Zwischen Digitalisierung, Mediatisierung und Digitalität
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Digital kompetent - ja, aber wie und warum? |
Buch: | Zwischen Digitalisierung, Mediatisierung und Digitalität |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Mittwoch, 15. Januar 2025, 19:05 |
Beschreibung
Für einen ersten Einstieg in das Thema werden grundlegende Begriffe wie Digitalisierung, Mediatisierung und Digitalität geklärt.
1. Einführung
Fangen wir also an, indem wir den thematischen Rahmen für das Lernangebot abstecken. Dabei führen wir grundlegende Begriffe ein und nähern uns so dem, was sich hinter der oft verwendeten Formulierung "digitale Kompetenzen" verbirgt.
Seit vielen Jahren wird der Begriff der Digitalisierung verwendet, um die durch den technologischen Wandel bedingten Veränderungsprozesse in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie auch dem Bildungsbereich, zu beschreiben (Ladel et al., 2018). Nicht nur, dass dieser Begriff im aktuellen Diskurs weitaus mehr umfasst als - etymologisch betrachtet - die technische Überführung von Signalen aus einer nicht-digitalen in eine digitale Form (Müller, 2015). Was in diesem engen Verständnis der gegenwärtigen Entwicklungen vernachlässigt wird, sind vor allem die zentralen technologiebedingten sozialen und kulturellen Veränderungsprozesse (Bittner, 2003, S. 290): Wir sind aufgrund der aktuellen technologischen Entwicklungen also nicht nur mit einem reinen Medienwechsel konfrontiert, bei dem verschiedene Zeichensysteme integriert und zusammengeführt werden, sondern um eine gänzliche Neustrukturierung der medialen Umwelt. Die intensive Auseinandersetzung mit den Begriffen ist dabei elementar, denn nur so können die Implikationen für den Bildungsbereich genauer erfasst werden.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass “[d]er Computer [sich] als symbolischer Apparat [...] in diese Wirklichkeit und deren Konstitution ein[mischt], er tut dies heute in vielen Fällen auf Wunsch der Menschen, die damit etwa ihren Alltag ver einfachen, Wissen erwerben oder ihre sozialen Beziehungen gestalten können” (Krotz, 2021, S. 3). Wenn wir also versuchen, die aktuelle Welt vor dem Hintergrund der rasanten technologischen Entwicklungen zu beschreiben, müssen sowohl die verschiedenen Begriffe wie Digitalisierung, digitaler Wandel, digitale Transformation, Digitalität, Mediatisierung, etc. genauer beleuchtet, als auch die Veränderungen unserer Umwelt genauer betrachten.
Im Folgenden schauen wir uns zunächst die verschiedenen Begriffe einmal genauer an. Los geht es mit Digitalisierung, Mediatisierung und Digitalität!
2. Digitalisierung
Der Begriff Digitalisierung wird allgemein für all das verwendet, was mit Internet oder Technik im Allgemeinen zu tun hat. Damit ist aber per se schon nicht ganz klar definiert, worüber eigentlich gesprochen wird. Hinzu kommt, dass im medialen Diskurs nicht ausschließlich der Begriff Digitalisierung, sondern auch Begriffe wie Digitale Transformation oder Digitaler Wandel verwendet werden.
Um einen ersten Einblick zu erhalten, kann ein Blick ins Wörterbuch helfen:
- So bezeichnet der Begriff Digitalisierung laut Duden online "das Digitalisieren, Digitalisiertwerden". Es handelt sich also um einen Prozess der "Überführung von Information aus einer nicht digitalen in eine digitale Form", wie es im Wirtschaftslexikon24 definiert wird.
- Mit der Digitalen Transformation werden laut Gründerszene-Lexikon "die erheblichen Veränderungen und Auswirkungen auf das alltägliche Leben in der Wirtschaft und der Gesellschaft durch den Gebrauch von digitalen Technologien [beschrieben]. Dabei wird zwischen den Dimensionen Leistungserstellung, Leistungsangebot und Kundeninteraktion unterschieden." Hier steht also die Veränderung durch digitale Technologien im Vordergrund, wie es auch bei dem Begriff des Digitalen Wandels der Fall ist.
Während Digitalisierung also eine rein technische Veränderung beschreibt, beziehen sich der digitale Wandel sowie die digitale Transformation vornehmlich auch Veränderungen im Bereich der Wirtschaft. Selbstverständlich bedarf es auch hier entsprechende Kompetenzen der handelnden Personen, diese sind allerdings etwas anders ausgeprägt, als es im Bildungsbereich der Fall ist. Insofern ergibt es Sinn, sich auch mit den Begriffen der bildungs-, medien- und kulturwissenschaftlichen Perspektive auseinanderzusetzen.
