Zum Hauptinhalt

3. Organisation & Ablauf der Zulassung

Website: Hamburg Open Online University
Kurs: Up in the Air - Luftfahrttechnik aus neuen Perspektiven
Buch: 3. Organisation & Ablauf der Zulassung
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 21. November 2024, 23:37

Beschreibung



1. Einführung

Da dem Betrieb von Fluggerät ein abstraktes Gefährdungspotential innewohnt, bestehen für Luftfahrzeuge und viele mit ihnen in Verbindung stehende Bauteile, Materialien oder Verfahren Zulassungsregeln. Im Kern steht dabei die sogenannte Lufttüchtigkeit, die für solches Luftfahrtgerät sichergestellt sein muss, um Gefahren im akzeptablen Maß zu halten. Grundlage bildet das Luftverkehrsgesetz, auf dessen Grundlage zahlreiche Rechtsverordnungen erlassen wurden. 

1.1. Nachweisführung Fluggerät

Für Fluggerät (in der Regel = Luftfahrzeug) muss der Nachweis erbracht werden, dass dieses sicher betrieben werden kann. Dies regelt der Gesetzgeber grundsätzlich über Vorschriften, wie etwa die Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät, die hier beispielhaft genannt sei, da diese etwa Einzelstückprüfung und Musterprüfung für Luftfahrtgerät regelt. Als Muster wird der Typ eines Luftfahrtgeräts bezeichnet. Da sowohl ganze Luftfahrzeuge als auch deren Bauteile oft in großer Stückzahl hergestellt werden, kann der Prüfung des Musters eine hohe Bedeutung zukommen, da ein Fehler in der Entwicklung sich damit nicht auf einzelne Exemplare sondern auf das gesamte Muster erstreckt.

1.2. Nachweisführung Betrieb

Um ein Luftfahrzeug (im Luftraum) betreiben zu dürfen, ist grundsätzlich eine Betriebserlaubnis notwendig, die in der Regel eine Zulassung bzw. Verkehrszulassung des Luftfahrzeugs erfordert. Darüber hinaus sind auch bestimmte Verhaltensweisen im Betrieb eines Luftfahrzeugs, wie etwa Verkehrsregeln (Luftverkehrsordnung - LuftVO) sowie Instandhaltungsvorschriften einzuhalten. Auch für den Betrieb von Luftfahrzeugen existieren daher Verfahren der Nachweisführung.
Auch Personen und Organisationen müssen bestimmte Nachweise über sich selbst erbringen können. Dazu wären nachweise für Entwicklungsbetriebe oder andere Luftfahrttechnische Betriebe zu zählen.

2. Luftfahrttechnische Betriebe

Da Luftfahrt ohne Technik nicht möglich wäre (vgl. Samuel von Pufendorf: "Da dem Menschen die Fähigkeit versagt ist, sich derart in der Luft zu halten, dass er, von der Erde getrennt, aus eigener Kraft darin verbleiben kann..."), braucht es Luftfahrttechnische Betriebe (LTB).

Unter Luftfahrttechnischen Betrieben sollen hier verstanden werden:
  1. Entwicklungsbetriebe
  2. Herstellungsbetriebe
  3. Instandhaltungsbetriebe
  4. Luftverkehrsgesellschaften
Vieles dreht sich hier um den Begriff der Lufttüchtigkeit (Airworthiness). Es lässt sich unterscheiden zwischen der "Initial Airworthiness" (Entwicklung und Herstellung) - also inwiefern neues Luftfahrtgerät lufttüchtig ist - und der "Continuing Airworthiness" (Instandhaltung und Betrieb) - also der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit während des Nutzungszeitraums von Luftfahrtgerät. 


2.1. Entwicklungsbetriebe

Ein Entwicklungsbetrieb (Design Organisation) entwickelt Luftfahrtgerät. Das mag wenig überraschend klingen, wichtig ist aber die Abgrenzung zum Herstellungsbetrieb, der solches Gerät herstellt. Entwicklung und Herstellung von Luftfahrtgerät können zwar räumlich und betrieblich in einem Unternehmen miteinander einhergehen, haben jedoch jeweils eigene rechtliche und organisatorische Grundlagen.

