Potentiale digitaler Medien in der beruflichen Bildung
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Endgeräte in der beruflichen Bildung |
Buch: | Potentiale digitaler Medien in der beruflichen Bildung |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Donnerstag, 21. November 2024, 23:28 |
1. Worum geht es?
Im Zentrum des aktuellen Diskurses in der beruflichen Bildung steht die Prämisse, den Wandel von Technologien, Kompetenzanforderungen, Arbeitsprozessen und Arbeitsorganisation zu erforschen, verstehen und zukunftsorientiert mitzugestalten. Keine leichte Aufgabe, da ebenfalls gesamtgesellschaftliche und kulturelle Veränderungsprozesse miteinbezogen werden müssen.
Die digitale und technische Vernetzung von Produktions- und Fertigungsprozessen verändert auf betrieblicher Ebene die Organisation und Gestaltung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse und somit die Arbeitsorganisation. Insbesondere in gewerblich-technischen Berufsfeldern der Elektro-, Metall- und Informationstechnik ist ein Wandel der gewachsenen Berufsstrukturen und Arbeitszusammenhänge zu beobachten. Berufstypische Handlungsfelder wachsen zusammen, auch berufsübergreifend, und routinierte Kerntätigkeiten entfallen zugunsten komplexerer Aufgabenstellungen. Auf der Ebene der beruflichen Facharbeit führen diese Prozesse zu neuartigen oder veränderten Anforderungen an Kompetenz- und Qualifikationsprofile. Neben Fachkompetenzen ist insbesondere der Einsatz ausgeprägter Sozial- und Selbstkompetenzen gefragt. In einer digitalisierten und vernetzten Arbeitswelt ist es Aufgabe der beruflichen Facharbeiter, technologische Innovationen zu erkennen, ihr Potenzial einzuschätzen und hinsichtlich ihrer sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedeutung kritisch zu bewerten. Hier äußert sich die bedeutsame Rolle der beruflichen Facharbeiter im Kontext technologischer und arbeitsorganisatorischer Wandlungsprozesse: das Erkennen von Handlungsspielräumen und die aktive Mitgestaltung und Veränderung von Arbeit und Technik. Diese Anforderung ist so aktuell wie nie zuvor, da sich Berufsbilder in immer schnelleren Zyklen verändern und die Identifikation mit stabilen und formal gestalteten Berufen sowie die Vorhersehbarkeit zukünftig geforderter Kompetenzen und Qualifikationen abnimmt.
Wichtige Fragen hierbei sind:
- Welche Kompetenzen sind für eine digitalisierte Bildungswelt relevant?
- Welche Potentiale stecken in digitalen Medien für den Bildungskontext?
2. Kompetenzen für eine Bildung in der digitalen Welt
Wie im Verlauf dieses Lernangebots schon thematisiert, bedarf es einer differenzierten Betrachtung und eines begründeten Einsatzes digitaler Medien im Bildungskontext, um so die Kompetenzen von Lehrer:innen sowie von Schüler:innen zur gestaltenden Teilhabe in der digitalen Welt fördern zu können. Dies trifft insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bildungsaufträge und Rechtsgrundlagen der Bildungseinrichtungen zu, weshalb die Kultusministerkonferenz mit dem Strategieprogramm „Bildung in der digitalen Welt“ einen verbindlichen Kompetenzrahmen mit sechs Kompetenzbereichen und den damit verbundenen Herausforderungen für allgemeinbildende Schulen entwickelt hat: https://www.kmk.org/themen/bildung-in-der-digitalen-welt/strategie-bildung-in-der-digitalen-welt.html
Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren
Zu dem Kompetenzbereich „Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren“ gehört der angemessene Umgang mit einer ständig wachsenden Menge an Daten und Informationen, die allen Menschen durch digitale Technologien zur Verfügung steht. Umgang meint dabei das Suchen, Finden und Auswählen relevanter und vertrauenswürdiger Informationen und Quellen, die kritische Reflexion und Bewertung dieser sowie die Organisation, Nutzung und Speicherung der gefundenen Daten und Informationen. Konkret sind folgende Kompetenzen gemeint:
- Suchen und Filtern
- Arbeits- und Suchinteressen bestimmen
- Passende Suchstrategien kennen, nutzen und weiterentwickeln
- Verschiedene digitale Umgebungen entsprechend des Suchinteresses nutzen
- Relevante und vertrauenswürdige Quellen und Informationen identifizieren und zusammenführen
- Auswerten und Bewerten
- Informationen und Daten analysieren, interpretieren und kritisch bewerten
- Informationsquellen analysieren und kritisch bewerten
- Speichern und Abrufen
- Informationen und Daten sicher speichern, wiederfinden und von verschiedenen Orten abrufen
