Der Kompetenzbegriff
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Digital kompetent - ja, aber wie und warum? |
Buch: | Der Kompetenzbegriff |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Mittwoch, 15. Januar 2025, 18:35 |
Beschreibung
Zunächst einmal wollen wir uns den abstrakten Begriff von Kompetenz genauer anschauen - sowohl allgemein als auch konkret in Bezug auf Medien und Digitalisierung.
1. Begriffsverständnis
Kompetenz leitet sich laut Digitalem Wörterbuch der deutschen Sprache vom lateinischen Begriff "competere" ab und bedeutet damit übersetzt so viel wie "zusammentreffen". Im weiteren Verständnis entwickelte sich die Bedeutung über die letzten Jahrhunderte weiter zu "Zuständigkeit" und "Fähigkeit".
Ihr kennt die Verwendung des Kompetenzbegriffs womöglich aus früheren beruflichen Kontexten. Bevor wir uns der genaueren Begriffsbestimmung von "Kompetenzen" im Allgemeinen im nächsten Abschnitt widmen, blicken wir zunächst mit nachfolgendem Video auf möglicherweise aus beruflichen Kontexten bisher bekannte Verwendungen des Kompetenzbegriffs:
Kompetenzen definieren und beurteilen
Weitere Informationen
Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB
YouTube
https://www.youtube.com/embed/QMQDqN
Die Bestimmung von Kompetenzen hat nicht nur in beruflichen Kontexten, sondern auch in der allgemein- sowie berufsschulischen Bildung eine besondere Relevanz. Inwiefern dies für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler von Bedeutung sind, darauf wird in nachfolgenden Kapitel näher eingegangen. Auf der nächsten Seite wird zunächst grundsätzlich die Herkunft und aktuelle Verwendung des Kompetenzbegriffs in den Erziehungswissenschaften aufgearbeitet.
Der Kompetenzbegriff nach Klafki
In der Pädagogik im deutschsprachigen Raum gehen konkretere Begriffsbestimmungen von Kompetenz zurück auf den Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki, der als Mitbegründer der kritisch-konstruktiven Didaktik erstmalig ein Kompetenzmodell für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff eingeführt hat. In seiner Beschäftigung mit Zielen der Allgemeinbildung zur Förderung relevanter Fähigkeiten und Fertigkeiten verwendet Klafki (1991) nicht den heute üblichen Begriff der Schlüsselkompetenzen, sondern stellt sogenannte Schlüsselprobleme in den Mittelpunkt. Für eine differenzierte Annäherung an den Kompetenzbegriff werden daher Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Mittelpunkt gerückt, die zur Lösung sogenannter Schlüsselprobleme von zentraler Bedeutung sind (Klafki, 1991, S. 63):
- Kritikbereitschaft und -fähigkeit
- Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit
- Empathie
- Vernetztes Denken bzw. Zusammenhangsdenken
Kompetenzdefinition nach Weinert
Auf Basis dessen haben sich unterschiedliche Verständnisse des Bildungsbegriffs über die letzten Jahrzehnte weiterentwickelt. Inzwischen wird für die Definition des Kompetenzbegriffs in der Regel auf die am häufigsten zitierte Referenzdefinition nach Weinert (2001. S.27f.) zurückgegriffen, der ebenso wie zuvor Klafki Problemlösefähigkeiten sowie soziale und psychologische Komponenten betont:
Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (d. h. absichts- und willensbezogenen) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.
- Weiner, 2001
Kompetenzverständnis im DQR
Diese Formen der Differenzierung des Kompetenzverständnisses werden nicht nur innerhalb der Bildungs- und Erziehungswissenschaften diskutiert, sondern finden auch in bildungspolitischen Leitlinien und Vorgaben konkrete Anwendung. Besonders deutlich wird dies im Deutschen Qualifikationsrahmen, der das Ziel hat, Qualifikationen im deutschen Bildungssystem erfassen und einordnen zu können. Auch hier wird eine bereits von Klafki angedeutete und von Weinert explizit gemacht Aufteilung von Kompetenzen nach übergeordneten Kategorien deutlich:
DQR
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2. Kompetenz in digitalen Zeiten
Wie verändert sich also der Kompetenzbegriff in sogenannten digitalen Zeiten, in denen neue technische Möglichkeiten neue Formen der Problemlösung erlauben und fordern? Dafür ergeben sich sehr unterschiedlich eng oder breit gefasste Verständnisse eines auf neue digitale Medien angepassten Kompetenzbegriffs. Einerseits finden sich im bildungspolitischen Diskurs tendenziell sehr technikzentrierte Definitionen von medienbezogenen Kompetenzen.