In den Mitgliedstaaten der EASA dient als Rechtsgrundlage für die Entwicklung von Luftfahrtgerät in Entwicklungsbetrieben primär die Vorschrift EASA Part 21J. In anderen Staaten mit Luftfahrttechnischen Betrieben wie etwa den USA ist die Nomenklatur der Luftfahrtvorschriften im nationalen Vorschriftenwesen in der Regel ähnlich (Part 21). Entwicklungsbetriebe von Luftfahrgerät benötigen eine Genehmigung als Entwicklungsbetrieb nach EASA Part 21J (oder entsprechenden nicht-europäischen Vorschriften). Um die Lufttüchtigkeit von Seiten der Entwicklung sicherzustellen, müssen den zuständigen Behörden wie der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) oder dem Luftfahrtbundesamt (LBA) etwa die Verantwortlichkeiten im Betrieb, ein Entwicklungsbetriebshandbuch und weitere Maßnahmen, die zur Lufttüchtigkeit von Luftfahrtgerät bei dessen Entwicklung beitragen, nachgewiesen werden. Ist ein Betrieb als Entwicklungsbetrieb zugelassen, so spricht man vom Inhaber einer Design Organisation Approval - DOA).


2.2. Herstellungsbetriebe

In Abgrenzung zum Entwicklungsbetrieb wird in einem Herstellungsbetrieb (Production Organisation) Luftfahrtgerät nicht etwa über technische Zeichnungen oder die Aufstellung von Spezifikationen entwickelt, sondern aus Metall, Kunststoff, Faserverbundstoffen oder anderen Materialien gefertigt bzw. montiert.

Die einschlägige Vorschrift im Regelwerk der EASA ist Part 21G. Eine Genehmigung als Herstellungsbetrieb ist in der Regel für die Hersteller von gesamten Luftfahrzeugen sowie von Triebwerken, teils aber auch für die Hersteller von deren Teilsystemen und Bauteilen notwendig. Aufgrund der Vielfalt an Einzelteilen und mehr oder weniger tief in das Flugzeug integrierten Geräten kann es sich hier um verschiedenste Produkte handeln. Ist ein Betrieb nach Part 21G genehmigt, so spricht man vom Inhaber einer Production Organisation Approval - POA). Die Herstellung in einem Herstellungsbetrieb muss sich jedoch grundsätzlich (Ausnahmen möglich) nach den Vorgaben (Applicable Design Data) eines genehmigten Entwicklungsbetriebes richten. Somit darf nicht ohne Weiteres ein Luftfahrtgerät hergestellt werden, solange keine solchen Vorgaben von der Entwicklungsseite vorliegen. Auch dürfen nicht ohne weiteres Instandhaltungsmaßnahmen an einem selbst hergestellten gerät vorgenommen werden. Ein Betrieb, der etwa als Hersteller einer Pumpe für ein Luftfahrzeug genehmigt ist, darf diese also in der Regel ohne entsprechende Einhaltung von Applicable Design Data nicht ohne diese Entwicklungsunterlagen herstellen und diese ohne Zulassung als Instandhaltungsbetrieb auch nicht ohne Weiteres reparieren.


2.3. Instandhaltungsbetriebe

Da Luftfahrzeuge (insbesondere Verkehrsflugzeuge) oft sehr intensiv und langjährig genutzt werden, da etwa die hohen Entwicklungs- und Herstellungskosten durch den Transport vieler Menschen und Waren wieder erwirtschaftet werden sollen, kommt der Instandhaltung eine wichtige Rolle zu. Viele Luftfahrzeuge fliegen über mehrere Jahrzehnte hinweg fast jeden Tag mehrere Mittelstreckenflüge von jeweils mehreren Tausend Kilometern Länge unter oft stark variierenden Witterungsbedingungen. Trotz dieser Belastungen muss ein hohes Niveau von Sicherheit und Zuverlässigkeit aufrecht erhalten werden. Der Kernbegriff lautet hier "Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit" oder "Continuing Airworthiness".

Die primäre Rechtsgrundlage für Instandhaltungsbetriebe bildet in Europa die Vorschrift EASA Part-145. Diese Instandhaltungsbetriebe (auch MRO-Betriebe für "Maintenance, Repair & Overhaul" genannt) werden für die Instandhaltung von Luftfahrtgerät genehmigt und können - müssen jedoch nicht - zugleich Entwicklungs- und/oder Herstellungsbetriebe sein.