- Informationen und Daten zusammenfassen, organisieren und strukturiert aufbewahren
Kommunizieren und Kooperieren
Um im digitalen Raum adäquat „Kommunizieren und Kooperieren“ zu können, braucht es entsprechende Kompetenzen, digitale Werkzeuge zur angemessenen und effektiven Kommunikation einsetzen und in digitalen Umgebungen zielgerichtet kooperieren zu können. Dabei geht es vor allem darum, entsprechend der jeweiligen Situation und ausgerichtet an den Kommunikations- bzw. Kooperationspartnern die passenden Werkzeuge auszuwählen und entsprechende Umgangsregeln einzuhalten:
- Interagieren
- Mit Hilfe unterschiedlicher digitaler Werkzeuge kommunizieren
- Digitale Kommunikationsmöglichkeiten zielgerichtet und situationsgerecht auswählen
- Teilen
- Dateien, Informationen und Links teilen
- Referenzierungspraxis kennen und beherrschen (Quellenangaben)
- Zusammenarbeiten
- Digitale Werkzeuge für die Zusammenarbeit bei der Zusammenführung von Informationen, Daten und Ressourcen nutzen
- Digitale Werkzeuge bei der gemeinsamen Erarbeitung von Dokumenten nutzen
- Umgangsregeln kennen und einhalten (Netiquette)
- Verhaltensregeln bei digitaler Interaktion und Kooperation kennen und anwenden
- Kommunikation der jeweiligen Umgebung anpassen
- Ethisch- moralische Prinzipien und Persönlichkeitsrechte bei der Kommunikation kennen, formulieren und einhalten
- Kulturell-gesellschaftliche Normen in digitalen Umgebungen berücksichtigen
- An der Gesellschaft aktiv teilhaben
- Öffentliche und private Dienste kennen, reflektieren und angemessen anwenden
- Medienerfahrungen reflektieren, weitergeben und in kommunikative Prozesse einbringen
- Als selbstbestimmter Bürger aktiv an der Gesellschaft teilhaben
Produzieren und Präsentieren
Mit digitalen Werkzeugen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, eigene Inhalte zu „Produzieren und Präsentieren“ sowie bestehende Inhalte weiterzuverarbeiten. Dafür braucht es Kompetenzen, diese Werkzeuge sach- und zielgruppengerecht auszuwählen, Inhalte zu gestalten und zu veröffentlichen sowie mit den wesentlichen Rechtsgrundlagen vertraut zu sein:
- Entwickeln und Produzieren
- Mehrere technische Bearbeitungswerkzeuge kennen und anwenden
- Eigene Medienprodukte planen und in verschiedenen Formaten gestalten, präsentieren, veröffentlichen und teilen
- Weiterverarbeiten und Integrieren
- Inhalte in verschiedenen Formaten bearbeiten, zusammenführen, präsentieren, veröffentlichen und teilen
- Informationen, Inhalte und vorhandene digitale Produkte weiterverarbeiten und in bestehendes Wissen integrieren
- Rechtliche Vorgaben beachten
- Bedeutung von Urheberrecht und geistigem Eigentum kennen
- Urheber- und Nutzungsrechte (Lizenzen) bei eigenen und fremden Werken überprüfen und beachten
- Persönlichkeitsrechte (u.a. des Bildrechts) beachten
Schützen und sicher Agieren
Persönliche Daten, Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte sind zentral, um sich selbst und andere im digitalen Raum zu „Schützen und sicher Agieren“. Dazu gehören auch Themen wie Cybermobbing und -kriminalität sowie Datenschutz und -sicherheit:
- Sicher in digitalen Umgebungen agieren
- Risiken und Gefahren in digitalen Umgebungen kennen, reflektieren und berücksichtigen
- Strategien zum Schutz (gegen z.B. Cyberkriminalität) entwickeln und anwenden
- Persönliche Daten und Privatsphäre schützen
- Maßnahmen für Datensicherheit und gegen Datenmissbrauch kennen und beachten
- Privatsphäre in digitalen Umgebungen durch geeignete Maßnahmen schützen
- Sicherheitseinstellungen ständig aktualisieren
- Jugendschutz- und Verbraucherschutzmaßnahmen berücksichtigen
- Gesundheit schützen
- Suchtgefahren vermeiden, sich selbst und andere vor möglichen Gefahren schützen
- Digitale Technologien gesundheitsbewusst nutzen
- Digitale Technologien für soziales Wohlergehen und Eingliederung nutzen
- Natur und Umwelt schützen
- Umweltauswirkungen digitaler Technologien berücksichtigen
Problemlösen und Handeln
In dem Kompetenzbereich „Problemlösen und Handeln“ werden einerseits rein funktionale Fähigkeiten, wie der effektive Umgang mit Hardware und Software, adressiert und andererseits Fähigkeiten beschrieben, diese digitalen Werkzeuge analysieren und für das eigene Handeln im digitalen Raum reflektieren und anwenden zu können:
- Technische Probleme lösen
- Anforderungen an digitale Umgebungen formulieren
- Technische Probleme identifizieren
- Bedarfe für Lösungen ermitteln und Lösungen finden bzw. Lösungsstrategien entwickeln
