Vom Kompetenzerwerb zur Kompetenzförderung
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Digital kompetent - ja, aber wie und warum? |
Buch: | Vom Kompetenzerwerb zur Kompetenzförderung |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Mittwoch, 15. Januar 2025, 18:42 |
1. Vom Kompetenzerwerb zur Kompetenzförderung
Je nachdem, ob instruktivistische oder konstruktivistische Lernkonzepte forciert werden, beeinflusst dies auch die Kompetenzerwerbsprozesse. Da Kompetenzerwerb immer ein Wechselspiel zwischen "objektiven Situationsanforderungen" und "subjektiven Befähigungen" ist (ebd.), bedeutet das für das pädagogisch-didaktische Handeln von Lehrkräften, dass in der Kompetenzvermittlung diese beiden Ebenen gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören einerseits die objektorientierten Interventionen, die sich auf die Gestaltungsmöglichkeiten von Situationen und Bedingungen beziehen, die "die Entwicklung des Menschen zur eigenverantwortlichen Persönlichkeit ermöglichen oder wenigstens nicht behindern" (ebd.), und andererseits die subjektorientierten Interventionen, unter denen persönliche Verhaltensweisen zu verstehen sind, die es zu verändern gilt, um Ziele zu erreichen, wie in diesem Fall die Förderung von Kompetenzen bei Lernenden. Um die Prozesse der Kompetenzentwicklung für ein, wie Jung es nennt, "zeitgemäßes schulisches Lehren und Lernen" zu fördern, braucht es drei wesentliche Voraussetzungen: "a) eine fundierte Wissensbasis, b) eine sinnbezogene Lernabsicht und c) einen verständnisorientierten Unterricht" (Jung, 2010, 150; nach Weinert, 1998, S. 108-109). Explizite, kompetenzorientierte Lehr-Lernarrangements, die dem didaktischen Prinzip der Kompetenzorientierung folgen, verzahnen daher Anforderungen und Zielsetzung der Kompetenzförderung mit methodischen Herangehensweisen. Konkret stellen sich nach Jung (2010: 156; nach Jung 2008: 194f.) folgende Anforderungen an solche kompetenzorientierten Lehr-Lernszenarien:
- basieren auf motivationalen und volitionalen Aspekten,
- entwickeln sich anhand wahrgenommener Herausforderungen, die das Individuum gemäß eigener Ziele, Wünsche und Interessen zu regulieren versucht,
- beinhalten Möglichkeiten auf vorhandenes Wissen und Können zurückzugreifen und gegebene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu nutzen, zu erproben und weiter zu entwickeln,
- ermöglichen einen weitgehend eigenständigen Wissens- und Könnenserwerb
- lassen Lernenden strategische Formen der Zielerreichung und des Handlungsvollzugs entwickeln und erproben, um damit Erfahrungen zu sammeln und zu nutzen,
- geben Freiräume, Entscheidungen zu treffen und diese zu überprüfen,
- ermöglichen es, im Rahmen domänenbezogener Möglichkeiten, Prozesse des Kompetenzerwerbs, den Grad der Zielerreichung und den Einbezug von Normen und Werten kritisch zu reflektieren
Oftmals sind sich diese ihrer eigenen Lernprozesse nicht direkt bewusst, sodass hier eine Chance darin liegen könnte, das Thema der Lern-Evidenzen nicht nur aus Lehrenden-Sicht zu betrachten, sondern auch die Perspektive der Lernenden zu berücksichtigen. Gerade im Bereich der Portfolio-Arbeit gibt es schon konkrete Ansätze, in denen aufgezeigt wird, wie Lernende selbst ihre Lernprozesse dokumentieren, evaluieren und reflektieren können. Insofern soll es in dem von uns gewählten Beispielkompetenzbereich in diesem Modul darum gehen, wie Lernende sich einerseits selbst mit Lern-Evidenzen auseinandersetzen können und andererseits, welche Möglichkeiten es für Lehrkräfte geht, diese Kompetenzentwicklung zu unterstützen und zu fördern.