2.4. Luftverkehrsgesellschaften

Auch Luftverkehrsgesellschaften haben als Halter bzw. Betreiber von Luftfahrzeugen Pflichten in Bezug auf die Luftfahrzeugtechnik. So ist etwa für die Luftfahrzeuge ein Instandhaltungsprogramm zu führen, das sicherstellt, dass die Luftfahrzeuge so betrieben und instandgehalten werden, dass diese lufttüchtig bleiben.


2.5. Lernkontrolle

edu sharing object


3. Regulative Arbeit der Flugsicherung

Die Aufgaben der Flugsicherung umfassen neben der Kernaufgabe der Abwicklung des Flugverkehrs auch in der Ausbildung von Personal und in regulatorischen Aufgaben. Die regulatorischen Aufgaben ergeben sich daraus, dass die Flugsicherung Teil der Luftverkehrsverwaltung ist.

Inhaltlich handelt es sich hier beispielsweise um Fragen zu
  • unbemannten Flugsystemen
  • Umweltschutz
Auch das eigene Personal muss die Flugsicherung jedoch ein Stück weit regulieren. So schreibt auf internationaler Ebene der erste Anhang zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt
(Chigagoer Abkommen) - genannt "ICAO Annex 1 - Personnel Licensing" die Anforderungen an Fluglotsen auf hoher Abstraktionsebene fest. In Annex 1 werden etwa die sogenannten Ratings definiert, die Fluglotsen erhalten können.

Da in Europa aufgrund des liberalisierten Luftverkehrsumfelds in der Flugführung Flugsicherungsdienste von verschiedenen Dienstleistern angeboten werden können (die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH ist etwa ein privates Unternehmen, das mit Aufgaben der Flugsicherung betraut ist), gibt es auch auf europäischer Ebene ein regulatorisches Umfeld zur Flugsicherung, das diesem Umstand Rechnung trägt. Das European Safety Regulatory Requirement 5: ATM Services‘ Personnel (ESARR 5) der European Civial Aviation Conference reguliert etwa die Anforderungen an Flugsicherungsdienstleister und die Aufsichtsbehörde. Zudem wird die Lizensierung von Fluglotsen, Fluglotsenschüler und Ausbildern geregelt. Konkretisiert wird diese Regelung auf europäischer Ebene durch die regulatorische Arbeit von Eurocontrol, die die vorgenannten Aspekte vor allem weiter konkretisiert.

Lernkontrolle
edu sharing object


4. Von der Rechtsgrundlage zur Zulassung

Der Weg zur Erlangung der Zulassung von Luftfahrtgerät wird durch das Luftrecht bestimmt. Je nach Art des Luftfahrtgeräts und dem Zulassungsverfahren bzw. der Ausgangslage können durchaus Unterschiede bestehen.

edu sharing object

Als Ausgangspunkt im Ablauf kann oft die Entwicklung von Luftfahrtgerät aufgefasst werden, die möglichst von Beginn an mit dem Musterprüfprozess zusammen gedacht werden sollte. Die Musterzulassung oder die Zulassung von Änderungen am Muster ist dann im Regelfall die Grundlage (vgl. Applicable Design Data), um die Herstellung von Luftfahrtgerät zu ermöglichen. Eine Verkehrszulassung kann dann in der Regel für Luftfahrtgerät erfolgen, dass über eine Musterzulassung verfügt und ggf. von einem zugelassenen Herstellungsbetrieb entsprechend der Applicable Design Data hergestellt wurde (ggf. Versicherungspflicht und Lärmzeugnis beachten - vgl. § 2 I LuftVG).

Das Luftverkehrsgesetz bietet den groben gesetzlichen Rahmen, von dem insbesondere Vorschriften wie die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) oder die Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät (LuftGerPV) ausgehen. Die LuftVZO stützt sich dabei ein Stück weit auf die LuftGerPV, was die erforderlichen Prüfungen für die Erlangung der Zulassung betrifft.

edu sharing object

Nimmt man die LuftGerPV als Beispiel, so lassen sich etwa die Rahmenbedingungen betrachten, innerhalb derer ein Entwicklungsbetrieb nach EASA Part 21J zugelassen wird und arbeitet. Zentraler Zweck der Verordnung ist die Sicherstellung der "Initial Airworthiness".

edu sharing object

Auf Entwicklungsbetriebe für Luftfahrtgerät verweist die LuftGerPV. Diese grundsätzlich nach EASA Part 21J zu genehmigenden Design Organisations erhalten eine Genehmigung (Design Organisation Approval), wenn sie die formalen und materiellen Anforderungen an einen solchen Betrieb erfüllen.

edu sharing object

In der Praxis durchläuft ein jedes zu prüfendes Muster in einem Entwicklungsbetrieb ein Musterprüfprogramm.

