11. Umwelt und Nachhaltigkeit
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Verfahrenstechnik für die Bioökonomie |
Buch: | 11. Umwelt und Nachhaltigkeit |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Sonntag, 10. November 2024, 23:02 |
1. 11. Umwelt und Nachhaltigkeit
11. Umwelt und Nachhaltigkeit
Trotz der Verwendung von biogenen Rohstoffen ist es auch im Rahmen einer Bioökonomie notwendig, die Umweltauswirkungen des ökonomischen Handelns stets zu hinterfragen und dieses fortwährend unter Nachhaltigkeitsaspekten zu überprüfen. Es gibt keine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit, allerdings wird in diesem Zusammenhang oft der sogenannte Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen (UN) aus dem Jahr 1987 mit dem Titel Our Common Future zitiert, in dem eine nachhaltige Entwicklung wie folgt definiert wird: Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. (United Nations 1987)
Um die negativen Auswirkungen des wirtschaftlichen Handelns von Unternehmen auf die Umwelt so weit wie möglich zu reduzieren und so eine nachhaltige Unternehmenspolitik zu unterstützen, gibt es das sogenannte Umweltmanagement. Dies kann sowohl in Unternehmen der Bioökonomie, als auch in konventionellen Unternehmen, Organisationen und Vereinen eingesetzt werden. Das grundlegende Prinzip hinter dem Umweltmanagement ist das PDCA‑Modell (Abkürzung aus dem Englischen: Plan-Do-Check-Act). Dieses Modell beschreibt einen Kreislauf, welchen die Unternehmen zur Verbesserung ihres ökologischen Fußabdruckes durchlaufen können. Nach einer Selbstverpflichtung des Unternehmens, eine Umweltpolitik in die Unternehmensstruktur zu integrieren, werden zunächst Maßnahmen identifiziert und geplant, welche zu einer Verbesserung der IST‑Situation im Unternehmen führen können (Plan bzw. Planung). Im zweiten Schritt werden diese Maßnahmen durchgeführt und in die Unternehmensstruktur integriert (Do bzw. Verwirklichung und Betrieb). Im nächsten Schritt wird der Erfolg dieser Maßnahmen überprüft, um festzustellen, ob der geplante SOLL‑Zustand erreicht worden ist (Check bzw. Überprüfung und Managementbewertung). Falls das gesteckte Ziel nicht erreicht wurde, wird im letzten Schritt eine Anpassung bzw. Verbesserung dieser Maßnahmen durchgeführt (Act bzw. ständige Verbesserung). Dadurch kann eine Reduzierung der negativen Umweltauswirkungen und eine Verbesserung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens erreicht werden. Dieses Prinzip ist anschaulich in folgender Graphik dargestellt:
1.1. 11.1 Zertifizierung
11.1 Zertifizierung
Zusätzlich
zu der Implementierung einer Umweltpolitik in eine Unternehmensstruktur
gibt es die Möglichkeit für das Unternehmen oder die Organisation,
Zertifikate für den Nachweis der im Rahmen der Umweltpolitik
eingeführten Umweltmanagementsysteme zu erlangen. Diese Systeme werden
von externen Experten bewertet; sofern die Spezifikationen erfüllt sind,
werden den Unternehmen Zertifikate verliehen. Obwohl eine solche
Zertifizierung durch externe Gutachter das Unternehmen zusätzlich
finanziell belastet, entscheiden sich viele Unternehmen für diesen
Schritt. Gründe hierfür können Imageverbesserung, Erfüllung von
Kundenanforderungen oder Verbesserung der Organisation (des Ablaufs)
sein (UBA 2001).
Es gibt zwei verschiedene
Zertifizierungsmöglichkeiten bzw. Richtlinien, in denen das Vorgehen des
Umweltmanagements und damit der Weg zu den Zertifikaten festgelegt ist:
1. ISO 14001
2. EMAS
In der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001
wird das Vorgehen des Umweltmanagements eines Unternehmens analog zu
dem in Kapitel 11 beschriebenen PDCA‑Modell festgelegt. Die Fortschritte
werden im Rahmen eines unternehmensinternen Audits überwacht. Dieses
normierte Umweltmanagement kann durch externe Zertifizierer (wie z. B.
TÜV oder DEKRA) überprüft und anschließend zertifiziert werden. ISO
14001 ist ein weltweit eingesetztes Umweltmanagementverfahren mit über
300.000 zertifizierten Unternehmen und Organisationen in insgesamt 171
Ländern (ISO 2023).
