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3. Fluggerät & Flugzeugsysteme

Website: Hamburg Open Online University
Kurs: Up in the Air - Luftfahrttechnik aus neuen Perspektiven
Buch: 3. Fluggerät & Flugzeugsysteme
Gedruckt von: Gast
Datum: Mittwoch, 4. Dezember 2024, 09:42

1. Überblick

Fluggerät, Flugvehikel oder Luftfahrzeug - es gibt viele Begriffe, die ein Konzept umschreiben, ohne dessen Verwendung sich ein Mensch nicht kontrolliert in der Luft bewegen kann. Damit ein Fluggerät kontrolliert fliegen kann, wird es mit Systemen ausgerüstet (zum Beispiel ein Antriebssystem, ein Flugsteuerungssystem, ein Navigationssystem, o. ä.). Die eingerüsteten Systeme haben für das Gesamtsystem Fluggerät eine große Bedeutung.

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Von großer Bedeutung in der Beschäftigung mit Fluggeräten und Flugzeugsystemen sind die Flugleistungen sowie Aspekte von Sicherheit und Zuverlässigkeit. Insbesondere wenn Defekte an Systemen auftreten, kann dies die Flugsicherheit beeinträchtigen.

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2. Historische Entwicklung Teil 2

Fortsetzung von dem Thema Lufttransportsysteme. 

Wie aus Unterkapitel 5. Fluggerät (Einführung) bekannt sein sollte, setzte man in der Luftfahrt zunächst auf Luftfahrzeuge leichter als Luft (Montgolfière).

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Dann beschäftigte man (insbesondere Sir George Cayley) sich intensiver mit dem Prinzip des Fliegens schwerer als Luft und damit auch erstmals mit den Systemen, die ein Fluggerät dafür braucht (Flugsteuerung). Das Prinzip des Vogelflugs (und des Motorflugs mit Propellerantrieb) wurde dann von Lilienthal, Weißkopf und den Brüdern Wright um das Jahr 1900 praktisch umgesetzt.

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Im 1. Weltkrieg (1914 bis 1918) wurden die dann immer zahlreicher hergestellten Flugzeuge erstmals als Waffen eingesetzt, wobei man deren Nutzung noch als recht primitiv bezeichnen kann.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das erste Ganzmetallflugzeug der zivilen Luftfahrt, die Junkers F 13 gebaut. Diese gehen einher mit der Gründung der (ersten) IATA.

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  • Erstflug: Juni 1919
  • Indienststellung: 1919 / 1920
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Asymmetrisches Tragflügelprofil
      • Praktisch keine Pfeilung
      • Marginal positive V-Stellung
    • 1 Propeller am Bug (Zugpropeller) angetrieben von R6-Motor
    • Spornradfahrwerk, feststehend
  • Reisegeschwindigkeit: 140km/h - 198km/h = 38,9m/s - 55m/s
  • Reichweite: 925km - 1400km
  • Dienstgipfelhöhe: 4,6km - 5,5km
  • MTOM: 1,47t - 2,318t
  • Länge: 9,59m - 10,5m
  • Spannweite: 14,8m - 17,75m
  • Besonderheiten: Erstes ziviles Ganzmetallflugzeug
  • Gebaute Exemplare: Ca. 320 (1919 - 1932)
Der 2. Weltkrieg (1939 bis 1945) warf die zivile Luftfahrt weit zurück. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass die bereits ante bellum bestehende (erste) IATA gegen Kriegsende neu gegründet werden musste (zweite IATA). Ein Sprichwort sagt, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Angesichts der zig Millionen Todesopfer und beispielloser Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie dem Holocaust, ethnischer Säuberungen und der Vertreibung von Millionen von Menschen scheint es kaum vorstellbar, dieser Katastrophe etwas Positives abzuringen. Von einer rein technischen Perspektive muss man ohne politische Wertung jedoch anerkennen, dass verschiedene Kriegsparteien dazu beigetragen haben, Neuentwicklungen für die Luftfahrt beizusteuern. Einen Meilenstein markiert hier die Messerschmitt Me 262.

Messerschmitt Me 262 ("Schwalbe"):
  • Erstflug: 1941 (Mit Propeller) / 1942 (mit Strahltriebwerk)
  • Indienststellung: 1944
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Dünnes Tragflügelprofil (Leitwerk ebenso)
      • Signifikante Pfeilung (Tragflügel und Leitwerk)
    • 2 Strahltriebwerke (Junkers Jumo 004) unter den Tragflächen (je ca. 9kN Schub)
    • Bug- & Hauptfahrwerk einziehbar
  • Reisegeschwindigkeit: 870km/h - 900km/h = 242m/s - 250m/s
  • Reichweite: 1050km
  • Dienstgipfelhöhe: 11,45km - 12,2km
  • MTOM: 4,6t - 7,13t
  • Länge: 10,6m
  • Spannweite: 12,48m - 12,65m
  • Besonderheiten: Erstes Turboluftstrahl-getriebenes Serienflugzeug der Welt
  • Gebaute Exemplare: Ca. 1430 (1943 - 1945)
Die Me 262 trug damit technologisch zur Entwicklung von zivilen Flugzeugen mit Strahltriebwerken bei, die grundsätzlich ähnlich konfiguriert sind.

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  • Erstflug: 1949
  • Indienststellung: 1952
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Mitteldickes Tragflügelprofil (Leitwerk ebenso) (Tragflügelwurzel: NACA 63A116 mod, Tragflügelspitze: NACA 63A112 mod) t/c = 12% - 16%
      • Signifikante Pfeilung (Tragflügel 20° und Leitwerk ähnlich)
    • 4 Strahltriebwerke integriert in Tragflügeln nahe der Tragflügelwurzeln (je 22,2kN - 47kN Schub)
    • Bug- & Hauptfahrwerk einziehbar
  • Reisegeschwindigkeit: 725km/h - 900km/h = 201m/s - 250m/s
  • Reichweite: 2400km - 6900km
  • Dienstgipfelhöhe: 12,8km - 14km
  • MTOM: 47,62t - 73,482t
  • Länge: 28m - 35,97m
  • Spannweite: 32,83m - 35m
  • Besonderheiten: Erstes Turboluftstrahl-getriebenes ziviles Serienflugzeug der Welt (erster ziviler Serien-Jet), erster Nonstopflug eines Passagierjets über den Atlantik
  • Gebaute Exemplare: Ca. 120 (1949 -1964)

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Die Comet bediente beispielsweise ab dem Jahr 1952 die Strecke London - Johannesburg und ab 1953 die Route London - Tokio. Am 2. Mai 1953 stürzte eine „Comet“ ab, weitere Abstürze bei ähnlich geringem Dienstalter folgten. Die Flugzeuge zerbrachen in der Luft: Strukturversagen des Rumpfes (Risse an Nietbohrungen im Fensterbereich). Die Strukturtechnologie im Flugzeugbau schien den Belastungen des Flugs mit hohen Geschwindigkeiten und in großen Flughöhen (geringer Umgebungsdruck) noch nicht ganz gewachsen zu sein. Die Belastungen auf die Struktur erwiesen sich als deutlich anders als zuvor bei propellergetriebenen Verkehrsflugzeugen.

