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10. Bau und Konstruktion

Website: Hamburg Open Online University
Kurs: Verfahrenstechnik für die Bioökonomie
Buch: 10. Bau und Konstruktion
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 21. November 2024, 13:46

1. 10. Bau und Konstruktion


10. Bau und Konstruktion


Laut einer Studie der Vereinten Nationen entfielen auf den Bau von Gebäuden und die Produktion von Baurohstoffen im Jahr 2021 rund 9 % der weltweiten Treibhausgasemissionen; dies entspricht einer Gesamtsumme von rund 3,5 Gt-CO (UN 2022). Ein Großteil dieser Emissionen kann auf Baumaterialien zurückgeführt werden, die in ihrer Herstellung besonders energieintensiv sind. Beispiele hierfür sind Stahl, Aluminium und Beton, wobei die Treibhausgasemissionen von Beton größtenteils nicht auf seine energieintensive Herstellung, sondern auf den Prozess der Entsäuerung des Klinkers und dem dabei freiwerdenden CO zurückzuführen sind.

Die Substitution dieser Materialien durch nachwachsende Rohstoffe bietet daher einen wichtigen Ansatzpunkt, um die Treibhausgasemissionen im Bausektor zu senken. Insbesondere Holz und Holzverbundstoffe werden in diesem Zusammenhang genannt 

1.1. 10.1 Holz als Baustoff der Zukunft

 

10.1 Holz als Baustoff der Zukunft

Das Bauen mit Holz ist grundsätzlich keine neue Erfindung. So wurden beispielweise Überreste von Pfahlbauten in der Bodenseeregion entdeckt, von denen die Ältesten auf die Jungsteinzeit (ca. 3900 v.Chr.) datiert werden. Hierbei wurden Holzpfähle in das flache Wasser am Ufer gerammt, um auf einem Steg Hütten aus Holz, Stroh und Lehm zu errichten. Die Errichtung dieser Pfahlbauten bot den Bewohnern u. a. Schutz vor Überfällen sowie einen direkten Zugang zum See, der als Transportweg und Nahrungsquelle diente (bodensee.eu 2023).
 
Nachbau der Pfahlbauten am Bodensee (Pfahlbauten Unteruhldingen) von pixabay_schnitzgeli (CC 0)


Die heutige Motivation zur Nutzung von Holz als Baustoff unterscheidet sich grundlegend von der unserer Vorfahren. Dank einer Vielzahl an alternativen Baustoffen sind wir nicht mehr ausschließlich auf die Nutzung von natürlichen Baustoffen angewiesen, jedoch bietet Holz einige wichtige Vorteile, die für einen vermehrten Einsatz in der heutigen Zeit sprechen:
  • Im Angesicht des Klimawandels ist eine Substitution von CO2-intensiven Baustoffen durch Holz, welche zu einer Verringerung von Treibhausgasemissionen führen kann, erstrebenswert.
  • Weiterhin kann Holz als Baustoff eine Kohlenstoffspeicheroption darstellen. Wie bereits in Kapitel 2 erläutert, wird in Pflanzen das gasförmige CO2 aus der Atmosphäre durch den Prozess der Photosynthese in feste Moleküle (z. B. Kohlenhydrate) gewandelt, welche die Grundbausteine der Makromoleküle Cellulose, Hemicellulose und Lignin bilden, den Hauptbestandteilen von Lignocellulosepflanzen. Durch die Verwendung dieser Moleküle in Form von Holz als Baustoff bleibt der Kohlenstoff für die Lebensdauer des Bauwerks gebunden. In Kombination mit einer nachhaltigen Forstwirtschaft kann dadurch eine CO2-Senke realisiert werden.
  • Im Gegensatz zu mineralischen Baustoffen ist Holz ein leichter Baustoff. Dies birgt insbesondere im Hinblick auf die Transportkosten ökologische und ökonomische Einsparungen.
  • Zusätzlich besitzt Holz eine geringere Wärmeleitfähigkeit als herkömmliche Baustoffe wie z. B. Stahl oder Beton, was insbesondere mit Blick auf die Wärmedämmung und den energetischen Heiz- bzw. Kühlungsaufwand eine günstige Eigenschaft darstellt.
  • Der breite Einsatzbereich des Rohstoffes Holz bietet die Möglichkeit ausgedientes Baustoff-Holz, welches auch als Altholz bezeichnet wird, weiterzuverwenden. Die Weiternutzung des Altholzes mittels einer sogenannten Kaskadennutzung wird in Kapitel 10.3 vertiefend erläutert.

