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6. Bioplastik

Website: Hamburg Open Online University
Kurs: Verfahrenstechnik für die Bioökonomie
Buch: 6. Bioplastik
Gedruckt von: Gast
Datum: Samstag, 23. November 2024, 09:07

Beschreibung

Ein Buch über die verschiedenen Arten von Bioplastik.

 

6. Bioplastik

 

Von Bioplastik spricht man, wenn der Kunststoff entweder biobasiert ist oder aber biologisch abbaubar. In letzter Kategorie können sich also auch erdölbasierte Kunststoffe finden. Bei der biologischen Abbaubarkeit der Materialien gibt es teilweise große Unterschiede. So ist auch die Geschwindigkeit des Abbaus und die Bedingungen, die dafür benötigt werden, entscheidend. Kunststoffe, die als kompostierbar gekennzeichnet werden, wenn sie rückstandsfrei innerhalb einer bestimmten Zeitspanne in einer industriellen Kompostieranlage oder auf dem heimischen Kompost abgebaut werden können. Biobasierte Kunststoffe werden aus Stärke, Cellulose oder auch Proteine, Chitin oder Lignin hergestellt.

 

Einordnung Biokunststoffe
Einordnung Biokunststoffe von Anne Rödl (CC BY)


Der Marktanteil von Biokunststoffen am gesamten Kunststoffmarkt (390 Mio. t) ist noch sehr gering. 2021 wurden etwa 5,8 Mio. t Biokunststoff produziert (Plastics Europe 2022). Der Anteil der biologisch abbaubaren Kunststoffe an der Gesamtmenge ist größer, als der biobasierter, aber nicht abbaubarer Kunststoffe. Die biologisch abbaubaren Kunststoffe umfassen sowohl biobasierte als auch fossil basierte Kunststoffe. Den größten Anteil an den Biokunststoffen machen PBAT, PLA und Stärke-Blends aus (siehe Abbildung).
Tortendiagramme Anteile Produktion Biokunsstoffe
Anteile Produktion Biokunsstoffe von Anne Rödl (CC BY)

 

 

6.1 Biologisch abbaubare, biobasierte Kunststoffe


Polylactid Acid (PLA)

  • durch Fermentation mittels Milchsäurebakterien wird aus Stärke oder Zucker Milchsäure gewonnen
  • aus der Milchsäure wird Polylactid synthetisiert
  • in großen Mengen verfügbar,
  • wichtiger Kunststoff für Verpackungsindustrie
  • Preise für PLA sind in den letzten Jahren gesunken (ca.2 EUR/kg)
  • in größeren Mengen wird PLA derzeit in den USA, den Niederlanden und Deutschland/China hergestellt


Polyhydroxyalkanoate (PHA)

  • PHA entsteht durch Biosynthese verschiedener Algen und Bakterien als Energiespeichermolekül
  • dazu müssen Bakterienkulturen mit Glukose oder anderen kohlehydratreichen Nährstoffen gefüttert werden
  • es entstehen Polyhydroxybutyrat (PHB) sind Polyhydroxyvalerat (PHV)
  • und Polyhydroxybutyrate-co-valerat (PHBV)
  • nicht wasserlöslich, UV-beständig
  • nicht beständig gegen Säuren und Basen
  • nicht-toxisch und biokompatibel, biologisch abbaubar
  • relativ teuer (3-15 EUR/kg)
  • werden für Getränkeverpackungen, Wegwerfartikel, Agrarfolien oder Müllbeutel eingesetzt


Stärke-Blends

  • der häufigste biologisch abbaubare Kunststoff
  • Kunststoffe aus Stärke-Blends bestehen aus zwei Phasen.
  • Hydrophobes Polymer (meist abbaubare Polyester) und hydrophile thermoplastische Stärke (25-70 %)
  • beide Phasen werden während eines Schmelzvorgangs zu einem wasserfesten Stärkekunststoff verbunden
  • industrielle Herstellung in Italien, Deutschland, Niederlande, Österreich


Polyester aus Zellulose

  • verwendet werden Ester und Ether aus der Zellulose, das aus Holz gewonnen wird = Zelluloseacetat
  • es handelt es sich im Prinzip um Viskose in Folien-Form (Siehe Viskoseherstellung)
  • da technische Essigsäure und Weichmacher bei der Herstellung eingesetzt wird, ist das Produkt nicht 100 % biobasiert
  • Folie aus Cellulosehydrat, auch unter dem Namen Cellophan bekannt ist
  • prinzipiell ist das Material biologisch abbaubar, Beschichtungen verzögern aber den Abbau
  • Verwendung als Verpackungen, Beschichtungen, Zigarettenfilter
  • industrielle Herstellung in UK/USA, Japan, Deutschland, Österreich

6.2 Biologisch abbaubare, fossil-basierte Kunststoffe

Polybutylensuccinat (PBS)

  • gehört zu den Polyestern,
  • Synthese von PBS erfolgt durch Polykondensation der beiden Monomere Bernsteinsäure und 1,4-Butandiol
  • können aus fossilen Rohstoffen, aber auch aus Glucose gewonnen werden
  • ist auch in Gewässern abbaubar
  • kann gut verarbeitet werden (bedrucken, verschweißen, Herstellung von Folie)
  • Verpackungen, Wegwerfbesteck, Mulchfolien, Verbundwerstoffe


Polybutylenadipat-Terephthalat (PBAT)

  • Copolymer/ Copolyester
  • basierend auf 1,4 Butandiol, Adipinsäure und Terephtalsäure
  • meist aus fossilen Rohstoffen hergestellt
  • ähnliche Eigenschaften wie Polyethylen
  • gute Dehnbarkeit, thermische Beständigkeit
  • biologisch abbaubar, kompostierbar in industriellen Anlagen
  • Herstellung von Folien für Verpackung, Mülltüten, Einkaufstaschen oder Mulchfolien
  • kann auch mit Stärke zu Stärke-Blends verwendet werden


6.3 Nicht abbaubare, biobasierte Kunststoffe


Polyethylen (PE)

  • weit verbreiteter Kunststoff (erdölbasiert: 30% des produzierten Kunststoff weltweit)
  • weich, flexibel, durchscheinend, geruchsfrei
  • Fertigung von Verpackungen, Folien, Isoliermaterial, Flaschen
  • beständig gegen Öle, Säuren, Basen, biobasiertes PE geringere Barriereeigenschaften
  • brennbar, nicht witterungs- und UV-beständig,
  • relativ gute recycelbarkeit
  • Herstellung basierend auf Ethanol aus Zuckerrohr in Brasilien


Polypropylen (PP)

  • weit verbreiteter Kunststoff (erdölbasiert: 24 % des produzierten Kunststoffs weltweit)
  • relativ hart, fest, hohe thermische Stabilität, Säurebeständig
  • Fertigung von Abflussrohren, Autoteile, Gehäuse von Elektrogeräten, Gartenmöbel, Verpackungen, FFP2-Masken (aus PP-Fasern)
  • gut recycelbar, aber nicht biologisch abbaubar
  • zerfällt unter UV Einstrahlung in Mikroplastikpartikel
  • biobasierte Herstellung aus Pflanzenölen ohne wesentliche Änderung der Eigenschaften
  • Preis der biobasierten Variante 50 bis 100 % höher als erdölbasiertes PP
  • kommerzielle Herstellung auf Basis hydrierter Pflanzenöle derzeit relativ gering (2 Anlagen in Deutschland und Belgien)


Polyamid (PA)

  • Kunststoff aus Monomeren, die über Amidbindungen zu Polymeren verbunden sind
  • hohe Festigkeit, hohe Zähigkeit, abriebfest, gute chemische Beständigkeit gegenüber organischen Lösemitteln, nicht säurebeständig
  • bekannt als Perlon, Dederon oder Nylon
  • Fertigung von Bekleidung, technischem Gewebe, Saiten für Musikinstrumente, Haushaltsgegenstände, Fahrzeugteile, Isolatoren
  • recycelbar, aber nicht biologisch abbaubar
  • biobasierte Herstellung der Monomere aus Pflanzenölen, ohne wesentliche Änderung der Eigenschaften des PA
  • kommerzielle Herstellung auf Basis von Rizinusöl derzeit relativ gering (2 Anlagen in Deutschland und Frankreich)


Polytrimethylenterephthalat (PTT)

  • gehört zu den Polyestern
  • elastisch, dimensionsstabil, weich
  • Anwendnung als Fasern für Teppiche oder Textilien, technische Kunststoffe
  • Ausgangsstoff ist 1,3 Propandiol
  • 1,3 Propandiol kann auch biochemisch hergestellt werden
  • nicht biologisch abbaubar
  • Produktionskapazitäten für biobasiertes 1,3 Propandiol vor allem in den USA China


Gummi

Ein vollkommen natürliches Biopolymer, das auch schon seit langer Zeit vom Menschen verwendet wird, ist Kautschuk. Es wird aus dem Milchsaft (Latex) des Kautschukbaumes gewonnen, der in tropischen Gebieten in Südamerika, Afrika und Asien vorkommt. Mit Schwefel versetzt und erhitzt (Vulkanisation) entsteht Gummi. Charles Goodyear entwickelte dieses Verfahren im Jahr 1839. Heute noch werden Reifen, Dichtungen, Handschuhe, Schuhsohlen oder Matratzen aus Kautschuk hergestellt. Anders als der Rohstoff Kautschuk ist das Produkt Gummi nicht biologisch abbaubar oder kompostierbar.

Die Geschichte der Kautschukgewinnung war Anfang des 20. Jahrhunderts auch eng mit der Kolonialisierung in Afrika und Südamerika verbunden, wo es aufgrund der zu erwartenden Gewinne durch die Kautschukvermarktung zu Ausbeutung und Gewalt an der ursprünglichen Bevölkerung kam.