Lernkontrolle

edu sharing object


5. Betriebssicherheit in der Entwicklung - der Musterzulassungsprozess

Der Musterzulassungsprozess ist von großer Bedeutung, da er die Lufttüchtigkeit von Luftfahrtgerät insbesondere in frühen - und damit besonders einflussreichen Phasen - des Lebenszyklus beeinflusst. Nationale Rechtsgrundlagen sind insbesondere die LuftVZO und die LuftGerPV.  


5.1. Ablauf einer Entwicklung aus Zulassungssicht

Die Entwicklung von Luftfahrtgerät muss sich danach richten, dass dieses auch zugelassen werden kann (soweit es einer Zulassung bedarf). Zu Identifizieren sind etwa die relevanten Produkteigenschaften sowie Bau- und Umweltvorschriften. Auf Basis dieser ist ein Musterprüfprogramm festzulegen, das die Nachweisführung erbringt. 


5.2. Produkteigenschaften - Qualifikation & Zulassung

Die Produkteigenschaften bestimmen maßgeblich den Musterzulassungsprozess. Oft handelt es sich um Änderungskonstruktionen, die auf bestehenden Produkten aufbauen. Dies muss etwa im Vergleich zu einer vollständigen Neuentwicklung berücksichtigt werden.

5.3. Relevante Bauvorschriften

Die relevanten Bauvorschriften ergeben sich insbesondere aus den Certification Specifications (CS) der europäischen EASA bzw. aus den entsprechenden Federal Aviation Regulations (FAR) der US-amerikanischen FAA.

edu sharing object

Als zentral können hier die CS-25 und CS-23 gesehen werden, die für viele Flugzeugmuster gelten. Ähnliche Bauvorschriften existieren etwa auch für andere Arten von Luftfahrzeugen (z.B. Helikopter) oder für Flugmotoren. Hinsichtlich der Umweltvorschriften ist hier das EASA-Vorschriftenwerk für die Lärmvorschriften stellvertretend dargestellt.


5.4. Musterprüfprogramm

Das Musterprüfprogramm legt den Ablauf fest, der von den Bau- & Umweltvorschriften sowie den Spezifikationen und Konstruktionsvorgaben zur Zulassung führen soll. Es muss im Einklang mit einem entwicklungsbetrieblichen Qualitätssystem stehen, das die Einhaltung des Musterprüfprogramms überwacht. Das Musterprüfprogramm umfasst dann etwa die Durchführung von Tests & Analysen sowie die Nachweisführung und deren Überprüfung. 

5.5. Nachweisführung

Die Nachweisführung dient etwa dazu, nachzuweisen, dass durch die im Musterprüfprogramm festgelegten Tests & Analysen die Lufttüchtigkeit für das Muster sichergestellt werden kann. Sie hat letztlich insbesondere die Zulassung und die Ausstellung der entsprechenden Zulassungsgurkunde (insbesondere des Type Certificate oder Supplemental Type Certificate) zum Ziel.

5.6. Musterzulassung

Die Musterzulassung erfolgt mit der Ausstellung einer Zulassungsurkunde. Dies kann eine (klassische) Musterzulassung (Type Certificate - TC) nach Part-21 Abschnitt (Subpart) B sein oder beispielsweise auch eine Ergänzung zu Musterzulassungen (Supplemental Type Certificate - STC) nach Part-21 Abschnitt (Subpart) E sein. Schon aus der Aufzählung von § 2 I LuftVG ergibt sich die Wichtigkeit der Musterzulassung als Ausgangspunkt für die Zulassung eines konkreten Luftfahrzeugs zum Luftverkehr.

5.7. Lernkontrolle

edu sharing object


6. Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit - Wartungs- & Instandhaltungsprozess

Der Instandhaltung kommt eine wichtige Rolle zu (vgl. Luftfahrttechnische Betriebe). Zur "Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit" oder "Continuing Airworthiness" bedarf es geeigneter Wartungs- & Instandhaltungsprozesse bei den Part-145 bzw. MRO-Betrieben.

Eine systematische Herangehensweise an das Thema Instandhaltung bietet beispielsweise der sogenannte MSG-3 Prozess.

Lernkontrolle

edu sharing object