Das Umweltmanagement nach EMAS (abgekürzt aus dem Englischen: Eco-Management and Audit Scheme)
fasst im Vergleich zur ISO 14001 das Umweltmanagementsystem etwas
weiter. Dabei müssen alle Vorgaben der ISO 14001 erfüllt werden und es
werden noch zusätzliche Anforderungen an das Umweltmanagement der
Unternehmen gestellt. So müssen EMAS zertifizierte Unternehmen
beispielsweise jährlich eine öffentliche Umwelterklärung verfassen,
wesentliche Kernindikatoren im Bezug auf den Umweltschutz aufzeichnen
und ihr Umweltmanagement von einem zugelassenen Gutachter oder einer
Gutachterin überprüfen lassen. Das EMAS fußt auf einer EU-Verordnung und
hat somit eine gesetzliche Grundlage, wird allerdings nur innerhalb der
EU eingesetzt. Anders als bei der ISO 14001 gibt es ein offizielles und
einheitliches EMAS-Logo, welches bislang über 4000 Unternehmen und
Organisationen nutzen dürfen (EU 2023).
Ein Werbevideo über EMAS kann unter dem folgenden Link angesehen werden. Die Vorteile von EMAS werden hierbei gut zusammengefasst und positive Stimmen aus der Wirtschaft kommen zu Wort:
https://www.youtube.com/watch?v=ZqRuw5iYZQk
Ein Werbevideo über EMAS kann unter dem folgenden Link angesehen werden. Die Vorteile von EMAS werden hierbei gut zusammengefasst und positive Stimmen aus der Wirtschaft kommen zu Wort:
https://www.youtube.com/watch?v=ZqRuw5iYZQk
Trotz
der positiven Aspekte, die Umweltmanagementsysteme mit sich bringen
können, wird von Umweltverbänden teilweise Kritik daran geäußert.
Insbesondere der Vorwurf des Greenwashings mithilfe von EMAS oder ISO
14001 Zertifikaten wird erhoben. Beim Greenwashing versuchen sich
Unternehmen oder Organisationen, welche in erheblichem Umfang zu einer
Umweltverschmutzung beitragen, ein grünes Image in der Öffentlichkeit
durch gezielte Marketing Kampagnen in Kombination mit dem Erwerb von
Labeln und Zertifikaten aufzubauen, ohne dabei nennenswerte
Verringerungen der verursachten Umweltauswirkungen zu erreichen. EMAS
versucht, derartigen Vorwürfen durch Transparenz und den Einsatz von
unabhängigen, staatlich anerkannten Gutachtern und Gutachterinnen zu
begegnen und diese damit zu entkräften.
Durch das
Umweltmanagement wird versucht, möglichst alle Umweltaspekte und
Nachhaltigkeitsfaktoren des ökonomischen Handelns zu benennen und die
negativen Folgen für die Umwelt über die Jahre zu minimieren. Ein
Umweltaspekt (Landnutzungswandel) wird im nächsten Kapitel näher
beleuchtet.
1.2. 11.2 Landnutzungswandel
11.2 Landnutzungswandel
Die Menschheit verursacht eine Vielzahl an Veränderungen im Ökosystem der Erde, insbesondere durch das wirtschaftliche Handeln in den letzten Jahrhunderten. Neben der allgemein bekannten Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und dem dadurch verursachten anthropogenen Klimawandel nimmt der Mensch Einfluss auf viele weitere natürliche Ressourcen, wie z. B. auf die Ozeane und andere Gewässer, auf die Biodiversität oder auf die Böden. Im folgenden Abschnitt wird auf die Nutzung der Böden bzw. die Änderung dieser Nutzung von einer natürlichen Fläche hin zu einer vom Menschen genutzten Fläche eingegangen. Dieser Wandel wird als Landnutzungswandel (im Englischen: Land Use Change) bezeichnet.
Der Landnutzungswandel ist ein Prozess, der die Umwandlung von Landflächen von einer Nutzung zu einer anderen beschreibt. Dabei wird zunächst die ursprüngliche, natürliche Landschaft in eine vom Menschen genutzte Fläche überführt. Dieser Wandel kann vielfältige Ursachen haben, wie das globale Bevölkerungswachstum, die oft damit einhergehenden gesellschaftlichen Änderungen (z. B. eine zunehmende Urbanisierung und der Ausbau von Verkehrsnetzwerken) oder die zunehmende Nachfrage an landwirtschaftlichen Flächen. Letztere werden einerseits für die Nahrungsmittelproduktion verwendet, welche eine stetig wachsende Fläche zur Ernährung der Weltbevölkerung benötigt; Gründe dafür sind u. a. das Bevölkerungswachstums, die Ernährungsgewohnheiten (z. B. erhöhter Fleischkonsum und damit ein erhöhter Ackerflächenbedarf für Futtermittelanbau) oder sonstiges Missmanagement der Lebensmittel-Ressourcen (z. B. verursacht durch Kriege oder verschwenderisches Verbraucherverhalten). Andererseits werden diese Flächen auch im Rahmen einer Bioökonomie für den Anbau von Biomasse für eine stoffliche Nutzung benötigt, wie z. B. Baumwolle für den Textilmarkt, Energiepflanzen für den Kraftstoffmarkt (z. B. Ölpalmen oder Raps) oder Lignozellulosepflanzen für den Bausektor. Die Entscheidungen, die wir in Bezug auf die Landnutzung treffen, haben weitreichende Konsequenzen für die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft.