Auch Propellerflugzeuge wurden nach dem 2. Weltkrieg noch viele Jahre weiter produziert oder sogar neu entwickelt. Pars pro toto für post bellum Propellerflugzeuge kann die Lockheed Super Constellation stehen. Sie basiert auf dem Grundgerüst der seit 1943 fliegenden Lockheed Constellation.

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Lockheed Super Constellation ("Super-Connie"):
  • Erstflug: 1950 / 1951 (1943 Erstflug der Lockheed Constellation)
  • Indienststellung: 1951
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Mitteldickes Tragflügelprofil (Tragflügelwurzel: NACA 23018; Tragflügelspitze: NACA 4412) - t/c = 12% - 18%
      • Praktisch keine Pfeilung
    • 4 Propeller an Tragflügel-Vorderkante angetrieben von 18-Zylinder-Doppelsternmotoren
    • Bug- & Hauptfahrwerk einziehbar
  • Reisegeschwindigkeit: 482km/h - 606km/h = 134m/s - 168m/s
  • Reichweite: 6486km - 8290km
  • Dienstgipfelhöhe: 7,05km - 7,8km
  • MTOM: 54,431t - 62,37t
  • Länge: 34,6m
  • Spannweite: 37m - 37,5m
  • Besonderheiten: Erstes großes Langstrecken-Passagierflugzeug der Lufthansa nach dem 2. Weltkrieg
  • Gebaute Exemplare: Ca. 860 Exemplare der Constellation-Baureihe insgesamt, davon ca. 260 zivile Super Constellations (letztere im Zeitraum 1951 - 1958; Constellation: 1943 - 1951)
Der Boeing 707 gelang es, den vergleichsweise schlechten Ruf von frühen Passagierjets (der auch zumindest teilweise auf die zahlreichen Flugunfälle vergleichsweise neuer Comets zurückzuführen sein dürfte) zu verbessern. Auch sind die Stückzahlen dieses Flugzeugmusters mit 1010 Exemplaren (707 und 720-Varianten summiert) für damalige zivile (Langstrecken-)Verkehrsflugzeuge beachtlich. Auch ist die Boeing 707 das erste Verkehrsflugzeug, dass optisch (abgesehen von den Triebwerksgeometrien) kaum von Verkehrsflugzeugen zu unterscheiden ist, die um die Jahrtausendwende noch hergestellt oder sogar neu entwickelt wurden.

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  • Erstflug: 1954 (Vorläufermodell) / 1957 (Variante 707-100)
  • Indienststellung: 1958
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Relativ dünnes Tragflügelprofil
      • Signifikante Pfeilung (35°)
    • 4 Strahltriebwerke unter den Tragflügeln (Turbojets oder Turbofans mit je ca. 60kN - 85kN Schub)
    • Bug- & Hauptfahrwerk einziehbar
  • Reisegeschwindigkeit: 885km/h - 1009km/h (ca. Mach 0,83 - Mach 0,84)
  • Reichweite: 5600km - 9700km
  • Dienstgipfelhöhe: 11,89km - 12,8km
  • MTOM: 72,6t - 151,32t
  • Länge: 39,02m - 46,61m
  • Spannweite: 39,63m - 44,42m
  • Besonderheiten: Weitestgehende "Definition" der Form von modernen Verkehrsflugzeugen und Übernahme zahlreicher Technologien von diesem Muster in den Folgejahrzehnten, Beginn der Marktführerschaft Boeings, allerdings sehr laute Turbojet-Triebwerke (aufgrund hoher Austrittsgeschwindigkeit des Abgasstrahls aus der Turbine)
  • Gebaute Exemplare: 1010 (verschiedene Varianten eingeschlossen) in den Jahren 1957 - 1982 (zivil) und bis 1991 noch in militärischen Varianten (z.B. E-3 "Sentry", C-135, etc.)

Auf der Boeing 707 basieren auch zahlreiche noch heute militärisch genutzte Flugzeugmuster, die als fliegende Radarstationen oder als Tankflugzeuge eingesetzt werden.

Im Jahre 1964 ging die Boeing 727 in Dienst. Dieses Verkehrsflugzeug, dass die 707 auf kürzeren Strecken ergänzen sollte und von diesem zahlreiche Teile der Rumpfstruktur und des Cockpits übernahm, wurde dicht gefolgt von der (ebenfalls 3-strahligen) McDonnell Douglas DC-10 (Erstflug im Jahr 1970, Indienststellung bei American Airlines im Folgejahr). Lockheed stellte 1972 die L-1011 TriStar in Dienst. Die "Ten-Eleven" war damit Lockheeds 3-strahliges Verkehrsflugzeug.

Etwa zeitgleich löste die Boeing 747 schrittweise die 707 ab. Dies lag vor allem daran, dass die ebenso wie die 707 vierstrahlig aufgebaute 747 deutlich mehr Passagiere und Fracht mitnehmen konnte (Macro-Body). Bis heute wurde die 747-Baureihe von Boeing immer wieder überarbeitet und es existieren zahlreiche Varianten (fliegende Teleskope, Frachter, Träger für Space Shuttles, Regierungsmaschinen (VC-25 "Air Force One", Varianten der 747-400 für Regierung sowie Kaiser von Japan), etc.). In der Variante 747-8 ist die Boeing 747 mit 76,3m bis zur Indienststellung der Boeing 777-9 das längste Passagierflugzeug der Welt.

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Die Zeit der Wide-Body-Flugzeuge wurde im Jahr 1972 mit dem Airbus A300 (und dessen Derivaten) als erstem zweistrahligen Großraumflugzeug der Welt eingeläutet.

