7. Bioraffineriekonzept
Website: | Hamburg Open Online University |
Kurs: | Verfahrenstechnik für die Bioökonomie |
Buch: | 7. Bioraffineriekonzept |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Sonntag, 10. November 2024, 22:10 |
Beschreibung
Erfahre in diesem Buch alles rund um Bioraffinerien.
7. Bioraffineriekonzept
Bioraffinerien versuchen mittels einer technischen Anlage aus Biomasse möglichst viele wertvolle Substanzen und Produkte herauszuholen. Mit diesem Zero-Waste-Ansatz repräsentieren sie das Konzept der Bioökonomie in Perfektion. Die Produktpalette reicht von Chemikalien bis hin zu Biokraftstoffen.
Was Du wissen solltest:
- Bioraffinerien nutzen verschiedene chemische oder physikalische Verfahren, um Biomasse aufzuschließen und zu veredeln
- manche Bioraffinerie-Konzepte befinden sich noch im Versuchsstadium, andere werden schon kommerziell betrieben
- kommerzielle Anlagen produzieren als Hauptprodukt oft Biokraftstoffe
- Bioraffinerien können nach den eingesetzten Rohstoffen Stärke, Zucker, Öl oder Lignocellulose klassifiziert werden
Eine Bioraffinerie besteht aus unterschiedlichen nach- oder nebeneinander angewendeten biochemischen, mechanischen oder thermochemischen Verfahren, die jeweils auf die zu verarbeitende Biomasse angepasst werden müssen. Es gibt also nicht die eine Bioraffinerie, sondern verschiedene Wege und Möglichkeiten das Konzept Bioraffinerie zu realisieren. Es wird zwischen zwei grundlegenden Herangehensweisen unterschieden:
- Als Bottom-up Ansatz wird bezeichnet, wenn bereits vorhandene Anlagen zur Biomasseverarbeitung durch zusätzliche Verfahrensschritte erweitert werden, um auch aus bisherigen Abfällen noch wertvolle Stoffe zu gewinnen. So kann z.B. eine Anlage zur Fruchtsaftherstellung, Verfahren zur Gewinnung von Ölen oder Pektinen aus den Schalen der Früchte hinzufügen, die Abfälle zu Düngemitteln verarbeiten oder Biogas daraus erzeugen.
- Der Top-Down-Ansatz geht im Gegensatz dazu von einem völlig neu-designten Anlagenkonzept aus, um mit aufeinander abgestimmten Verfahrensschritten soviel Wertstoffe, wie nur möglich aus einer bestimmten Biomasse herauszuholen.
Einige grundlegende Prozessschritte sind aber bei allen Bioraffineriekonzepten zu finden. Sie sind in Abbildung 1 schematisch dargestellt und werden im Folgenden kurz beschrieben.
Grundlegende Prozessschritte
Für die Vorbehandlung (Zerkleinerung oder Reinigung der Biomasse, Entfernen von Störstoffen) kommen mechanische Verfahren zum Einsatz.
Mechanische Auftrennung, chemischer oder biologischer Aufschluss oder eine thermochemische, biochemische Umwandlung in sogenannte Plattformen (Zwischenprodukte) sind der erste Raffinationsschritt (Primärraffination). Hierfür können Verfahren wie z.B. Extraktion, Behandlung mit starken Säuren oder Basen, Vergasung oder Fermentation zum Einsatz kommen. Bedeutende Plattformen sind z.B. C5 oder C6, Zucker, Öle, Lignin, Synthese- oder Biogas.
Die erzeugten Plattformen können dann in vermarktbare Chemikalien, Materialien oder Energie weiterverarbeitet werden (Sekundärraffination). Nahrungs- oder Futtermittel werden meist schon im primären Raffinationsschritt gewonnen.
7.2 Kommerzielle Anwendung und Forschung
Kommerzielle Anwendung
Kommerzielle Anwendung finden vor allem solche Verfahren, die entweder auf der Erzeugung von Biokraftstoffen oder gut vermarktbaren Produkten, wie Zellstoff, Zucker oder Stärke basieren.
Eine schöne Übersicht und interaktive Grafiken zu den Verfahren, Standorten und eingesetzter Biomasse von Bioraffinerieanlagen in Europa bietet diese Website: https://datam.jrc.ec.europa.eu/datam/mashup/CHEMICAL_BIOREFINERIES_EU/
Die folgende Tabelle wurde mithilfe der Informationen von der Website erstellt. Die Seite bietet aber noch viele weitere Auswertungsmöglichkeiten.
Beispiele für Zucker- und Stärkebioraffinerien
Verbio produziert aus landwirtschaftlicher Lignocellulose-Biomasse (Stroh) sowie Getreide und Raps Biogas, Bioethanol und Biodiesel sowie Futter- und Düngemitteln sowie zu hochwertigen Biokomponenten für die Pharma-, Nahrungsmittel- und Chemieindustrie.
Crop Energies eine Tochter von Südzucker produziert aus Zuckerrüben und Getreide Bioethanol, Neutralalkohol, Lebens- und Futtermittel, Biogenes CO₂ und Biochemikalien für die Kosmetik, Pharma- und Chemieindustrie.
Beispiele für holzbasierte Bioraffinerien
UPM Biochemicalsaus Holz Glykole und funktionelle Füllstoffe (RFF) auf Ligninbasis, die für die Herstellung von Textilien, PET-Flaschen, Verpackungen, Kühlmittel, Verbundwerkstoffe, Gummi- und Kunststoffen eingesetzt werden können.
Lenzing produziert aus Holz Zellstoff und Fasern zur Produktion von Textilien und Vliesprodukten.: https://www.lenzing.com/de/nachhaltigkeit/produktion/bioraffinerie
Beispiele für Öl- und Fettbasierte Bioraffinerie
Neste produziert aus Altfetten und Tierabfällen Biodiesel und Biokerosin sowie Polymere und Chemieprodukte: https://www.neste.de/ueber-neste/wer-wir-sind
Forschung und Innovationen
- Ein Hamburger Start-Up extrahiert Lignin auf umweltfreundliche Weise und verarbeitet es zu funktionalen kugelförmigen Partikeln für die Kosmetik-und Lebensmittelindustrie https://www.lignopure.com/
- Übersicht Forschungsprojekte im Bereich Bioraffinerien: https://www.biosc.de/bioraffinerien
- Fraunhofer Forschung Bioraffinerie Leuna: https://www.cbp.fraunhofer.de/de/publikationen/broschueren.html (Organosolv-Verfahren, Verwertung von Lignozellulose)
- Überblick Forschung und Anlagen zur Bioraffinerie, Verschiedene Anlagenkonzepte: https://biooekonomie.de/themen/dossiers/bioraffinerien-nachwachsende-rohstoffe-effizient-nutzen
- Erkenntnisse zum Thema Algenbioraffinerie, die bei einem Verbundprojekt gewonnen werden konnten: https://www.igb.fraunhofer.de/content/dam/igb/documents/publications/berichte/2016/2016_Algen_Bioraffinerie.pdf