 

1.2. 10.2 Einsatzmöglichkeiten für Holz als Baustoff

 

10.2 Einsatzmöglichkeiten für Holz als Baustoff

Holz kann prinzipiell als Baustoff für alle Elemente eines Hauses eingesetzt werden. Von den Böden über die Wände bis hin zu dem Dach können Holzelemente verbaut werden. Dies kann so weit gesteigert werden, dass komplette Häuser fast ausschließlich aus Holz erbaut werden können (möglich ist das z. B. bei Blockhäusern, aber auch bei modernen Häusern in Massivbauweise). Für weiterführende Informationen zu den einzelnen Holzbauweisen und zu Konstruktionselementen aus Holz wird an dieser Stelle die übersichtlich gestaltete Informationsplattform des Architekturmagazins BauNetz empfohlen (BauNetz): https://www.baunetzwissen.de/holz
 
Blockhaus von pixabay_12019 (CC 0)


Wichtig bei dem Einsatz von Holz als Baustoff ist, das Holz vor Nässe zu schützen. Da es sich bei Holz um ein organisches Material handelt, kann dies bei längerer Feuchteeinwirkung durch Pilze und Mikroorganismen zersetzt werden, was zur Zerstörung der Struktur und damit zum Verlust der Tragfähigkeit führt. Deshalb muss beim baulichen Einsatz von Holz bereits bei der Planung und Konstruktion darauf geachtet werden, dass dieses vor witterungs- und wohnbedingter Feuchtigkeit (z. B. im Badezimmer) durch bauliche Maßnahmen geschützt wird. Der im letzten Jahrhundert sehr beliebte Einsatz von chemischen Mitteln zum Schutz von Holz vor Feuchtigkeit und Schädlingen (z. B. Xyladecor) wird heutzutage aufgrund der umwelt- und gesundheitsschädlichen Eigenschaften dieser Stoffe größtenteils vermieden. 

Um ein modernes Massivholzhaus aus der Nähe betrachten und erleben zu können, ist in Hamburg lediglich eine S-Bahn-Fahrt nach Wilhelmsburg notwendig. Dort wurde im Rahmen der internationalen Bauausstellung IBA Hamburg im Jahr 2013 ein 5-geschossiges Massivholz-Wohngebäude, der sogenannte WOODCUBE, errichtet. Dieses Gebäude veranschaulicht, wie modernes Bauen und Wohnen mit nachhaltigen Rohstoffen funktionieren kann. 

 

1.3. 10.3 Kaskadennutzung von Holz

10.3 Kaskadennutzung von Holz


Ein großer Vorteil bei der Nutzung von Holz als Baustoff ist, dass mit dem Ende der Nutzungsdauer die Einsatzfähigkeit eben dieses Bauholzes nicht zwangsläufig enden muss. Je nach Zustand und Qualität des Altholzes kann dieses auf unterschiedlichste Arten und Weisen weiterverwendet werden. Dabei sollte das Altholz mehrere Stufen der Nutzformen durchlaufen. Dies kann anschaulich am Beispiel eines Kaskadenwasserlaufes erklärt werden. So wie das Wasser von Stufe zu Stufe langsam den Flusslauf hinabfliest und dabei mit jeder Stufe an potentieller Energie verliert, sollte auch das Altholz Nutzungsform für Nutzungsform genutzt werden. Analog zum Energieverlust des Wassers im Kaskadenwasserlauf verliert das Holz dabei mit jeder Nutzungsform an Struktur und kann nur mit großem Aufwand oder gar nicht mehr in die vorangegangene Nutzungsform überführt werden. Die einzelnen Nutzungsformen dieser sogenannten Kaskadennutzung werden im Folgendem kurz vorgestellt. 