Airbus A300:
  • Erstflug: 1972
  • Konfiguration:
    • Klassische Flügel-Rumpf-Konfiguration
    • Tiefdecker
    • Tragflügeleigenschaften:
      • Mitteldickes Tragflügelprofil
      • Signifikante Pfeilung
    • 2 Strahltriebwerke unter den Tragflügeln (Turbofans)
    • Bug- & Hauptfahrwerk einziehbar
  • Reisegeschwindigkeit: 780km/h - 890km/h (ca. Mach 0,82) (Variante A300-600)
  • Reichweite: 1700km - 7500km (Variante A300-600)
  • Dienstgipfelhöhe: 12,2km (Variante A300-600)
  • MTOM: 155t - 171,7t (Variante A300-600)
  • Länge: 54,08m - 54,16m (Variante A300-600)
  • Spannweite: 44,84m
  • Besonderheiten: Weitestgehende "Definition" der Form von modernen Verkehrsflugzeugen und Übernahme zahlreicher Technologien von diesem Muster in den Folgejahrzehnten, Beginn der Marktführerschaft Boeings, allerdings sehr laute Turbojet-Triebwerke (aufgrund hoher Austrittsgeschwindigkeit des Abgasstrahls aus der Turbine)
  • Gebaute Exemplare: 561 Airbus A300, zusätzlich diverse Ableger mit insgesamt über 2000 Exemplaren
Der Airbus A300 und dessen Ableger sind heute noch weit verbreitet. Ältere Muster der Flugzeugfamilie werden oft als Frachter eingesetzt.

Das Jet-Zeitalter erlebte dann ab den 1970er Jahren eine Phase, in der ziviler Überschallflug möglich war. Die Concorde und die Tupolew Tu-144 "Charger" konnten dank rund doppelter Schallgeschwindigkeit (bis zu etwa Mach 2 bis Mach 2,23 beziehungsweise etwa 2120 bis 2500km/h - abhängig von Flughöhe / Druck) Ozeane in nur wenigen Stunden überqueren. Beide Muster verfügen über Deltaflügel und waren so konsequent auf den Überschallflug optimiert. Der Erstflug war bereits in den Jahren 1968 (Tu-144) beziehungsweise 1969 (Concorde) erfolgt. Nicht nur hinsichtlich der maximalen Fluggeschwindigkeit, sondern auch hinsichtlich der Länge (etwa 62m Concorde und 65,7m Tu-144), der Spannweite (etwa 26m beziehungsweise 28,8m), der maximalen Abflugmasse (etwa 190t beziehungsweise etwa 200t) und der Reichweite (etwa 7000km beziehungsweise etwa 6000km) sind beide Muster sehr ähnlich. Die Tu-144 war geringfügig größer und massereicher als die Concorde, hatte dafür jedoch eine etwas geringere Reichweite. Die Anfälligkeit einiger der eingesetzten Technologien für äußere Störungen, technisches Versagen aus den Systemen heraus oder auch der teilweise hohe Wartungsaufwand und betriebliche Aspekte führten ebenso zu Zweifeln an der Sinnhaftigkeit zivilen Überschallflugs wie die damit verbundenen Flugunfälle (insbesondere der Absturz einer Concorde nach dem Start in Paris am Flughafen Charles-de-Gaulle im Juli 2000). Im Oktober 2003 erfolgte daher der letzte kommerzielle Flug der Concorde. Die Tu-144 war bereits im Jahr 1999 außer Dienst gestellt worden. Tupolew baute 14 Einheiten im Zeitraum 1967 bis 1983 und Aerospatiale / BAC beziehungsweise deren Nachfolger fertigte von 1965 bis 1979 20 Einheiten, von denen 6 nicht in den kommerziellen Lufttransport eingingen.

Im Jahr 1988 absolvierte die Antonow An-225 „Mrija“ (Cossack) ihren Erstflug und ging ein Jahr später in Dienst. Das Muster hält verschiedene Rekorde für Masse und Volumen von transportierter Luftfracht und kann ähnlich wie spezielle Varianten der Boeing 747 auch Raumfähren (Buran) tragen. Das Flugzeug ist mit 84m Länge das längste Luftfahrzeug der Geschichte und gilt zudem als massereichstes Luftfahrzeug der Geschichte (mit einem MTOM von 640t rund 70t mehr als Airbus A380-800). Die Spannweite beträgt 88,4m. Die Dienstgipfelhöhe liegt bei 11km und die Reise- beziehungsweise Höchstgeschwindigkeit bei 800km/h beziehungsweise 850km/h. Die Überführungsreichweite liegt bei 15400km, reduziert sich jedoch bei maximaler Zuladung auf nur 2500km. Das Flugzeug ist dabei nicht für den Passagiertransport sondern ausschließlich für den Frachttransport vorgesehen. Es wurden 2 Exemplare geplant, jedoch befindet sich nur 1 in Betrieb.

In den Jahren 1991 / 1992 stellte Airbus aufbauend auf den Erfahrungen und den Technologien der A300-Serie den Airbus A340 vor. Die Indienststellung erfolgte im Jahr 2003 bei Lufthansa und Air France. Dem Erstflug des A340-200 folgte dann rund 9 Jahre später im März 2001 der Erstflug des A340-600. In den -500er und -600er-Varianten handelte es sich zeitweise um das geometrisch längste (bis zu 75,36m im Falle des A340-600) und bezogen auf die Flugdauer und Reichweite (10927km bis 16700km bei typischer Beladung) ausdauerndste zivile Passagierflugzeug und zivile Serienflugzeug seiner Zeit. Der A340-200 ist hingegen "nur" etwa 59,4m lang. Es handelt sich durch die Weiterentwicklung der A300-Serie um ein modularisiertes Flugzeugmuster. Durch Anfügen von Segmenten zur Rumpfverlängerung hat sich ganze eine Twin-Aisle Wide-Body Flugzeug-Familie bei Airbus etabliert. Auch die Spannweite der Tragflügel variiert zwischen 60,3m (-200 und -300) und 63,45m (-500 und -600). Die maximale Abflugmasse beginnt bei etwa 257t (A340-200) und wurde auf bis zu 380t (A340-600HGW) gesteigert und die Reise- beziehungsweise Höchstgeschwindigkeit liegt ungefähr bei Mach 0,82 bis 0,86 (etwa 871km/h bis 914km/h - abhängig von Flughöhe / Druck). Die Dienstgipfelhöhe liegt für alle Varianten bei etwa 12,6km. 210 (A340-200 mit großzügiger Bestuhlung) bis 440 Passagiere (A340-600 in Maximalbestuhlung) konnten - und können noch heute - mit dem Airbus A340 reisen. Im Jahr 2011 endete die Produktion des Airbus A340 nach rund 380 Einheiten.