So wurde von der Europäischen Kommission (2006) die sogenannte "Computerkompetenz" definiert als:
- Europäische Kommission, 2006
Für eine entsprechende Medienbildung gilt dann wie von Aufenanger (1999, S.23) skizziert:
- Aufenanger
Dafür bieten sich die einzelnen Kompetenzdimensionen an, wie Manuela Pietraß (2011) sie in Anlehnung an Dewe/Sander (1996) vorschlägt. Hier werden die auf digitale Medien bezogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechend der drei Dimensionen Sachkompetenz, Selbstkompetenz, Sozialkompetenz im Rahmen einer Tabelle dargestellt. Um uns der Frage zu nähern, wie Kompetenzen in sogenannten digitalen Zeiten konkret formuliert, identifiziert und gefördert werden können, schreibt bitte für die nachfolgenden konkreten Aspekte von Medienkompetenzen anhand der Publikation von Manuela Pietraß (2011) auf, um welche der drei Kompetenzdimensionen es sich handelt:
In dieser Lerneinheit wurden unterschiedliche Definitionen und Verständnisse von Kompetenzen im Allgemeinen dargestellt und erste Annäherungen an Facetten von Medienkompetenzen im Besonderen geleistet. Verschiedene detailliertere Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Operationalisierungen von Medienkompetenzen, insbesondere in Form von sogenannten Medienkompetenzrahmen, erfolgen im nachfolgenden Lernmodul. In diesem Lernelement wurde jedoch bereits deutlich, dass sich Kompetenzbegriffe vielseitig interpretieren und anwenden lassen.
Warum hilft es also, gemeinsam Begriffe wie Kompetenz und Medienkompetenz zu schärfen?
Definitionen haben einerseits die Funktion, eine sprachliche Präzisierung sowie eine gemeinsame Verständigung vorzunehmen. So wird sowohl den sprechenden Akteur:innen als auch den zuhörenden Akteur:innen klar, worauf sich Aussagen im Zusammenhang mit Kompetenzen bzw. Medienkompetenzen oder Digitalen Kompetenzen beziehen.
3. Kompetenzen von Lehrkräften
Nach dieser allgemeinen Einführung in den Kompetenzbegriff gehen wir nun einen Schritt weiter und schauen uns zunächst den Begriff der Medienkompetenz an bevor wir uns anschließend der medienpädagogischen Kompetenz widmen.
Medienkompetenz
Der Begriff der Medienkompetenz ist seit den 1990er Jahren stark verbreitet. Der bereits in den 1970ern eingeführte Begriff erfuhr durch die zunehmende Verbreitung an Massenmedien, wie Film und Fernsehen, zunehmend Bedeutung. Auch eignete der Begriff sich laut Tulodziecki dazu, bildungspolitische Forderungen an Allgemein-, Aus- und Weiterbildung zu formulieren (Tulodziecki, 2011). Dass diese Forderungen, insbesondere an das Bildungspersonal, heute immer noch aktuell sind, zeigt sich sowohl in der dazugehörigen Forschung als auch in Diskursen in den Medien. Nach Tulodziecki gibt es jedoch vielmehr ein systematisches Problem in der Verwendung des Medienkompetenzbegriffs, welches auch heute noch Anwendung findet:
- Tulodziecki, 2011, S. 21, Hervorhebung i.O.