3. Mediatisierung
Ein nicht erst mit Auftreten des Digitalen oft verwendeter Begriff ist der der Mediatisierung, unabhängig vom jeweiligen Medium. Dieser beschreibt die mit dem Medienwandel einhergehenden gesellschaftlichen und individuellen Veränderungen:
- Krotz, 2012, S. 38
Der Kommunikationswissenschaftler Friedrich Krotz, der prägend für die Begriffsdefinition der Mediatisierung ist, ordnet Mediatisierung anhand vier zentraler Positionen in die Kommunikations- und Medienwissenschaft ein. Dabei ist anzumerken, dass in diesen jeweils Aspekte von Mediatisierung aufgegriffen werden, aber keine der Positionen diese gänzlich erfasst (Krotz, 2021, S.34ff.):
- Einfluss der vorherrschenden Medien auf gesellschaftliche Strukturen: Medientheoretiker Marshall McLuhan (1992) sprach nicht von Mediatisierung selbst, argumentierte aber den Einfluss vorherrschender Medien auf gesellschaftliche Strukturen
- Medien bestimmen Wahrnehmung und Kommunikation: Stig Hjavard (2009) und Andrea Schrott (2009) definieren Mediatisierung auf Basis des Begriffs "Medienlogik" von Altheide und Snow (1979) und vertreten die sehr weitgehende These, dass Medien den Rahmen von Kommunikation schaffen. Kritik an dieser Position äußert Krotz, indem er die einseitige Prägung der Kommunikation durch Medien, sowie die Differenzierung der Bedeutungen in unterschiedlichen Kulturkreisen hinterfragt.
- Vier Teilprozesse der Mediatisierung: Nach Schulz (2004) und Mazzoleni (2008; auch Mazzoleni & Schulz, 1999) teilt sich Mediatisierung in folgende vier Teilprozesse:
- Extension: "Erweiterung der menschlichen Kommunikationsfähigkeit durch Medientechnologien" (S. 35)
- Substitution: nicht-medienbezogene Aktivitäten werden durch medienbezogene Aktivitäten ersetzt
- Amalgamation: medienbezogene und nicht-medienbezogene werden miteinander verwoben
- Accomodation: Medien schaffen neue Räume in bestehenden Handlungsfeldern
- Mediatisierung als Accomodation: Reduzierung des Verständnisses von Mediatisierung als Accomodation (siehe vier Teilprozesse)
Dass diese Einordnung der Mediatisierungsforschung aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft eine hohe Relevanz für (angehende) Lehrkräfte hat, zeigt sich beispielsweise anhand des SAMR-Modell von Ruben Puentedura, welches die Integration von Medien im Unterricht strukturiert:
SAMR-Modell von Puentedura
Weitere Informationen
Die vier Ebenen zeigen dabei auf, welche Rolle Medien im Unterricht einnehmen können:
- Substitution (Ersetzung): Medien ersetzen als Arbeitsmittel lediglich bisher genutzte Medien
- Augmentation (Erweiterung): Medien ersetzen bisher genutzte Medien und verbessern funktional die Arbeitsmittel
- Modification (Änderung): Aufgaben können durch Medien neugestaltet werden
- Redefinition (Neubelegung): Durch Medien können ganz neue Aufgaben entwickelt werden
4. Digitalität
Sowohl in den zuvor behandelten Begriffen Digitalisierung und Digitale Transformation sowie auch bei der Mediatisierung stehen die mit Medien einhergehenden Veränderungen im Vordergrund. Einen anderen Ansatz wählt das Konzept der Digitalität, bei dem die digital geprägte Welt, in der wir uns befinden, als Zustand, nicht als Prozess verstanden wird.
Im Wirtschaftslexikon24 wir der Begriff der Digitalität folgendermaßen definiert:
- Wirtschaftslexikon24
Der ursprünglich aus den Geisteswissenschaften stammende und maßgeblich auf den Arbeiten von Manuel Castell beruhende Begriff stellt dabei die Verbindung von Analogem und Digitalem dar. Der Kultur- und Medienwissenschaftler Felix Stalder spricht daher von einer Hybridisierung und betont, dass "[auch] unter den Bedingungen der Digitalität verschwindet das Analoge nicht, sondern wird neu be- und teilweise sogar aufgewertet" (Stalder, 2016, S. 18). Es handelt sich dabei also eher um einen Zustand.
In seinem Werk "Kultur der Digitalität" skizziert Felix Stalder eine gesellschaftliche Einordnung der verschiedenen Aspekte und Facetten einer zunehmend digitalen Gesellschaft. Die beiden Begriffe Kultur und Digitalität, die nicht nur im Titel, sondern durch das gesamte Buch handlungsleitend sind, definiert Stalder dabei wie folgt:
- Stalder, 2016, S. 16
- ebd., S. 18
Stalder verwendet in seinen Texten eine sehr dichte und intensive Sprache. Insofern kann es helfen, sich die oben stehenden Zitate in aller Ruhe mehrmals und Wort für Wort durchzulesen und darüber nachzudenken.
Etwas leichter macht es uns Stalder (2018) in einem Blogbeitrag beim Hochschulforum Digitalisierung, einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Initiative für Hochschullehre im digitalen Zeitalter. Während er inhaltlich ähnliche Punkte, wie in seinem Buch "Kultur der Digitalität" anspricht, sind sowohl Format als auch Sprache dieses Textes leichter zugänglich.
Ergänzend dazu passt der Text "Kultur der Digitalität statt digitaler Bildungsrevolution" von Allert und Richter. Während sich der erste Teil des Titels offensichtlich auf das Werk von Stalder bezieht, wird im zweiten Teil des Titels auf das Buch "Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wir wir ihn gestalten können" (Dräger und Müller-Eiselt, 2015) Bezug genommen.
Lies dir den Text Kultur der Digitalität statt digitaler Bildungsrevolution von Allert und Richter durch und reflektiere, wie die Autoren eine Bevorzugung der Kultur der Digitalität anstelle einer digitalen Bildungsrevolution begründen.