Im Jahr 1995 scheiterten die Verhandlungen über ein neues Großraumflugzeug zwischen Airbus und Boeing. 1999 einigten sich die Airbus-Partner daraufhin auf das Projekt A3XX. Bereits 1 Jahr später gingen die ersten Bestellungen ein. Erste Produktions- / Montageprozesse liefen wohl im Jahr 2003 an. Im Januar 2005 rollte der A380 dann erstmals über das Werksgelände, 3 Monate später folgte der Jungfernflug. Die Erstauslieferung an Singapore Airlines verzögerte sich vom Juni 2006 auf den Oktober 2007. Seitdem ist der Airbus A380 das einzige 4-stahlige Großraum-Langstreckenflugzeug mit zwei durchgehenden Passagierdecks. Es ist also nicht bloß als Wide-Body, sondern als Macro-Body einzuordnen. Mit einer Kapazität von bis zu etwa 900 Passagieren (typischerweise etwa 538 bis 558 Sitze installiert) und einer Spannweite von etwa 79,8m ist es nach diesen Kriterien das größte in Serie produzierte Flugzeug aller Zeiten und das größte Passagierflugzeug aller Zeiten. Durch Entfall der -900er-Variante liegt die Länge bei etwa 72,7m und nicht bei den geplanten bis zu 79,4m. Die maximale Abflugmasse beträgt 569t (A380-800) bis 590t (Frachtervariante beziehungsweise nicht realisierte -900er-Variante) und die Reichweite 10400km bis 15200km (je nach Konfiguration als Passagier- oder Frachtflugzeug) bei einer Geschwindigkeit von den heute auf der Langstrecke üblichen Mach 0,85 bis 0,9 beziehungsweise etwa 850km/h bis 977km/h (abhängig von Flughöhe / Druck) für alle angedachten Varianten. Die Dienstgipfelhöhe beträgt zeitgemäß etwa 13km bei allen angedachten Varianten. Im Jahr 2021 endete die Fertigung für diesen Flugzeugtyp nach rund 270 Einheiten.

Boeing 787 "Dreamliner": In den Jahren 2007 bis 2009 begann Boeing mit der Produktion eines deutlich effizienteren 2-strahligen Nachfolgers für die in die Jahre gekommene ebenfalls 2-stahlige Baureihe 767. Das neue Muster sollte ein auf der Langstrecke (und ggf. auch auf der Mittelstrecke) hochgradig flexibel einsetzbarere Twin-Aisle Wide-Body sein, weshalb es (wie schon die 767) kleiner ausfällt als die 747 (oder 777). Die Länge variiert je nach Version zwischen 56,7m (787-8) und 68,3m (787-10) und die Tragflügelspannweite liegt bei 51,9m (nur bei Kurzstrecken-Variante 787-3, diese wird voraussichtlich nicht umgesetzt) beziehungsweise bei 60,12m für alle anderen Varianten. Der Erstflug erfolgte noch im Jahr 2009 und die Indienststellung erfolgte im Jahr 2011. Bis zum Frühjahr 2021 wurden fast 1000 Exemplare gebaut. Die Reichweite beträgt je nach Variante etwa 4650km (Variante-3 wird voraussichtlich nicht umgesetzt) bis 16300km. Pro Passagier sollen auf 100km bei allen Varianten nur rund 2,5l Kerosin verbraucht werden (ältere Flugzeugmuster liegen teils beim Doppelten dieses Wertes). Die Dienstgipfelhöhe beträgt bei allen Varianten heutzutage übliche 12,5km bis 13,1km und die Höchstgeschwindigkeit ebenso übliche Mach 0,85 bis Mach 0,9 beziehungsweise etwa 903km/h bis 977km/h (abhängig von Flughöhe / Druck). Die maximale Abflugmasse liegt bei 227,93t (787-8) bis 254,011t (-9 und -10), sofern Boeing von der Kurzstrecken-Version 787-3 mit MTOM = 170,097t weiterhin absieht. Die Anzahl der Sitzplätze liegt bei 242 (787-3 in typischer Bestuhlung) bis 440 (787-10 in Maximalbestuhlung).

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Im Jahr 2013 absolvierte der 2-strahlige Twin-Aisle Wide-Body Airbus A350 XWB seinen Erstflug. Spätestens seit dem Jahr 2014 läuft die Serienproduktion (Vorserie wohl seit dem Jahr 2010 in Produktion) und von 2015 bis zum Frühjahr 2021 wurden nunmehr etwa 400 Exemplare dieses 2-strahligen Großraumflugzeugs für die Langstrecke in Dienst gestellt. Der erste Entwurf des Airbus A350 basierte noch stark auf dem Airbus A330, ein Re-Design aufgrund von Kundenbeschwerden und der Konkurrenz zur neuartigen Boeing 787 "Dreamliner" führte zur Umbenennung in A350 XWB. Bei diesem neuen Flugzeugmuster von Airbus wurden zahlreiche neue Technologien (inklusive der umfangreichen Verwendung von Verbundwerkstoffen) eingesetzt. Die Reichweite der Variante A350-900ULR beträgt mit typischer Passagierzahl rekordverdächtige 17960km. Andere Varianten des Airbus A350 XWB erreichen Reichweiten von 9250km (A350-900F) bis 16100km (A350-1000). Als Dienstgipfelhöhe sind (wie heutzutage üblich) 12,6km bis 13,1km für alle Versionen zu verzeichnen und die Reise- beziehungsweise Höchstgeschwindigkeit liegt im heutzutage für Passagierflugzeuge für die Langstrecke üblichen Intervall von Mach 0,85 bis Mach 0,9 beziehungsweise bei 903km/h bis 977km/h für alle Varianten (abhängig von Flughöhe / Druck). Die maximale Abflugmasse liegt bei 248t (A350-800) bis 316t (A350-1000). Die Länge ist mit 60,6m (A350-800) bis 73,79m (A350-1000) moderat bis großzügig und die Tragflügelpannweite liegt für alle Varianten bei 64,75m. Die Anzahl der Sitzplätze liegt bei 270 bis 369. Bis zum Frühjahr 2021 wurden rund 410 Exemplare gebaut.