Nachfolgen werden zwei Beispiele für diese Konsequenzen erörtert:
Gegenwärtig ist das wohl prominenteste Beispiel für eine Landnutzungsänderung die zunehmende Abholzung des tropischen Regenwaldes. Dieser wird gerodet, um einerseits die wertvollen Tropenhölzer gewinnbringend verkaufen zu können und andererseits, um die Flächen für den Rohstoffanbau oder als Acker- oder Weideland nutzbar zu machen. Dieser Landnutzungswandel hat eine Vielzahl an negativen Folgen für die Umwelt. Zunächst eignen sich die nährstoffarmen Böden des ehemaligen Regenwaldes nicht für eine dauerhafte und nachhaltige Landwirtschaft, weswegen der Ertrag der Äcker nach ca. zwei bis drei Jahresernten meist rapide sinkt. Dies hat einen verringerten Bewuchs der Flächen zur Folge, was wiederum eine zunehmende Bodenerosion verursacht. Zusätzlich führt die Abholzung des tropischen Regenwaldes zu einer Verkleinerung des Lebensraumes einer Vielzahl von Tieren, Pflanzen und Insekten, was schlussendlich zu einem Verlust an Biodiversität mit oft unbekannten Folgen führt. Weiterhin wird der Regenwald oft als die grüne Lunge der Erde bezeichnet, weil dort große Mengen an CO2 gespeichert werden und Sauerstoff produziert wird. Jede Verringerung dieser Fläche führt also zu einer Verringerung des CO2-Aufnahmepotentials und zusätzlich zu einer partiellen Freisetzung des gespeicherten Kohlestoffes. Eine gute Zusammenfassung der Geschichte der Abholzung des brasilianischen Regenwaldes liefert folgendes englischsprachiges Video:
Gegenwärtig ist das wohl prominenteste Beispiel für eine Landnutzungsänderung die zunehmende Abholzung des tropischen Regenwaldes. Dieser wird gerodet, um einerseits die wertvollen Tropenhölzer gewinnbringend verkaufen zu können und andererseits, um die Flächen für den Rohstoffanbau oder als Acker- oder Weideland nutzbar zu machen. Dieser Landnutzungswandel hat eine Vielzahl an negativen Folgen für die Umwelt. Zunächst eignen sich die nährstoffarmen Böden des ehemaligen Regenwaldes nicht für eine dauerhafte und nachhaltige Landwirtschaft, weswegen der Ertrag der Äcker nach ca. zwei bis drei Jahresernten meist rapide sinkt. Dies hat einen verringerten Bewuchs der Flächen zur Folge, was wiederum eine zunehmende Bodenerosion verursacht. Zusätzlich führt die Abholzung des tropischen Regenwaldes zu einer Verkleinerung des Lebensraumes einer Vielzahl von Tieren, Pflanzen und Insekten, was schlussendlich zu einem Verlust an Biodiversität mit oft unbekannten Folgen führt. Weiterhin wird der Regenwald oft als die grüne Lunge der Erde bezeichnet, weil dort große Mengen an CO2 gespeichert werden und Sauerstoff produziert wird. Jede Verringerung dieser Fläche führt also zu einer Verringerung des CO2-Aufnahmepotentials und zusätzlich zu einer partiellen Freisetzung des gespeicherten Kohlestoffes. Eine gute Zusammenfassung der Geschichte der Abholzung des brasilianischen Regenwaldes liefert folgendes englischsprachiges Video:
The destruction of the Amazon, explained
Aber auch in Europa werden durch Landnutzungsänderungen große Umweltprobleme verursacht. So wurden im Laufe der Jahrhunderte in Europa viele Moore und Feuchtgebiete trockengelegt; die dabei entstehenden fruchtbaren Böden wurden anschließend als Ackerfläche genutzt. Moore sind in ihrer natürlichen Form eine Treibhausgas-Senke; dieser Effekt wird jedoch bei einer Trockenlegung umgekehrt, da nun die Moorsubstanz durch Mikroorganismen zersetzt wird. Weiterhin werden auch in diesem Fall wichtige Biotope zerstört und damit die Biodiversität reduziert.