es, den größt­möglichen Beitrag zum allgemeinen Wohl zu leisten.

Messung der Zielerreichung

  • Ökonomische Erfolgsmessung: Finanzbilanz für Unternehmen mit Finanzgewinn
  • ROI für Investitionen
  • Gemeinwohlbilanz als unternehmerische Hauptbilanz; Finanzbilanz als Nebenbilanz

Finanzgewinn

  • Gewinn als Ziel
  • Akkumulation um ihrer selbst willen
  • Gewinnverwendung für Machtdemonstrationen und feindliche Übernahmen
  • Gewinn als Mittel zum Zweck
  • Finanzgewinne, die das Gemeinwohl mindern, werden negativ bewertet (z.B. Finanzinvestments, Ausschüttung von Gewinnen an Eigentümer*innen, die nicht im Unternehmen arbeiten, Aufkaufen anderer Unternehmen gegen ihren Willen)
  • Verwendungen der Finanzgewinne für sinnvolle Investitionen werden mit Punkten belohnt (z.B. Aufstockung des Eigenkapitals, Ausschüttung and Mitarbeiter*innen)

Kapital

  • Kapital als Mittel zum Zweck
  • Kapital als Mittel zur Mehrung  des Gemeinwohls

2.2. Menschenbild und Mitarbeitende

 

Derzeitige Unternehmen der (sozialen) Marktwirt­schaft

(zukünftige) Unternehmen der angestrebten GWÖ

Motivation

  • Annahme: Mensch wird durch Egoismus und Konkurrenz motiviert
  • Streben nach Autonomie, Kompetenz, Beitrag, Gemeinschaft und Beziehung sowie Sinn (Felber 2018: 120)

Arbeitszeit und -entlohnung der Mitarbeiter:innen

  • Durchgehende Beschäftigung angestrebt, z. B. 40-Stunden-Woche
  • Arbeitslosengeld
  • Mindest- und Maximallohn, Maximalspreizung festlegen
  • Die Erwerbsarbeitszeit soll schrittweise auf 30 bis 33 Wochen-stunden herabgesetzt werden.
  • Die gewonnene Zeit kann für drei andere zentrale Arbeitsbereiche verwendet werden: Eigenarbeit (Muße, Persönlichkeitsentwicklung), Beziehungs- und Betreuungsarbeit (Kinder, Kranke, Senior:innen), sowie politische und Gemeinwesenarbeit.
  • 4 Karenzjahre
  • Freijahre mit Mindestlohn
  • Solidaritätseinkommen (2/3 des Mindestlohns) oder bedingungsloses Grundeinkommen

Mitarbeiter:innenbeteiligung

  • Nicht vorgesehen und vorgegeben
  • Mit zunehmender Zahl der Mitarbeitenden in Unternehmen erhalten diese Stimmrechte
  • Gewinnbindung an das Unternehmen

2.3. Nachhaltigkeit

 

Derzeitige Unternehmen der (sozialen) Marktwirt­schaft

(zukünftige) Unternehmen der angestrebten GWÖ

Nachhaltigkeits-berichterstattung

  • Unverbindliche Standards
  • Keine Berichtspflicht für Unternehmen unter 500 Mitarbeitende
  • Keine Vergleichbarkeit der Unternehmen außerhalb monetärer Ziele
  • Keine Transparenz
  • Einheitliches Nachhaltigkeitsberichtsformat
  • (angestrebte) Berichtspflicht für alle Unternehmen
  • Messbarkeit und Vergleichbarkeit der Unternehmen
  • Transparenz durch Veröffentlichungspflicht der Gemeinwohl-Bilanz der Unternehmen und Institutionen

Einbindung von Nachhaltigkeit im Unternehmen

  • Corporate Social Responsibility (CSR) ist oft nur an Unternehmen angehängt, nicht integriert
  • Gemeinwohl als integriertes Unternehmensziel auf allen Ebenen

Bewertung von achhaltigkeit

  • Selbsteinschätzung ohne Qualitätsnachweis, nur wenige Standards extern auditiert
  • Anerkennung von Nachhaltigkeitsbemühungen nur über Siegel/Label
  • Belohnung/Anreize für erfolgreiche GWÖ-Betriebe
  • Externe Auditierung (keine Selbstbewertung

3. Werte der GWÖ

Bei der GWÖ wird der Zweck des Wirtschaftens anhand gemeinwohlorientierter Werte, wie Vertrauenskultur und selbstorganisierte Arbeitsgestaltung, Kooperation mit Mitunternehmen, Offenheit und Transparenz, definiert. Anstelle der Gewinnma­ximierung wird Gemeinwohl zum Ziel unternehmerischen Handelns, anstelle von Wachstum wird Verantwortung für das Wohl von Menschen und Umwelt angestrebt. 

Die vier Werte der Gemeinwohlökonomie von Autor*innenteam GWÖ (CC BY-SA)