Die Scaled Composites Model 351 Stratolaunch, auch Roc genannt, vollführte (bislang als Einzelstück) im Jahr 2019 den Erstflug. Es ist das Flugzeug mit der größten jemals umgesetzten Tragflügelspannweite (117m). Es gilt auch als das Flugzeug mit dem größten jemals an einem Flugzeug installierten Triebwerksschub von 1454,4kN aus insgesamt 6 Turbofan Triebwerken. Für den zivilen Luftverkehr ist es ohne weitere Bedeutung, da es speziell als Plattform für Raumfahrtanwendungen eingesetzt werden soll. Die Länge beträgt 73m, die maximale Abflugmasse 590t und die Dienstgipfelhöhe 11km.

Die Boeing 777-9 ist mit 76,7m (Boeing 777-8: 69,8m) zukünftig wohl des längste Passagierflugzeug aller Zeiten. Auch die Spannweite von 71,8m (-8 und -9) liegt nur geringfügig unter der des Airbus A380. Der Erstflug erfolgte im Januar 2020. Die Indienststellung dieser Neuauflage von Boeings Twin-Aisle Wide-Body-Klassiker 777 ("Triple-Seven") als "777X" mit den Versionen "-8" und "-9" ist für das Jahr 2023 geplant. Die Produktion ist bereits 2017 angelaufen. Da das Flugzeug 2-strahlig ist, benötigt die Boeing 777-9 das schubstärkste jemals für ein Verkehrsflugzeug gebaute Triebwerk - das 
GE9X: The World’s Biggest Fan of Ice | GE Aviation

General Electric GE-9X - mit bis zu 597,4kN Schub eines einzelnen Triebwerks. Im realen Betrieb soll der Nennschub des Turbofans "nur" 453,7kN betragen. Die maximale Abflugmasse beträgt 351,5t bis 352,4t (-8 und -9) und die Reichweite bis zu 16170km (777-8) beziehungsweise bis zu 13960km (777-9). Die Anzahl der Sitzplätze liegt bei 365 (typische Bestuhlung 777-8) bis 414 (typische Bestuhlung 777-9).

"Erste 50 Jahre" der Luftfahrtentwicklung (hier etwa 1918 - etwa 1968)
  • Erhebliche Performanceverbesserungen von Muster zu Muster 
  • Einsatz von Strahltriebwerken --> vormals unerreichte Reisegeschwindigkeiten

Letzte 50 Jahre (hier etwa 1968 - etwa 2018)
  • Performancegrenzen schrittweise erreicht
  • Reisegeschwindigkeit nahe transsonischem Bereich
  • Sitzplätze: mit derzeitigen Konfigurationen ~ max. 850 Personen (A380-800)

Nächste 50 Jahre (bis etwa 2068)?
  • Neuartige Konzepte / Technologien zur weiteren Performancesteigerung?
  • Gewisse Performancereduktion für bessere Klimaverträglichkeit / Emissionen / Lärm?
  • MEA - More-Electric Aircraft (und All-Electric Aircraft?)

Was ist die Lehre / was wurde erreicht?

Flugreisen sind massentauglich geworden. Inzwischen kann sich in vielen Ländern / Regionen die breite Bevölkerung regelmäßig eine Flugreise (soagar einen Langstreckenflug) leisten. Dies ist auf eine drastische Senkung der Kosten pro Sitzmeile in den letzten etwa 60 Jahren zurückzuführen. Von den 1930er Jahren (zum beispiel Douglas DC-2) bis in die 1950er Jahre (zum beispiel Douglas DC-6-Familie oder Douglas DC-7C) konnten die relativen Sitzmeilenkosten auf etwa 35% des Ausgangswerts gesenkt werden (also mehr als halbiert). Die Einführung von Strahlflugzeugen schien das fliegen zunächst teurer zu machen ("Comet"), doch dieser Effekt hielt nicht lange an. Auch bei Strahlflugzuegen verringerten sich bald die relativen Sitzmeilenkosten signifikant. Schon die Boeing 707 oder die Douglas DC-8 hatten deutlich geringere Betriebskosten als die Comet, was Propellerflugzeuge auf der Langstrecke bald verdrängte. Bei einem A340-300 betugen in den 1990er Jahren die Kosten wiederum nur noch etwa die Hälfte derer von 707 und DC-8 in den 1960er Jahren. Ganz nebenbei ist Fliegen dabei sicherer geworden, als eine Treppe in einem Wohnhaus zu benutzen...

Welche Flugzeugbaureihen brauchen bald Nachfolger?

Mit der A320neo-Familie (in den 2010er Jahren aufgelegt) auf der Kurz- und Mittelstrecke und der frisch modernisierten A330neo-Baureihe sowie dem A350 XWB (ebenfalls in den 2010er Jahren in Dienst gestellt) und dem erst im Jahr 2021 aus der Produktion auslaufenden A380 ist Airbus kurz- bis mittelfristig in einem breiten Größen- und Reichweitensegment gut am Markt platziert. Mit der CSeries beziehungsweise der A220-Baureihe ist auch unterhalb der A320-Familie eine Produktreihe hinzu gekommen. Sofern nicht wider erwarten ein starker Nachfrageanstieg im Bereich Macro-Body entsteht, ist ein vollwertiger Nachfolger für die A330-Baureihe mittel- bis langfristig bei Airbus wohl am wichtigsten. Ob dieser neuartige Antriebskonzepte (zum Beipiel einen turbo-elektrischen Antriebsstrang) beinhalten wird, lässt sich natürlich noch nicht zuverlässig voraussagen. Ein solches Flugzeugmuster könnte um das Jahr 2028 in Dienst gehen.

Bei Boeing rückt durch die um das Jahr 2020 erfolgende Überarbeitung der 777, die bereits erfolgte Überarbeitung der 737 in Form der 737 Max (in den 2010er Jahren) und die erst 2011 in Dienst gestellte 787 der Fokus zunächst auf die seit dem Jahr 1970 in Dienst befindliche Baureihe 747. Wie groß der Bedarf an Macro-Body Flugzeugen mittelfristig sein wird, ist sehr schwierig abzuschätzen. Von daher wäre auch ein Wiederaufleben von verworfenen Varianten wie der 787-3 denkbar, ebenso wie andere unkonventionelle Konzepte im Kurz- bis Mittelstreckensegment - womöglich turbo elektrisch, falls dies wirtschaftlich für die Fluggesellschaften zukünftig Sinn zu ergeben scheint.