Ein Aspekt, der im Kontext von Kompetenzerwerb, Kompetenzentwicklung und Kompetenzvermittlung immer wieder auftaucht, ist der der Kompetenzmessung. Wie in vielen formalen Bildungszusammenhängen stellt sich auch in Bezug auf Medienkompetenz die Frage nach der Messung der erworbenen Kompetenzen: "Mit der schulischen Aufgabe der Kompetenzentwicklung drängt sich aber gleichzeitig die Frage auf, wie die Zielerreichung, also der Kompetenzstand von Schülerinnen und Schülern, bestimmt werden kann." (Herzig & Martin, 2018, S. 131) Grundsätzlich gibt es jedoch vier verschiedene Formen, Kompetenzen zu bewerten (Gnahs, 2007, S. 51-52):
- Zertifizierung
- Beurteilung
- Selbsteinschätzung
- Bescheinigung
Dabei variieren diese zwischen formalen, an standardisierten Tests orientierten Fremdeinschätzungen und individuellen Selbsteinschätzungen. Alle stellen jedoch valide Möglichkeiten dar, Kompetenzen zu messen.
2. Kompetenzmessung
Ein Aspekt, der im Kontext von Kompetenzerwerb, Kompetenzentwicklung und Kompetenzvermittlung immer wieder auftaucht, ist der der Kompetenzmessung. Wie in vielen formalen Bildungszusammenhängen stellt sich auch in Bezug auf Medienkompetenz die Frage nach der Messung der erworbenen Kompetenzen: "Mit der schulischen Aufgabe der Kompetenzentwicklung drängt sich aber gleichzeitig die Frage auf, wie die Zielerreichung, also der Kompetenzstand von Schülerinnen und Schülern, bestimmt werden kann." (Herzig & Martin, 2018, S. 131) Grundsätzlich gibt es jedoch vier verschiedene Formen, Kompetenzen zu bewerten (Gnahs, 2007, S. 51-52):
- Zertifizierung
- Beurteilung
- Selbsteinschätzung
- Bescheinigung
Dabei variieren diese zwischen formalen, an standardisierten Tests orientierten Fremdeinschätzungen und individuellen Selbsteinschätzungen. Alle stellen jedoch valide Möglichkeiten dar, Kompetenzen zu messen.
So gibt es tatsächlich nur wenige Beispiele, Kompetenzen anhand von Tests zu messen (ebd., 132-133):
- In einer Studie von Treumann et al. (2007) wurde das Kompetenzmodell von Baacke empirisch rekonstruiert und verschiedene Typen von Medienkompetenz bestimmt.
- Mit der International Computer and Information Literacy Study (ICILS) werden die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schüler:innen der achten Jahrgangsstufe erhoben.
- Klimmt et al (2014) haben ein Testverfahren zur Messung von Medienkritikfähigkeit von Jugendlichen entwickelt.
- Balcaris (2011) hat ein Modell entwickelt, in dem Informationskompetenz in verschiedene Teilkompetenzen strukturiert ist und anhand einer empirischen Erhebung das Kompetenzniveau entsprechend der Teilbereiche gemessen wird.
Bei all diesen Testverfahren, Kompetenzen zu bewerten, dürfen die zu berücksichtigenden Faktoren im Kompetenzerwerb jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Wenn wir uns an Gnahs und Jung erinnern, die die theoretische Grundlage für das vierte und fünfte Modul in diesem Seminar bilden, so erfolgt Kompetenzerwerb immer kontextgebunden. Dieser Kontext beinhaltet sowohl objektive Umstände als auch subjektive Voraussetzungen. Insofern sind auch standardisierte Formen der Kompetenzmessung dahingehend zu reflektieren, ob beide Ebenen entsprechend berücksichtigt werden, oder ob die durch das Testing suggerierte Objektivität nicht womöglich durch bestimmte Faktoren beeinflusst wird.