Dieser Aussage folgend benennt Tulodziecki die Aspekte des Vermögens, der Bereitschaft und des Handelns als zentral für den Medienkompetenzbegriff und knüpft damit an bestehende erziehungswissenschaftliche Kompetenzforschung an. Vermögen bezieht sich dabei auf die grundlegenden Fähigkeiten des Menschen, bzw. auf das grundsätzliche Potential des Menschen. Die Bereitschaft hingegen verweist auf die motivationalen Aspekte von Kompetenz (siehe auch Weinert, 2001, S. 27-28). Der Begriff des Handelns wiederrum stellt den Menschen als aktives, handelndes Subjekt in den Mittelpunkt und schreibt ihm Mitgestaltung und Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten zu. Dieter Baacke, einer der bedeutendsten deutschen Medienpädagogischen versteht "[...] unter dem Konzept ,Medienkompetenz' die wichtigsten Aufgaben der Medienpädagogik einer sich wandelnden Informationsgesellschaft zu fassen, einanderzugliedern und als Auftrag an die pädagogischen Einrichtungen weiterzugeben." (Baacke, 2007, S. 4-5). Dieter Baacke teilt den Begriff der Medienkompetenz in die vier Bereiche Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung:
Medienkompetenz nach Dieter Baacke
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4. Medienpädagogische Kompetenz
Doch was genau bedeutet das jetzt für (angehende) Lehrkräfte? Im Unterschied zur Medienkompetenz meint die medienpädagogische Kompetenz jene Kompetenzen, die Lehrkräfte brauchen, um Medien sinnvoll in didaktischen Szenarien einzusetzen und anzuwenden und um ihre Schülerinnen und Schüler in ihrem Kompetenzerwerb zu unterstützen. Dieser Anspruch an Lehrkräfte wird auch in der Strategie der Kultusministerkonferenz formuliert:
- Kultusministerkonferenz, 2007, S. 25
Die wohl bekannteste Forschung in Deutschland zur Medienpädagogischen Kompetenz stammt von der Erziehungswissenschaftlerin Sigrid Blömeke. Aus ihrer Forschung hat sie die folgenden fünf Bereiche medienpädagogischer Kompetenz abgeleitet (2000, S. 326):
- Mediendidaktische Kompetenz: Fähigkeit von Lehrkräften zur reflektierten Verwendung von Medien und Informationstechnologien in geeigneten Lehr- und Lernformen und deren Weiterentwicklung
- Medienerzieherische Kompetenz: Fähigkeit von Lehrkräften, Medienthemen im Sinne pädagogischer Leitideen im Unterricht behandeln zu können
- Sozialisationsbezogene Kompetenz im Medienzusammenhang: Fähigkeit von Lehrkräften zur konstruktiven Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen medienpädagogischen Handelns der Schülerinnen und Schüler
- Schulentwicklungskompetenz im Medienzusammenhang: Fähigkeit von Lehrkräften zur innovativen Gestaltung der Rahmenbedingungen medienpädagogischen Handelns in der Schule
- Medienkompetenz: Fähigkeit von Lehrkräften zu eigenem sachgerechten, selbstbestimmten, kreativen und sozialverantwortlichen Handeln im Zusammenhang mit Medien und Informationstechnologien
Wie in dieser Lerneinheit gezeigt wurde spielen sowohl Medienkompetenz als auch medienpädagogische Kompetenz eine große Rolle in der Lehrkräftebildung, wobei die Bedeutung dieser kontinuierlich zunimmt. Insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie, in der Lehrkräfte ihren Unterricht rein digital gestalten müssen, wird noch einmal deutlich, wie wichtig die medienpädagogische Ausbildung von angehenden Lehrkräften ist.
Entsprechend der von Sigrid Blömeke definierten fünf Kompetenzbereiche der medienpädagogischen Kompetenz gilt daher folgendes zu berücksichtigen:
Im Bereich der mediendidaktischen Kompetenz kann und sollte an die mediendidaktischen Erfahrungen der Lernenden angeknüpft werden, wobei auch spezifische Defizite aufgegriffen werden müssen. Dabei gilt der Leitsatz: Didaktik vor Technik! Vor den Überlegungen zum Medieneinsatz steht also immer die entsprechende Lehr-Lernform und die Reflexion darüber, welche Ziele in dem didaktischen Szenario verfolgt werden. Dabei ermöglichen Medien allerdings auch, traditionelle Lehr-Lernformen zu durchbrechen und neue Wege des Lehrens und Lernens zu beschreiten.
Im Bereich der medienerzieherischen Kompetenz braucht es zunächst ein stärkeres Bewusstsein, dass auch jüngere Lernende nicht automatisch selbstständig und angemessen im Umgang mit (digitalen) Medien sind, sondern dieser erst erlernt werden muss. Erst dann können medienerzieherische Aspekte in didaktischen Szenarien sinnvoll thematisiert werden. Hierbei kann es hilfreich sein, die medienerzieherischen Ziele hervorzuheben und sichtbar zu machen und diese explizit zu adressieren.
Im Bereich der eigenen Medienkompetenz sind die Vorerfahrungen der (angehenden) Lehrkräfte vielfältig. Auch ist sich nicht jeder bewusst, wie seine bzw. ihre eigene Medienkompetenz ausgeprägt ist und wo eventuell Lücken bestehen. Um als Lehrkraft auch Schülerinnen und Schüler in ihrem Kompetenzerwerb unterstützen zu können ist die Reflexion der eigenen Medienkompetenz jedoch dringend notwendig.