Weitere Aspekte moderner Verkehrsflugzeuge der neuesten Generation werden aufbauend auf dem Exkurs durch die Historie der Luftfahrzeuge - wie in einem klassischen Hochschulstudium üblich - in einem Lehrkonzept vermittelt, dass sich auf Lehreinheiten in Präsenzlehre stützt.


3. Die Transportaufgabe formt das Fluggerät

Durch Skalierungseffekte gilt insbesondere: Die Transportaufgabe bestimmt den Rumpfquerschnitt. Deshalb sind in den letzten Jahrzehnten Korrelationen zwischen Reichweite und Flugzeuggröße zu beobachten.

Während die Boeing 707 einst als Langstreckenflugzeug geplant wurde und in ihrem Zeitalter auch geometrisch als verhältnismäßig groß galt, ist heute nicht nur die Reichweite, sondern auch die Größe des Flugzeugs nicht mehr am oberen Rand des Spektrums angesiedelt. Vielmehr haben Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge Geometrien von der Boeing 707 übernommen und der Langstreckenmarkt wurde vor allem von der Boeing 747 als Macro-Body erobert.

Inzwischen drängen auch wieder mehr mittelgroße Flugzeuge mit "normalen" Wide-Body Querschnitten statt Macro-Body Rümpfen auf den (Ultra-) Langstreckenmarkt. Es bestehen erhebliche Wechselwirkungen mit der Triebwerkstechnik. Der Trend der 2010er Jahre ging hin zu 2-strahligen Wide-Body Flugzeugen mit Triebwerken mit ultra-hohen Nebenstromverhältnissen (Bypass Ratios - BPR) in der Größenordnung von 9 und Gesamtdruckverhältnissen (Overall-Pressure-Ratios - OPR) von etwa 58.

Wie viele Passagiere und wie viel Fracht bei gegebenem Rumpf mitgeführt werden kann hängt natürlich auch vom "Innenausbau" (alsod er Kabine) ab. Dabei werden klassischerweise 3 Sitzklassen unterschieden.

Diese sind in absteigender Ordnung von Qualität und Preis:
  • First Class (FC)
  • Business Class (BC)
  • Economy Class (YC)
Ein Klassisches Beispiel sei anhand eines Airbus A340-300 (also einem in der 1990er Jahren in Dienst gestellten Langstreckenflugzeug gezeigt):
  • 3-Klassen: 250 - 295 Sitze (z.B.: 18 FC + 81 BC + 196 YC = 295 Gesamt)
  • 3-Klassen-Kombi: z.B.: 221 Sitze (12 FC + 51 BC + 158 YC) + 4 Container im Heckbereich des Passagierdecks
  • 2-Klassen: z.B.: 30 FC + 305 YC = 335 Gesamt
  • 1-Klassen-Bestuhlung: Max. 375 (normale Türen) bzw. 440 (angepasste Türen wegen Evakuierungsvorschriften) alle YC (Long Range Charter)
In der sogenannten Kombi-Konfiguration (der Vergleich mit der Bauform des "Kombinationskraftwagens" im Pkw-Markt erübrigt sich wohl) wurde also nicht nur der Belly (Frachtbereich / Bauch / Unterdeck), sondern auch der hintere Teil des Passagierdecks zur Frachtbeförderung genutzt. Das Konzept scheint in den letzten Jahrzehnten an Attraktivität eingebüßt zu haben.

Grundsätzlich lassen sich Effekte wie sinkender Anteil der YC bei steigender Streckenlänge, etc. über Flugzeugmuster und Fluggesellschaften übergreifend beobachten. Einige der Werte in der Darstellung sind in Zoll beziehungsweise inch respektive die Streckenlängen in Seemeilen angegeben.

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Die zulässige Sitzplatzanzahl in einem Flugzeugmuster ist oft durch die Vorschriften zu den Türen oder andere Vorschriften zum Thema Evakuierung limitiert. Zum Thema Kabine gibt es weitere Inhalte in der Präsenzlehre dieses Moduls.


4. Flugphysik (Einführung)

Erinnern wir uns an den Aufbau der Erdatmosphäre, die die aerodynamischen und flugmechanischen Eigenschaften von Fluggeräten bestimmt:

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Im für den Unterschallluftverkehr relevanten Höhenbereich gilt die Standardatmosphäre.

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Kräftegleichgewicht im Reiseflug oder "Warum fliegt ein Flugzeug? (Teil 1)"

Der stationäre Reiseflug ist wohl der einfachste denkbare Flugzustand. Das Flugzeug fliegt unbeschleunigt ohne die Höhe zu verändern oder eine Kurve zu fliegen einfach geradeaus. In diesem Zustand gilt das Kräftegleichgewicht für unbeschleunigte Körper nach Isaac Newton. Etwas mehr verrät der englischsprachige Ausdruck "4 forces of flight" - die 4 Kräfte des Fliegens.

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An einem Flugzeug greift wie an jedem massebehafteten Körper die Schwerkraft an. Diese äußert sich als eine Kraft in Richtung des Erdmittelpunkts (Gewicht). Dieses muss durch einen Auftrieb ausgeglichen werden, der im einfachsten Flugzustand exakt gleich groß wie das Gewicht und diesem entgegen gerichtet ist. Um den Auftrieb zu erzeugen, muss sich ein Flugzeug (anders als etwa ein Hubschrauber) durch die Luft bewegen, da die Tragflügel nur dann Auftrieb erzeugen, wenn sie von Luft umströmt werden (ein Hubschrauber löst dies über die auch im Schwebeflug ständig umströmten Rotorblätter). Wird das Flugzeug von Luft umströmt, entsteht jedoch auch ein strömungsmechanischer Widerstand (der sich auf verschiedenste Effekte zurückführen lässt und auch von der Auftriebserzeugung abhängt). Dieser wird abermals durch eine gleich große aber entgegengerichtete Kraft ausgeglichen: Den Schub.

