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2. Lufttransportsysteme

2. Luftverkehr

2.3. Besonderheiten im Luftverkehr

Regulierung

Das Verkehrswesen bildet traditionell einen Schwerpunkt aktiver staatlicher Einflussnahme und zwar in besonderem Maße für den Verkehrsträger Luftverkehr, da er größtenteils grenzüberschreitend erfolgt. Insbesondere ist daher eine starke Internationalisierung der Regeln im Luftverkehr vorhanden - die Regularien sind international vergleichbar oder identisch, weil nur so internationaler Luftverkehr praktikabel sein kann.

Der Verkehr besitzt eine Vorrangstellung gegenüber anderen Branchen der Wirtschaft.

Dies begründet sich aus:
  • Wirtschaftlichen Gründen
    • Exportorientierte Industrien benötigen Vertriebswege
    • Wirtschaftsstandort benötigt schnelle Verkehrswege
  • Politischen Gründen (nationale Interessen)
    • Machtentfaltung, Machtbewahrung des Staates - Lufthoheit
    • Eigene Luftverkehrsflotte (z.B. Reserve für Transportbedarf im Kriegs- oder Krisenfall)
    • Prestigedenken: Nationaler „Flag-Carrier“ (Air France, Iberia, Air India, Alitalia, British Airways, Lufthansa, etc.)

Aufgrund der Internationalität des Luftverkehrs einerseits und der Lufthoheit des Staates andererseits ergeben sich enge Berührungspunkte zwischen Staat und Luftverkehr.

Transportabläufe

Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern (zum Beispiel Zug oder insbesondere Pkw) weisen Flugreisen vergleichsweise hohe Nebenlaufanteile auf. Nebenlaufanteile sind der Anteil an der Gesamtreisezeit, der nicht auf den eigentlichen Transporthauptlauf entfällt (also zum Beispiel Anreise zum und Aufenthalt am Flughafen sowie entsprechend auch die Abreise in Abgrenzung zur reinen Flugzeit als Transporthauptlauf). Im Nebenlauf wird (praktisch) keine Transportleistung beziehungsweise (praktisch) keine Transportarbeit erbracht. Daher lohnen sich Flugreisen trotz der hohen durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit im Transporthauptlauf oft erst ab einer gewissen Distanz im Vergleich zur Reise mit dem Zug oder dem Pkw. Oft sind hier etwa 300 km bis 500 km als Untergrenze für das Lohnen einer Flugreise in Konkurrenz zu Bahn oder Pkw zu beobachten.

Die Effizienz eines Transportsystems wird somit nicht nur durch die Hauptreisegeschwindigkeit beziehungsweise die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit im Transporthauptlauf bestimmt, sondern auch von den Nebenlaufanteilen. Die Transporteffizienz ist gekennzeichnet durch die Balance zwischen den Aufwendungen (Zeit, Energie, Kosten) und der resultierenden Transportleistung.

Eine Betrachtung von Transportketten bietet sich an hinsichtlich:
  • Zeitbedarf
  • Energiebedarf
  • Kosten
  • Umweltwirkung
wobei insbesondere der Energiebedarf oft nicht sinnvoll isoliert betrachtet werden kann sondern als Teil der anderen Größen aufgefasst werden kann, die dann für eine Bewertung auf hoher Abstraktionsebene geeignet sind.

Angebot & Auslastung

Aufgrund steigender operativer Kosten (zum Beispiel Treibstoffkosten) geht der Trend über alle Flugzeugklassen hinweg zu einer höheren Sitzplatzkapazität pro Flugzeug. Dies erklärt sich aus steigender Effizienz beziehungsweise fallenden Kosten pro Passagier bei höherer Passagierzahl pro Flugzeug. Insbesondere sollen keine leeren Sitze "mitfliegen", weshalb unabhängig von der Sitzplatzanzahl im jeweiligen Flugzeug ein möglichst hoher Sitzladefaktor beziehungsweise Auslastungsfaktor angestrebt wird. Der Auslastungsfaktor ist (unter Vernachlässigung der Lage während der COVID-19-Pandemie) seit Jahrzehnten steigend (81,9% im Jahr 2018). Dies ist zurückzuführen auf verbesserte operative Methoden (flexiblere Netzplanung und Buchungssysteme). In der Luftfracht lag der Auslastungsfaktor Im Jahr 2018 hingegen nur bei 49,3%.

Diese Trends haben zahlreiche positive Effekte. So sinken beispielsweise die Kosten pro Passagier unter anderem durch einen geringeren Treibstoffverbrauch pro Passagierkilometer (und somit auch sinkender Emissionen) sowohl bei Flugzeugen mit größeren Abmessungen als auch selbstverständlich mit steigendem Auslastungsfaktor. Dieser Trend ist jedoch nicht beliebig fortführbar. Beispielsweise hinsichtlich der Flugzeugabmessungen wegen der Abmessungen der Stellplätze am Boden, der Start- und Landebahnlängen und anderer limitierender Faktoren und hinsichtlich des Auslastungsfaktors aufgrund der mathematischen Grenze einer Auslastung von 100%. Außerdem muss selbstverständlich die Nachfrage vorhanden sein, um die Sitzplätze auch tatsächlich besetzen zu können.