Liegt das Altholz in guter Qualität vor, sollte dieses zunächst in Form von Vollholz weiterverarbeitet werden. Beispiele hierfür sind Möbel, Fußböden oder Wandvertäfelungen aus Altholz. Hierbei können optisch ansprechende Effekte erzeugt werden, wenn z. B. alte Balken zu einer neuen Balkendecke oder zu Tischen verarbeitet werden.

Ist eine direkte Nutzung des Holzes nicht möglich, sollte versucht werden spanbasierte Produkte zu erzeugen (dazu zählen z. B. Presspanplatten für den Möbelbau). Dabei werden die Holzspäne zunächst unter Zugabe eines Klebstoffs in Plattenform verpresst. Die resultierenden Platten dienen dann als Ausgangsmaterial für neue Produkte. Im Möbelbau werden diese meist optisch aufgewertet, indem sie vor der Verarbeitung mit Furnieren (sehr dünnen Holzschichten) oder Dekorfolien beklebt werden.

Nach einer spanbasierten Nutzung sollten die nächst kleineren Holzbausteine, die Holzfasern, verwertet werden. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen, wie z. B. durch Weiterverarbeitung zu Papier, mitteldichten Holzfaserplatten (MDF-Platte) oder auch zu den in Kapitel 5 vorgestellten Viskosefasern.

Die abschließende stoffliche Nutzungsform von Altholz ist die Erzeugung von chemischen Produkten. Die Stoffe Lignin, Cellulose und Hemicellulose (die Hauptbestandteile von Holz) können Ausgangsstoffe für eine Vielzahl von Produkten sein. Die Verarbeitung kann dabei in einer Bioraffinerieanlage erfolgen; eine solche Bioraffinerieanlage wird z. B. vom Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna betrieben. Eine kurze Vorstellung dieser Anlage ist in dem folgenden YouTube-Video zu sehen:                             

Bioraffinerieanlage

Die finale Nutzungsform von Holz liegt in der energetischen Verwertung. Dabei kann die im Holz gespeicherte Energie durch Verbrennung in Wärme gewandelt werden. Diese kann anschließend über einen Dampfkreislauf in elektrische Energie gewandelt werden oder direkt als Nutzwärme genutzt werden (Höglmeier et al. 2016). 

1.4. 10.4 Weitere Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

 

10.4 Weitere Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

 
Neben Holz gibt es noch weitere nachwachsende Rohstoffe, welche auf unterschiedliche Arten als Baustoffe genutzt werden können. Insbesondere bei der Wärmedämmung gibt es eine Vielzahl an nachwachsenden Alternativen im Vergleich zu herkömmlichen Dämmmaterialien fossilen oder mineralischen Ursprungs. So können Hanf, Kork, Kokosfaser, Seegras, Schilf, Stroh oder auch Holzwolle und -fasern als Dämmstoffe eingesetzt werden. All diese nachwachsenden Stoffe verfügen über spezifische Vor- und Nachteile, die vor einer Anwendung genau geprüft werden müssen. Generell handelt es sich bei derartigen Materialien aber immer um Kohlenstoffträger, durch deren längerfristige Verwendung Kohlenstoff aus dem atmosphärischen Kreislauf entzogen und gespeichert wird.

Neben der Nutzung als Dämmmaterial finden nachwachsende Rohstoffe u. a. auch Anwendung im Dachbau. Eine Möglichkeit, die hierzulande häufig mit der Nord- und Ostseeregion in Verbindung gebracht wird, ist die Verwendung von Schilfrohr zur Dachdeckung. Das Schilfrohr wird dabei nach einer jahrhundertealten Bautradition zu den markanten Reetdächern verarbeitet. Neben den optischen Vorzügen dieser Dachform bieten derartige Dächer eine gute Isolation. Allerdings sind die Kosten sowie der Montage- und Pflegeaufwand signifikant höher als bei herkömmlichen Dachformen.
 
Reetdachhaus von pixabay_wasi1370 (CC 0)