Also vereinfacht wird der stationäre Flugzustand erreicht, wenn:
  • Auftrieb = Gewicht
  • Schub = Widerstand
Die Auftriebserzeugung an den Tragflügeln fällt in das Fachgebiet der Aerodynamik. Zur Auftriebserzeugung gibt es zahlreiche Mythen, Halbwahrheiten und "urban legends". Eines gilt jedoch sicher: Ein Flügel, der Auftrieb erzeugt, erzeugt Auftrieb, indem der Luftdruck oberhalb des Flügels geringer ist als unterhalb des Flügels. Da Druck mal Fläche eine Kraft bedeutet, entsteht der Auftrieb als Kraft, die an den Tragflügeln angreift. Wie die Druckdifferenz am Flügel erzeugt wird, wird teils auch von vermeintlichen Fachleuten falsch hergeleitet und lässt sich verschieden erklären. Je nach Flügelprofil sind manche Aussagen "mehr oder weniger falsch".

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Ein Schnitt durch einen Tragflügel liefert das Tragflügelprofil, dass viele Aussagen zu den aerodynamischen Eigenschaften eines Tragflügels und ggf. eines ganzen Flugzeugs zulässt.

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Entscheidend ist eine Umlenkung der den Tragflügel umströmenden Luft (vgl. Zirkulation). Diese ist verbunden mit der Impulsdifferenz, die der umströmenden Luft aufgeprägt wird.

Eine Erklärung ausschließlich über verschieden lange Wege der Luft über beziehungsweise unter der Tragfläche ist bestenfalls als unvollständig zu bezeichnen. Kunstflugzeuge oder Jagdflugzeuge mit symmetrischen Flügelprofilen könnten sonst nicht fliegen.

Weitere Themen zu Auftrieb, Widerstand, Tragflügelgeometrien, etc. werden später genauer beleuchtet.

Momentengleichgewicht im Reiseflug oder "Warum fliegt ein Flugzeug? (Teil 2)

Überdies muss um jede der Flugzeugachsen ein Momentengleichgewicht herrschen, damit ein stabiler Gleichgewichtszustand herrscht. Andernfalls würde sich das Flugzeug drehen und in Folge dessen die Flugrichtung ändern.

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Das heißt, dass die
  • x-Achse / Längs- oder Rollachse besteuert werden muss, dies geschieht üblicherweise an den Tragflügeln über:
    • Querruder (Ailerons)
    • Rollspoiler
  • y-Achse / Quer- oder Nickachse besteuert werden muss, dies geschieht üblicherweise am Leitwerk (typischerweise am Heck) über:
    • Steuerung typischerweise über Höhenruder (Elevator)
    • Trimmung typischerweise über Höhenleitwerk (Horizontal Tail Plane / Horizontal Stabilizer)
  • z-Achse / Hoch- oder Gierachse besteuert werden muss, dies geschieht üblicherweise am Leitwerk (am Heck) über:
    • Seitenruder (Rudder)
    • (Differentiellen Schub bei mehreren Triebwerken)

Zu beachten ist, dass eine Trimmung insbesondere um die Nickachse stattfindet und hier eine Abhängigkeit von der Schwerpunktlage besteht. Üblicherweise sind die Steuerflächen für Trimmung beziehungsweise Steuerung um die Nickachse getrennt. Bei größeren Verkehrsflugzeugen ist es dabei üblich, das gesamte Höhenleitwerk zu trimmen (THS - Trimmable Horizontal Stabilizer), während die aktive Steuerung etwa mit dem Steuerhorn üblicherweise nur auf ein Höhenruder am hinteren Teil des Höhenleitwerks wirkt.

Rollstabilität bedeutet, dass ein Flugzeug bei Auslenkung aus der stabilen Gleichgewichtslage um die Rollachse die Tendenz zeigt, in eine stabile Gleichgewichtslage zurückzukehren. Zu unterscheiden ist zwischen statischer und dynamischer Rollstabilität. Zur statischen Rollstabilität trägt die V-Stellung der Flügel bei. Insbesondere bei Tiefdeckern ist diese oft gut zu erkennen. Zur dynamischen Rollstabilität (Rolldämpfung) trägt eine große Spannweite bei.

Gierstabilität bedeutet, dass ein Flugzeug bei Auslenkung aus der stabilen Gleichgewichtslage um die Gierachse die Tendenz zeigt, in eine stabile Gleichgewichtslage zurückzukehren. Zu unterscheiden ist zwischen statischer und dynamischer Gierstabilität. Zur statischen Gierstabilität trägt ein großes und weit hinten liegendes (Hebelwirkung) Seitenleitwerk bei. Der Rumpf hingegen wirkt destabilisierend um die Gierachse. Nurflügler können daher auf ein Seitenleitwerk verzichten. Zudem besteht ein stabilisierender Einfluss der Pfeilung um die Gierachse.

Nickstabilität bedeutet, dass ein Flugzeug bei Auslenkung aus der stabilen Gleichgewichtslage um die Nickachse die Tendenz zeigt, in eine stabile Gleichgewichtslage zurückzukehren. Zu unterscheiden ist zwischen statischer und dynamischer Nickstabilität. Zur statischen Nickstabilität tragen die Lage des Flugzeugschwerpunkts entlang der Flugzeuglängsachse sowie die dortige Lage der Auftriebsnormalpunkte an Tragflügel, Höhenleitwerk und deren Resultierende bei. Zudem besteht ein Einfluss von Pfeilung und Schränkung der Flügel hinsichtlich des Strömungsabrissverhaltens um die Nickachse. Die Lage von Höhenleitwerk und Höhenruder hinter dem Tragflügel trägt zur statischen Nickstabilität bei. Höhenleitwerk und Höhenruder vor dem Tragflügel findet man daher in der Regel nur bei Jagdflugzeugen, die eine besonders hohe Wendigkeit erfordern. Die Eigenschwingung eines stabilen Flugzeugs um die Nickachse wird als Phygoide bezeichnet.

Als Roll-Gier-Kopplung werden die Wechselwirkungen zwischen Roll- und Gierbewegungen bezeichnet. Diese bestehen über verschiedene Kopplungsmechanismen. Zu nennen sind hier insbesondere die Kopplungen über die Pfeilung sowie über die Lage des Seitenleitwerksnormalpunktes (üblicherweise deutlich oberhalb der Lage des Flugzeugschwerpunkts). Hier kann die Taumelschwingung (Dutch-Roll) als Eigenschwingung der Roll-Gier-Kopplung induziert werden.