Nutzungsprofil & Auslegungsreichweite

Es ist im realen Betrieb zu beobachten, dass zahlreiche Flugzeugmuster in der Mehrheit der Flugbewegungen deutlich unter der Auslegungsreichweite beziehungsweise deutlich unter der Reichweite, die bei maximaler Nutzlast erreicht werden kann, betrieben werden. Bei vielen Flugzeugmustern liegen 75% aller Flüge bei weniger als der Hälfte der Auslegungsreichweite. Diese Nutzungsprofile erklären sich zum Teil durch die tendenziell höhere energetische Effizienz pro Passagier bei größeren Flugzeugen. Da größere Flugzeuge typischerweise mit großen Reichweiten einhergehen, tendieren die Marktakteure dazu, diese effizienten, großen Flugzeuge auch auf verhältnismäßig kurzen Flugstrecken einzusetzen. Darüber hinaus werden bei gleicher Anzahl an beförderten Passagieren weniger "Slots" an den Flughäfen und allgemein tendenziell weniger Infrastruktur benötigt (Skalierungseffekte). Zudem kann es vorteilhaft sein, Mittelstreckenflugzeuge auch auf der Kurzstrecke einzusetzen, statt zusätzliche Kurzstreckenmuster anzuschaffen und dadurch die Vielfalt der Flotte zu erhöhen, was mit höheren Kosten einher gehen kann. Auch andere Einflussgrößen tragen hierzu bei, die jedoch vom Kern des Themas weg führen.

Berücksichtigt werden sollte in jedem Fall jedoch der Effekt, dass der Betrieb von Flugzeugen deutlich unter der Auslegungsreichweite zu einer höheren Anzahl an Flugbewegungen des jeweiligen Flugzeugs pro Jahr führt, als er anhand der Auslegungsreichweite zu erwarten wäre.

Wichtig ist insbesondere vor dem Hintergrund der Flugsicherheit, dass hierdurch pro Jahr, das das Flugzeug im Einsatz ist, mehr Starts und Landungen absolviert werden, womit sich die Belastungen des Flugzeugs gegenüber dem Auslegungs-Nutzungsprofil verändern. Ähnlich wie bei Kraftfahrzeugen für den Straßenverkehr lässt sich im Kurzstreckenbetrieb auch bei Flugzeugen ein höherer Instandhaltungsaufwand für zahlreiche Systeme beobachten, da Verschleißverhalten und Ermüdungsmechanismen anders zur Geltung kommen als im Langstreckenbetrieb. Viele Instandhaltungsaspekte orientieren sich daher nicht oder nicht nur an der Zahl der Flugstunden sondern (auch) an der Zahl der Landungen. Dies nimmt unter den benannten Entwicklungen an Bedeutung zu.

Flugreise & Einnahmen

Das Produkt "Flugreise" ist keine Ware sondern eine Dienstleistung. Sie ist daher nicht stofflich beziehungsweise nicht greifbar. Ein Ausprobieren wie beim online-Kauf entfällt daher. Der Passagier bucht den Flug in der Hoffnung auf eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistung.

Der Verkäufer (Airline, Agent) hat keine dingliche Sicherheit am Produkt für den Fall, dass der Kunde die Bezahlung des Kaufpreises verweigert. Daher besteht er auf eine Vorauszahlung. Der Passagier hat bei eventuellen Mängeln praktisch keine Rückgabe- oder Umtauschmöglichkeit, jedoch im Rahmen der Gesetze (EU-Fluggastverordnung) bestimmte Fluggastrechte, die über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen wirken.

Die Erstellung und der Konsum der Dienstleistung „Flugreise“ fallen zeitlich und räumlich zusammen. Eine Produktion auf Vorrat oder Speicherung ist unmöglich. Ein leerer, nicht verkaufter Sitzplatz ist eine verlorene, auch später nicht mehr nutzbare Einheit. Der Verkäufer benötigt zum kostendeckenden Betrieb daher einen hohen durchschnittlichen Sitzladefaktor beziehungsweise Auslastungsfaktor.

Die Grundleistung des Produkts „Flugreise“ ist die Beförderung einer Person vom Ausgangspunkt zum Zielort. Diese Grundleistung wird durch Serviceleistungen vor, während und nach dem Flug ergänzt. Serviceleistungen werden neben dem Flugplan (Abflugzeit, Route, Bedienungshäufigkeit) zum wichtigsten Wettbewerbsparameter. Mit steigender Wichtigkeit der Serviceleistungen nimmt der Anteil der Einnahmen im Luftverkehr, die nicht aus dem Ticketverkauf stammen, zu (Gepäckgebühren, On-Board-Service, Verpflegung, etc.). Diese "Ancillary Revenues" können sowohl in der Kabine als auch am Flughafen generiert werden und betrugen im Jahr 2016 durchschnittlich 17,60 $ pro Passagier. Der weltweite Umsatz der "Ancillary Revenues" hat sich vom Jahr 2010 in den nur 7 Jahren bis zum Jahr 2017 etwa verdoppelt und betrug damit im Jahr 2017 bereits etwa 82 Milliarden $.

Ebenfalls von Interesse zur Betrachtung von Flugreisen sind die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Passagiergruppen. Insbesondere hervorzuheben ist die Unterscheidung zwischen Urlaubern und Geschäftsreisenden. Die Sensibilität für Ticketpreis, Check-In-Dauer, mitnehmbares Gepäck, Komfort, Kommunikationsmöglichkeiten, etc. ist stark unterschiedlich.