- Werkzeuge bedarfsgerecht einsetzen
- Eine Vielzahl von digitalen Werkzeugen kennen und kreativ anwenden
- Anforderungen an digitale Werkzeuge formulieren
- Passende Werkzeuge zur Lösung identifizieren
- Digitale Umgebungen und Werkzeuge zum persönlichen Gebrauch anpassen
- Eigene Defizite ermitteln und nach Lösungen suchen
- Eigene Defizite bei der Nutzung digitaler Werkzeuge erkennen und Strategien zur Beseitigung entwickeln
- Eigene Strategien zur Problemlösung mit anderen teilen
- Digitale Werkzeuge und Medien zum Lernen, Arbeiten und Problemlösen nutzen
- Effektive digitale Lernmöglichkeiten finden, bewerten und nutzen
- Persönliches System von vernetzten digitalen Lernressourcen selbst organisieren
- Funktionsweisen erkennen und formulieren
- Funktionsweisen und grundlegende Prinzipien der digitalen Welt kennen, verstehen und bewusst nutzen
- Algorithmische Strukturen in genutzten digitalen Tools erkennen, verstehen und formulieren
- Eine strukturierte, algorithmische oder automatisierte Sequenz zur Lösung eines Problems planen, verwenden und umsetzen
Analysieren und Reflektieren
Um an der digitalen Welt teilzuhaben und diese mit zu gestalten, ist das „Analysieren und Reflektieren“ umso wichtiger. Dabei geht es darum, digitale Werkzeuge, Medien, Architekturen und Räume zu verstehen, zu reflektieren und zu analysieren:
- Medien analysieren und bewerten
- Gestaltungsmittel von digitalen Medienangeboten kennen und bewerten
- Setzung, Verbreitung und Dominanz von Themen in digitalen Umgebungen erkennen und beurteilen
- Wirkungen von Medien in der digitalen Welt (z. B. mediale Konstrukte, Stars, Idole, Computerspiele, mediale Gewaltdarstellungen) analysieren und konstruktiv damit umgehen
- Medien in der digitalen Welt verstehen und reflektieren
- Vielfalt der digitalen Medienlandschaft kennen
- Chancen und Risiken des Mediengebrauchs in unterschiedlichen Lebensbereichen erkennen, eigenen Mediengebrauch reflektieren und ggf. modifizieren
- Vorteile und Risiken von Geschäftsaktivitäten und Services im Internet analysieren und beurteilen
- Wirtschaftliche Bedeutung der digitalen Medien und digitaler Technologien kennen und sie für eigene Geschäftsideen nutzen
- Die Bedeutung von digitalen Medien für die politische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung kennen und nutzen
- Potenziale der Digitalisierung im Sinne sozialer Integration und sozialer Teilhabe erkennen, analysieren und reflektieren
3. Potentiale digitaler Medien in der beruflichen Bildung
In der beruflichen Bildung hat der Einsatz digitaler Medien immer unter zwei Fragestellungen zu erfolgen:
- Gesellschaftliche Teilhabe: Welchen Beitrag leistet der Einsatz digitaler Medien im Unterricht zur Erfüllung des Bildungsauftrages? Diese Frage bezieht sich auf aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0. Wie Ropohl bereits aufgezeigt hat, bietet Technik im Unterricht ein Bildungspotenzial, indem ihre Entwicklung und ihr Einsatz immer kritisch zu reflektieren ist.
- Berufliche Facharbeit: Welchen Beitrag leistet der Einsatz digitaler Medien im Unterricht zur Förderung beruflicher Handlungskompetenz? Damit ist die Befähigung der zukünftigen Facharbeiter und Facharbeiterinnen gemeint, zukünftige Aufgaben und Problemstellungen im Beruf kompetent bewälltigen zu können.
Das bedeutet, dass digitale Medien verschiedene Potenziale für die Gestaltung beruflicher Lehr-Lernsituationen bieten. Ihre Aufgabe als zukünftige Lehrkraft an beruflichen Schulen ist es, diese Fragestellungen unter inbezug der Potenziale digitaler Medien zu reflektieren und bewusste Gestaltungsentscheidungen zu treffen. Neben der Unterrichtsgestaltung ist es ebenfalls Ihre Aufgabe, die Berufsschule, ihre Kultur und die Rahmenbedingungen des Einsatzes digitaler Medien zukunftsorientiert mitzugestalten. Sie sind Visionäre und Visionärinnen zukünftiger beruflicher Bildung und setzen sich regelmäßig mit aktuellen digitalen Trends und Technologien auseinander.
Ausgehend von den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Kompetenzen für eine Bildung in der digitalen Welt, stellt sich die Frage, welche „digitalen Medien wie für die Unterstützung von Lehr-Lernprozessen verwendet werden können“ (Howe und Knutzen 2013, S. 15). Für den Bereich der beruflichen Bildung, haben Howe und Knutzen (2013) in ihrer Expertise für das Bundesinstitut für Berufsbildung, sechs Potentialkategorien für den Einsatz digitaler Medien beschrieben: