2. Lufttransportsysteme
10. Luftverkehr & Umwelt
10.3. Fluglärm
Schallwellen sind Schwingungen der Materie, die mit dem Ohr gehört oder mit physikalischen Geräten nachgewiesen werden können. Der Schall pflanzt sich im Medium (bei Fluglärm: Luft) als periodische Schwankungen der Dichte in longitudinalen Wellen fort. Schallwellen werden in der Atmosphäre durch örtliche Schallgeschwindigkeit und Schalldruck charakterisiert.
Die Schalldruckamplitude p der Schallwelle ist dabei ein Maß für die Lautstärke:
- Unterste Hörschwelle: 2·10^-5 Pa (leiser als ein Flüstern)
- Hörschmerz: Ab ca. 1 Pa (Größenordnung von Werkzeugen / Baumaschinen)
Der Schalldruck wird gewöhnlich als Schalldruckpegel (SPL) angegeben:
SPL = 20 · log(p / p_0) [dB]; p_0 = Bezugsschalldruck = 2·10^-5 Pa
Die Schallintensität (I) ist eine quantitative physikalische Größe für den Energietransport einer Schallwelle:
I = P² / (ρ · c)
I = P² / (ρ · c)
- P = Leistung
- ρ = Dichte des Trägermediums
- c = Schallgeschwindigkeit im Trägermedium
Pegel L_I = 10 · log(I / I_0) [dB]; I_0 = Bezugsintensität = 1 · 10^-12 W
Eine Erhöhung des Schalldruckpegels um +10dB (A) wirkt subjektiv wie eine Verdopplung, aber eine Verdopplung der Lärmquelle erhöht den Lärmpegel um +3 dB(A) (also zum Beispiel 2 identische Triebwerke nahe nebeneinander statt 1 einzelnen Triebwerk).
Lärm ist eine subjektive Bewertung für den Belästigungsgrad von Schall-
Momentane Maximalpegel:
- Perceived Noise Level (PNL): Maß für den momentanen Lärmeindruck, ermittelt über empirische Gewichtung der Intensitäten einzelner Frequenzbänder zum Gesamt-Lärmeindruck. Diese Frequenzbewertung findet sich ausschließlich beim Fluglärm.
- Tone Corrected Perceived Noise Level (PNLT): Addition einer Tonkorrektur C für Tonlärm im Frequenzspektrum: PNLT = PNL + C
- A-bewerteter Schalldruckpegel (LA) [dB (A)]: Bewertung des momentanen Lärmeindrucks nach der A-Bewertungskurve. Diese Frequenzbewertung wird für eine Vielzahl von Lärmquellen verwendet (also auch oft für Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, lokale Klimageräte, etc.)
Maximalpegel für ein Ereignis:
- Effective Perceived Noise Level (EPNL): Maß für den Lärmeindruck bei Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs eines Schallereignisses. Addition einer Dauerkorrektur D durch Integration der momentanen Maximalpegel PNLT über der Zeit. Berücksichtigt werden alle Pegel, die größer als PNLT_MAX -10 dB sind: EPNL = PNLT + D [EPNdB]
Pegel für mehrere Ereignisse
- Sound Exposure Level (SEL): Maß für den momentanen Lärmeindruck bei Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs eines Schallereignisses. Analoge Berechnung wie beim EPNL, nur ohne Tonkorrektur und mit dem A-bewerteten Schalldruckpegel als Basis.
- Energieäquivalenter Dauerschallpegel (Leq): Maß für die Lärmemission an einem Tag auf Basis des SEL. Häufige Verwendung zur Lärmbeurteilung in Europa.
- Day-Night Level (DNL): Maß für die Lärmemission an einem Tag auf Basis des SEL. Häufige Verwendung zur Lärmbeurteilung in Amerika. Nachts werden Geräusche um 10 dB höher bewertet als tagsüber.
Neben dem physikalischen Druck, den Lärm auf das menschliche Gehör aufprägt, spielt auch die Frequenz eine Rolle, in der der Lärm wirkt.
Phon
Aufgrund der Frequenzabhängigkeit des Schalldruckpegels gilt nur bei einer Frequenz von 1kHz die Vereinfachung:
Phon = dB
Beispiele für typische Schalldruckpegel [dB(A)]:
- Ca. 0: Hörschwelle
- Ca. 18 - 42: Leises Flüstern (geringe Entfernung zum Hörer)
- Ca. 40 - 52: Ruhiges Wohngebiet
- Ca. 48 - 77: Normales Gespräch (geringe Entfernung zum Hörer)
- Ca. 64 - 68: Abroll-, Fahrwerks- & Windgeräusche von Mittelklasse Pkw bei zügiger Fahrt auf normaler Fahrbahn (ohne Motorschall) - (geringe Entfernung zum Hörer)
- Ca. 68 - 77: Schmalrumpfflugzeug im Steigflug beim Überflug über den Hörer 6,5km hinter der Startbahn (starke Abhängigkeit von Triebwerkstyp)
- Ca. 72 - 76: Abroll-, Fahrwerks- & Windgeräusche von Geländewagen / kleinem Lkw bei zügiger Fahrt auf normaler Fahrbahn (ohne Motorschall) oder stehender Mittelklasse Pkw mit laufendem modernen Ottomotor (geringe Entfernung zum Hörer)
- Ca. 77 - 85: Stehendes Kfz mit laufendem älteren Ottomotor (geringe Entfernung zum Hörer)
- Ca. 78 - 82: Zügig fahrender Pkw in 7,5m Entfernung (Überlagerung verschiedener Geräusche von Fahrwerk, Fahrbahn, Motor, etc.)
- Ca. 88 - 92: Zügig fahrender Lkw in 7,5m Entfernung (Überlagerung verschiedener Geräusche von Fahrwerk, Fahrbahn, Motor, etc.)
- Ca. 88 - 110: Laute Musik (über Kopfhörer oder Hörer 2m von Lautsprecher entfernt)
- Ca. 110 - 130: Innerhalb einer lauten Diskothek oder wenige Meter Entfernung zu einem Presslufthammer
Gesetze & Zulassungsvorschriften zum Fluglärm
Unterscheidung in zwei Kategorien von Vorschriften und Beschränkungen:
- Lärmzertifizierung / -zulassung von Flugzeugen nach ICAO Annex 16
- Operationelle Beschränkungen an Flughäfen
Ziel dessen ist es, die gesetzlich geregelten Grenzen für Lärm einzuhalten. Über operationelle Beschränkungen lässt sich beispielsweise in das unterschiedliche Lärmempfinden zu Tages- beziehungsweise Nachtzeiten regeln.
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Für die Lärmzertifizierung hingegen ist gewissermaßen ein Prüfaufbau notwendig.
Der Schalldruck wird dabei an 3 Stellen im Umfeld eines Flugplatzes beim Start- und Landevorgang gemessen:
Der Schalldruck wird dabei an 3 Stellen im Umfeld eines Flugplatzes beim Start- und Landevorgang gemessen:
- Landeanflug (Approach): Messpunkt befindet sich 2km vor der Landebahn am Boden
- Abflug (Fly Over): 6,5km hinter dem Break Release Point, also wenige Kilometer hinter dem Ende der Startbahn
- Sideline / Lateral: 650m (Chapter 2) bzw. 450m (Chapter 3) seitlich neben der Start- / Landebahn
Jedem dieser Messpunkte sind maximal zulässige Schallpegel zugeordnet.
Die Strenge (also eigentlich der Wert) der zulässigen Schallpegel am jeweiligen Messpunkt hängen vom Lärmchapter (Chapter 2 / Chapter 3 / Chapter 4) und der maximalen Abflugmasse des Flugzeugmusters zusammen (vgl. ICAO Annex 16).
Die Lärmchapter in Annex 16 sind Vorschriften, die regelmäßig aktualisiert / verschärft werden, sodass man vereinfacht sagen kann, dass Chapter 2 für alte Flugzeugmuster, Chapter 3 für mittelalte Flugzeugmuster und Chapter 4 für neuere Flugzeugmuster (seit dem Jahr 2006) gilt. Gemäß jedes Lärmchapters ist an jedem der 3 Messpunkte ein maximales Noise Level [EPNdB] in Abhängigkeit von der maximalen Abflugmasse definiert. Massereichere Flugzeuge dürfen daher tendenziell etwas lauter sein als massearme Flugzeuge (höchstens 15dB Unterschied für unterschiedliche Flugzeugmassen innerhalb des jeweiligen Chapters am jeweiligen Messpunkt). So war nach Chapter 2 am Messpunkt Fly Over für Flugzeuge mit MTOM = 30t ein Noise Level von 93dB erlaubt und für Flugzeuge mit MTOM = 400t sogar ein Noise Level von 108dB erlaubt. Nach Chapter 3 sind dort nur noch 89dB beziehungsweise 101dB erlaubt. Gemäß Chapter 4 sind für Flugzeugmuster ab 2006 nur noch Noise Levels von kumulativ mindestens 10dB unter Chapter 3 in allen 3 Messungen zusammen erlaubt. Also je älter und je höher das MTOM eines Flugzeugs, desto höher sind die erlaubten Schallpegel.
Betrachtet man den Trend der tatsächlichen Flugzeuge in Bezug auf die zulässigen Grenzen, so lässt sich ein positives Fazit ziehen. Die vor dem Jahr 1970 zugelassenen Flugzeugmuster lagen nur knapp unterhalb der dann neu in Kraft getretenen Grenzwerte von Chapter 2. Seit etwa dem Jahr 1990 liegt der kumulative Schallpegel der meisten neuen Flugzeugmuster bereits unter dem seit dem Jahr 2006 geltenden Wert von Chapter 4. Überdies gilt, dass Flugzeuge neuer Bauart mit jeder Indienststellung den Abstand zu den gesetzlichen Grenzen, welche regelmäßig verschärft werden, weiter vergrößern. Bei modernsten Verkehrsflugzeugen wie der Boeing 787 "Dreamliner" bleibt der Bereich, in dem am Boden Schalldruckpegel von 85dB(A) oder höher gemessen werden können, auf größeren Verkehrsflughäfen vollständig auf dem Gelände des Flughafens. Damit wirkt das Flugzeug zu jeder Zeit selbst für Anwohner, die sich im unmittelbaren Umfeld des Flughafens auf offenem Gelände befinden, immerhin leiser als ein in 7,5m Entfernung zügig vorbei fahrender Lkw. Wie Fluglärm an welchen Orten am Boden wahrgenommen wird, beschreibt das Wort Lärmteppich.
Autobahnen und größere Regionalflughäfen oder kleinere internationale Flughäfen weisen vergleichbare Lärmpegel von etwa 70 bis 75 dB(A) im unmittelbaren Umfeld auf.
Schallquellen am Flugzeug
Zum von Flugzeug emittierten Schall tragen verschiedene Teile (und Effekte) des Flugzeugs bei.
Von besonderer Relevanz sind dabei:
- Triebwerk
- Rumpf-Abgasstrahl Interferenz
- Fahrwerk
- Hochauftriebshilfen
- Flügelspitzen
Beim Start dominiert der triebwerksbedingte Lärm.
Bei der Landung spielt der strukturbedingte Lärm (Lärmquelle Flugwerk / Aerodynamik) eine wesentliche Rolle (so zum Beispiel die Hochauftriebshilfen / Landeklappen). Der Triebwerkslärm ist jedoch weiterhin signifikant.
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Maßnahmen zur Lärmminderung
Neben grundsätzlichen konstruktiven Lärmminderungsmaßnahmen, zu denen Flugzeughersteller durch die Grenzwerte zur Lärmzertifizierung beitragen müssen, gilt es weitere Aspekte zur Lärmminderung zu berücksichtigen.
Neben grundsätzlichen konstruktiven Lärmminderungsmaßnahmen, zu denen Flugzeughersteller durch die Grenzwerte zur Lärmzertifizierung beitragen müssen, gilt es weitere Aspekte zur Lärmminderung zu berücksichtigen.
- Nachtflugbeschränkungen
- Überwiegend an europäischen Flughäfen
- Anwendungen:
- Nur eine Startbahn geschlossen
- Betriebszeit nach maximalem Lärmpegel
- Generelles Nachtflugverbot.
- Begrenzung des Lärmpegels
- Flugverbot bei Überschreitung eines Lärmpegels
- Strafgebühren bei Überschreitung eines Lärmpegels
- Quotenregelung
- Maximale Anzahl der Flüge pro Airline oder pro Zeitintervall
- Slotvergabe nach Lärm
- Lärmgebühren: Einflussfaktoren sind:
- Lärmpegel
- Abflug- bzw. Ankunftszeit
- Jahreszeit.
- Lärmmindernde Flugverfahren
- Vertikale & horizontale Flugverfahren zur Lärmminderung
- Gezielte Lärmreduktion durch Thrust Cutback
- Durch steile An- & Abflüge lässt sich der Lärmteppich am Boden erheblich verringern.
An vielen Flughäfen sind die Landegebühren abhängig vom Zeitintervall (05:00 bis 23:00 günstiger als 23:00 bis 05:00) und der Lärmzertifizierung (Flugzeuge ohne Lärmzertifizierung besonders teuer oder sogar nur Landung in Notfällen erlaubt, Chapter 2 entsprechend im jeweiligen Zeitintervall immer noch relativ teuer, Chapter 3 etwas günstiger, Chapter 4 noch günstiger, etc.). Dies ist insbesondere an Verkehrsflughäfen in Deutschland der Fall. Die lärmgebundenen Landegebühren werden dann pro Tonne MTOM in der jeweiligen Preisklasse nach Zeitintervall und Lärmklasse erhoben. Typische Preise liegen zwischen 2,50€/t und 19€/t, können aber durchaus auch in einem Bereich von 1€/t bis 25€/t liegen.