3. Deutscher Kompetenzrahmen
Neben dem DigCompEdu auf europäischer Ebene gibt es auf Bundesebene den Kompetenzrahmen der KMK, in dem vorrangig die benötigten Kompetenzen für eine digitalisierte Lebens- und Arbeitswelt von Lernenden beschrieben werden. Da wir uns in diesem Modul mit der Förderung von Kompetenzerwerb beschäftigen,
Einführung
Die Strategie der Kultusministerkonferenz Bildung in der digitalen Welt wurde im Dezember 2016 veröffentlicht und ein Jahr später noch einmal in einer aktualisierten Version bereitgestellt. Mit dieser Strategie soll ein Handlungskonzept zum Umgang mit den Herausforderungen von Digitalisierung und Bildung bereitgestellt werden. Dabei werden folgende Handlungsfelder in der Strategie thematisiert:
- Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen
- Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden
- Infrastruktur und Ausstattung
- Bildungsmedien
- E-Government und Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmanagementsysteme
- Rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen
- Kompetenzbereiche in der Strategie "Bildung in der digitalen Welt"
Mit dieser Strategie liefert die Kultusministerkonferenz einen wichtigen Beitrag, um die benötigten Kompetenzen für eine digitalisierte Lebens- und Arbeitswelt zu beschreiben.
Die Kompetenzen werden dafür in folgende sechs Bereiche aufgeteilt:
- Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren
- Kommunizieren und Kooperieren
- Produzieren und Präsentieren
- Schützen und sicher Agieren
- Problemlösen und Handeln
- Analysieren und Reflektieren
Der Kompetenzbereich Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren beschreibt den angemessenen Umgang mit einer ständig wachsenden Menge an Daten und Informationen, die allen Menschen durch digitale Technologien zur Verfügung steht. Umgang meint dabei das Suchen, Finden und Auswählen relevanter und vertrauenswürdiger Quellen und Informationen, die kritische Reflexion und Bewertung dieser sowie die Organisation, Nutzung und Speicherung der gefundenen Daten und Informationen. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs schaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren" .Um im digitalen Raum adäquat Kommunizieren und Kooperieren zu können, braucht es entsprechende Kompetenzen, digitale Werkzeuge zur angemessenen und effektiven Kommunikation einsetzen und in digitalen Umgebungen zielgerichtet kooperieren zu können. Dabei geht es vor allem darum, entsprechend der jeweiligen Situation und ausgerichtet an den Kommunikations- bzw. Kooperationspartnern die passenden Werkzeuge auszuwählen und entsprechende Umgangsregeln einzuhalten. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs schaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "kommunizieren und Kooperieren".Mit digitalen Werkzeugen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, eigene Inhalte zu Produzieren und Präsentieren sowie bestehende Inhalte weiterzuverarbeiten. Dafür braucht es Kompetenzen, diese Werkzeuge sach- und adressatengerecht auszuwählen, Inhalte zu gestalten und zu veröffentlichen sowie mit den wesentlichen Rechtsgrundlagen vertraut zu sein. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs schaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "Produzieren und Präsentieren".Persönliche Daten, Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte sind zentrale Themen, um sich selbst und andere im digitalen Raum zu Schützen und sicher zu Agieren. Dazu gehören auch Themen wie Cybermobbing und -kriminalität sowie Datenschutz und -sicherheit. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs schaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "Schützen und sicher Agieren".In dem Kompetenzbereich Problemlösen und Handeln werden einerseits rein funktionale Fähigkeiten, wie der effektive Umgang mit Hardware und Software adressiert und andererseits Fähigkeiten beschrieben, diese digitalen Werkzeuge analysieren und für das eigene Handeln im digitalen Raum reflektieren und anwenden zu können. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs sschaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "Problemlösen und Handeln".Um an der digitalen Welt teilzuhaben und diese mit zu gestalten, sind das Analysieren und Reflektieren umso wichtiger. Dabei geht es darum, digitale Werkzeuge, Medien und Umgebungen zu verstehen, zu reflektieren und zu analysieren. Für eine weitergehende Erklärung dieses Kompetenzbereichs schaut Euch das Video dazu vom digital.learning.lab an.