5. Flugzeugsysteme (Einführung)

Als Flugzeugsysteme werden System bezeichnet wie:
  • Klimaanlage (Environmental Control) ATA 21
  • Elektrische Versorgungssysteme (Electrical Power) ATA 24
  • Flugsteuerung (Flight Controls) ATA 27
  • Kraftstoffsysteme (Fuel) ATA 28
  • Hydraulisches Energieversorgungssystem (Hydraulic Power) ATA 29
  • Eis- & Regenschutzsysteme (Ice and Rain Protection) ATA 30
  • Fahrwerkanlage (Landing Gear) ATA 32
  • etc.
Die Strukturierung der Flugzeugsysteme erfolgt nach dem Standard der Air Transport Association (ATA-Kapitel). Dieser "ATA-100 Breakdown" wird in Entwicklungs-, Herstellungs-, Zuliefer- und Instandhaltungsbetrieben zur Ordnung der Flugzeugsysteme genutzt.

Verwendet wird sie in Dokumenten wie:
  • AMM (Aircraft Maintenance Manual)
  • ASM (Aircraft Schematic Manual)
  • AWM (Aircraft Wiring Manual)
  • CMM (Component Maintenance Manual)
  • IPC (Illustrated Parts Catalog)
  • SRM (Structural Repair Manual)
  • TEM (Tool and Equipment Manual)
  • etc.
Dabei unterteilt sich das Nummernsystem in drei Hierarchieebenen:
  1. System / Kapitel
  2. Sub-System / Sektion
  3. Gerät / Sparte
Eine ATA Nummer ist dann beispielsweise für ein Gerät aus der Klimaanlage wie folgt aufgebaut: 21-80-03

  • ATA-Kapitel 21
  • Sectionnumber 8
  • Subsectionnumber 0
  • Subjectnumber 03
Die Lernziele zu den Flugzeugsystemen sind:
  • Grundlegenden Aufbau / Architektur / Anatomie und Auslegungsanforderungen von unterschiedlichen Flugzeugsystemen kennen (Systemverständnis)
  • Unterschiedliche Systemkonzepte und deren systemtechnische Umsetzung kennen
  • Auslegungsmethoden für unterschiedliche Flugzeugsysteme beispielhaft kennen und analysieren können
  • Lösungskonzepte für Flugzeugsysteme hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit beurteilen
  • Selbstständige Bearbeitung von möglichen zukünftigen Problemen bei Flugzeugsystemen ermöglichen
  • Systemübergreifendes Denken stärken


6. Sicherheit & Zuverlässigkeit von Flugzeugsystemen (Einführung)

Die Flugleistungen und die strukturellen Grenzen sind (teilweise) aus der Flugenvelope ersichtlich: Unterkapitel 2.4 Fluggerät (Einführung)

Diese Betrachtung lässt insbesondere außer Acht, dass abgesehen von strukturellem Versagen oder einer falschen Bedienung des Luftfahrzeugs auch ein Sicherheitsrisiko in möglichem Systemversagen bestehen kann. Viele Systeme sind daher redundant ausgelegt. Das heißt, dass die gleiche Funktion von mehreren Elementen wahrgenommen werden kann. So zum Beispiel die Steuerung um die Rollachse über (mehrere) Querruder und (mehrere) Rollspoiler.

Letztlich müssen die üblichen Anforderungen zu Sicherheit / Zuverlässigkeit / Lufttüchtigkeit eingehalten werden.

Einschlägige Normen:
  • Zuverlässigkeit nach FAR/Advisory Circular §1309: Wahrscheinlichkeit der Fehlerklasse
  • SAE/ARP4754, RTCA DO-178C: System Development Assurance / Qualität der Softwareentwicklung 
Der Eintritt eines Ereignisses pro Flugstunde oder Flugbewegung lässt sich daher in Wahrscheinlichkeitsklassen einteilen. Mit den Wahrscheinlichkeitsklassen sind Auswirkungen verknüpft. Je schwerwiegender eine mögliche Auswirkung eines Ereignisses ist, desto unwahrscheinlicher muss das Eintreten des Fehlers sein. Eine Auswirkung darf nie wahrscheinlicher eintreten als ihre jeweilige Wahrscheinlichkeitsklasse. Andernfalls wäre das Risiko als nicht akzeptabel zu werten.

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In der Präsenzlehre wird eine Beschäftigung mit Redundanzkonzepten stattfinden, mit denen die Sicherheit und Zuverlässigkeit sichergestellt werden soll.


7. Ausblick tiefer- & weitergehende Inhalte Fluggerät & Flugzeugsysteme

In den tiefer- und weitergehenden Inhalten dieses Kapitels wird sich insbesondere mit den folgenden Themen auseinandergesetzt:
  • Moderne Fluggeräte (insbesondere Verkehrsflugzeuge der neuesten Generation) - aufbauend auf dem Exkurs durch die Historie der Luftfahrzeuge
  • Kabine (Größe, Kabinensysteme, Aufteilung)
  • Flugphysik & Flugantriebe (Vertiefung inkl. Aerodynamik & Flugmechanik sowie verschiedener Typen von Flugantrieben)
  • Flugzeugentwurf, -auslegung, Struktur, Massen, Schwerpunkt, Reichweite, Flugleistungen (teils verbunden mit dem Thema Flugphysik)
  • Flugzeugsysteme
    • Flugzeugsysteme im Überblick und systemische Abhängigkeiten / Beziehungen
    • Energieversorgungssysteme allgemein
    • Klimaanlage (Environmental Control) ATA 21
    • Elektrische Versorgungssysteme (Electrical Power) ATA 24
    • Flugsteuerung (Flight Controls) ATA 27
    • Kraftstoffsysteme (Fuel) ATA 28
    • Hydrauliksysteme (Hydraulic Power) ATA 29
    • Eis- & Regenschutzsysteme (Ice and Rain Protection) ATA 30
    • Fahrwerke (Landing Gear) ATA 32
    • etc.
  • Sicherheit, Zuverlässigkeit, Lufttüchtigkeit
    • Struktur
    • Crashworthiness
    • Evakuierung
    • Sitze
    • Systeme & Systemsicherheit (funktionale Sicherheit & Redundanzkonzepte)
Diese Inhalte werden außerhalb der HOOU - wie in einem klassischen Hochschulstudium üblich - in einem Lehrkonzept vermittelt, dass sich auf Lehreinheiten in Präsenzlehre stützt.