Hier geht es zum Video: KMK-Kompetenzbereich in der digitalen Welt "Analysieren und Reflektieren".Vertiefung
Die sechs Kompetenzbereiche werden in der Strategie "Bildung in der digitalen Welt" der Kultusministerkonferenz noch einmal weiter ausdifferenziert und teilen sich in untergeordnete Kompetenzen. Diese sollen helfen, die abstrakten Bezeichnungen der sechs Kompetenzbereiche handhabbarer zu machen, sodass diese in den Bildungsbereichen verankert werden können. Dafür braucht es trotz dieser Ausdifferenzierungen immer noch eine Interpretation der beschriebenen Kompetenzen, wie im Folgenden anhand des ersten untergeordneten Kompetenzbereichs "1.1. Suchen und Filtern" des Kompetenzbereichs Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren gezeigt wird:
1.1.1. Arbeits- und Suchinteressen klären und festlegen
Bevor mit der Recherche begonnen werden kann, muss zunächst das Ziel klar definiert werden: Wie hoch sind die aktuellen Fälle von Corona-Infektionen für den Landkreis, in dem ich wohne? Anhand einer solchen klar definierten Frage können während der Recherche relevante Informationen identifiziert und irrelevante Informationen ignoriert werden
1.1.2. Suchstrategien nutzen und weiterentwickeln
Da es sich in dem Beispiel um ein sehr aktuelles Thema handelt, gibt es dazu momentan noch wenig Literatur in Büchern. Insofern, und weil es auf meine Frage täglich eine neue Antwort geben kann, da sich Infektionszahlen kontinuierlich verändern, beschränkt sich die Suche in diesem Fall auf das Internet. Für den Recherchestart wird dabei häufig eine Suchmaschine genutzt. Für die Eingabe in der Suchmaschine gibt es verschiedene Empfehlungen, um die Formulierungen so zu wählen, dass möglichst das Beste Ergebnis gefunden wird. Schaut Euch dafür gerne das Handout zu Suchstrategien der Universitätsbibliothek der Universität Siegen an. Für meine Suche nutze ich dabei die Suchbegriffe Corona, Landkreis Harburg, Infektion, Infektionszahl.
1.1.3. In verschiedenen digitalen Umgebungen suchen
Nachdem ich meine Recherche bereits über eine Suchmaschine gestartet habe, möchte ich nun verschiedene Umgebungen nutzen. Aufgrund der Aktualität der Frage bietet sich eine Suche über Bibliothekskataloge oder Datenbanken in diesem Fall nicht an. Ausgehend von meiner Frage wähle ich mir vertraute Quellen für die tiefer gehende Recherche. Dies ist zum einen die Webseite des Robert-Koch-Instituts und zum anderen die Informationsseite zur Corona-Pandemie auf der Webseite des Landkreises Harburg.
1.1.4. Relevante Quellen identifizieren und zusammenführen
Nachdem ich verschiedene Informationen gefunden habe, führe ich diese zusammen. In dem Beispiel stelle ich dabei fest, dass ich verschiedene Fallzahlen von Infektionen im Landkreis Harburg gefunden habe. In der Zusammenführung stellen diese daher einen Widerspruch dar, der sich in diesem Fall jedoch leicht auflösen lässt, da die Zeitpunkte der Zählungen variieren und sich die Informationen daher nicht direkt widersprechen, sondern eine Entwicklung der Corona-Infektionen im Landkreis Harburg abbilden.
Anhand dieses kurzen Beispiels zeigt sich bereits, wie die einzelnen Kompetenzen noch weitergehend beschrieben werden können. Da der Detailgrad der benannten Kompetenzen zum Teil variiert, bedarf es ja nach Kompetenz eine stärkere Interpretation und Deutung.
Reflexion
Nachdem wir uns intensiv mit den Kompetenzen für eine digitalisierte Lebens- und Arbeitswelt in der von der Kultusministerkonferenz herausgegebenen Strategie "Bildung in der digitalen Welt" beschäftigt haben, wollen wir diesen Kompetenzrahmen zum Abschluss dieser Lerneinheit mit Eurem Studium in Verbindung setzen. Zwar sollen alle Menschen diese Kompetenzen erwerben, für Euch als angehende Lehrkräfte haben diese aber noch einmal eine ganz besondere Bedeutung, da Ihr Eure zukünftigen Schüler:innen dabei unterstützen müsst, selbst diese Kompetenzen zu erwerben.