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Digitale Medien in der Lehre

3. Potenziale mediendidaktischer Lehre

Du bist noch nicht ganz überzeugt von der Lehre mit digitalen Medien? Hier einige Anreize, um mediendidaktisch tätig zu werden.

Die Digitalisierung in der Lehre bietet enorme Chancen im Hinblick auf die Flexibilisierung und Individualisierung Deines Lehrangebots – und damit für die Verbesserung der Lehre insgesamt. Mehrere wesentliche Bereiche lassen sich nennen, in denen die Digitalisierung ihr Potential für diesen Zweck entfaltet. Howe und Knutzen (2014) halten in Band 7 ihres Konzeptes "Die Kompetenzwerkstatt: Kompetenz- und prozessorientierte Berufsbildung" die Potenziale mediengestützter Lehre fest. Die Ausgabe "Die gesamte Bandbreite nutzen. Mit digitalen Medien in MINT-Fächern lernen" der Schriften zur Didaktik in den Ingenieurwissenschaften des ZLL an der TUHH fasst diese zusammen:

Bereitstellung von Inhalten

Die digitale Aufbereitung ermöglicht das orts- und zeitunabhängige Abrufen und Lernen von Inhalten. Zudem lassen sich digitalisierte Materialien einfacher über das Internet verbreiten und anderen zugänglich machen.

Beispiel: Du möchtest, dass sich Deine Schülerinnen und Schüler auf die nächste Unterrichtsstunde vorbereiten. Die notwendigen Unterlagen dafür befinden sich auf Deinem Rechner. Sie allen auszudrucken würde Dich Zeit und Papier kosten, außerdem befinden sich in dem Dokument verschiedene Links, die auf Webseiten führen. Was also tun? Deine Daten liegen bereits digital vor, das ist schon einmal prima. Um sie Deinen Lernenden zur Verfügung zu stellen, kannst Du beispielsweise Online-Plattformen wie Dropbox oder droplr nutzen, auf denen Du die Materialien in einem geschlossenen Raum teilen kannst. Eine weitere Möglichkeit der Vebreitung bieten Open Source Lernmanagementsysteme wie moodle, OLAT, StudIP, Chamilo oder ILIAS. Deine Schülerinnen und Schüler können zeit- und ortsunabhängig auf sie zugreifen und sich auf die nächste Sitzung vorbereiten.

Die Möglichkeit zur digitalen Bereitstellung von Inhalten kann nicht nur die Präzenzlehre bereichern, sie ermöglicht auch ganz neue Formen der Lehre – die Online-Lehre:

  • Beim Blended-Learning ersetzen digitale Medien in bestimmten Phasen des Lehr- und Lernprozesses die Lehrperson. So kann ein Kursinhalt beispielsweise von den Lernenden in Form der Online-Lehre recherchiert, kommuniziert und erarbeitet werden (hierfür bieten sich ebenfalls die oben genannten Lernmanagemntsysteme an), um anschließend in Präsenzsitzungen diskutiert und präsentiert zu werden.

  • Auch reine Online-Lehre ist mit der Nutzung digitaler Medien möglich: In diesem Fall nimmt die lehrende Person lediglich die Position eines Moderators ein und steuert den Online-Lernprozesses, den die Lernenden selbst organisieren. Ein Beispiel hierfür sind Kurse der Fernhochschule, die eine zeit- und ortsunabhängige Bearbeitung der jeweiligen Bildungsinhalte ermöglichen.

Visualisierung

Lerninhalte lassen sich mit Hilfe digitaler Medien auf eine Art und Weise aufbereiten, die sie für Lernende leichter zugänglich machen – nicht nur durch Fotos und Filme, sondern z. B. auch durch die Animation technischer Funktionen oder physikalischer Sachverhalte.

Beispiel: Sagen wir, Du lehrst im Fach Chemie und möchtest Deinen Lernenden eine Reaktion anhand eines Versuches näherbringen. In Deinen Räumen kannst Du selber diesen Versuch leider nicht durchführen. Die Reaktion nur schriftlich oder verbal zu erläutern, entspricht nicht Deinen Lehrvorstellungen. Hilfreich wäre beispielsweise ein Video, in dem der Versuch dargestellt wird. Für Lehrvideos gibt es bereits zahlreiche Plattformen, mit einem breiten Angebot an frei lizenzierten, also offenen Materialien, die Dir erlauben, diese in den Unterricht einzubinden. Eine Übersicht findest Du in der OERientation-Datenbank.

Zusammenarbeit

Die Vielfalt an digitalen Werkzeugen zur elektronischen Kommunikation ermöglicht es, gemeinsam (sowohl gleichzeitig als auch zeitversetzt) Aufgaben zu bearbeiten. Foren, Chats oder auch Blogs können die Kommunikation und Kollaboration zwischen den Lernenden unterstützen und die gemeinschaftliche Bewältigung und Bearbeitung von Lehraufträgen fördern.

Beispiel: Stell Dir vor, Du lehrst Deutsch an einer weiterführenden Schule. Zu dem Buch, das ihr gemeinsam im Unterricht lest, soll nach und nach eine Zusammenfassung entstehen, die anschließend der Prüfungsvorbereitung dienen soll. Doch wie organisierst Du es, dass alle Schülerinnen und Schüler ihr Wissen an einem Ort zusammentragen und austauschen? Hier kann Dir beispielsweise ein Wiki helfen. Das Content-Management-System erlaubt Dir, entweder im Netz, in einem lokalen Netzwerk oder desktopbasiert mit mehreren Personen Texte zusammenzutragen. Dabei kannst Du auf Versionskontrollen zurückgreifen, also kontrollieren, welche Änderungen vorgenommen wurden und angenommen werden sollen. Eine weitere Möglichkeit zur gemeinsamen Erstellung und Bearbeitung von Text stellt die Arbeit in einem Etherpad dar.

Strukturierung

Mit ihren Möglichkeiten zur flexiblen Sortierung und Anordnung sowohl von Text als auch von grafischen Elementen, bieten viele digitale Werkzeuge sehr gute Möglichkeiten zur Strukturierung von Inhalten und Gedanken. In digitalen Datenbanken lassen sich Inhalte zudem ablegen und mithilfe von Schlagwörtern oder sogenannten Tags klassifizieren und entpsrechend einfach wiederfinden. Um ein Beispiel zu nennen: Mit edutags (auch in der OERientation Datenbank zu finden) kannst Du digitales Bookmarking betreiben, Dir also interessante Webseiten digital merken und sie mit anderen teilen.

Beispiel: Nehmen wir an, Du sitzt am Schreibtisch und bereitest Deine Lehre vor. Dabei handelt es sich um einen neuen Lehrinhalt, den Du Dir selbst noch erschließen musst. Wie also diesen Inhalt an die Lernenden weitergeben? Zur Strukturierung Deiner eigenen Gedanken kannst Du nicht nur Textverarbeitungsprogramme oder digitale Präsentationsformen heranziehen, auch digitale Mindmaps können die Ordnung Deines Wissens erleichtern. Um anschließend Arbeitsblätter oder andere Kursmaterialien mit diesen Notizen anzufertigen, musst Du sie nicht erst abtippen. Kopiere Deine Arbeit einfach, strukturiere sie und erstelle daraus neue Materialien. Oder teile Dein Dokument online mit den Lernenden.

Diagnose/Test

Eine Einschätzung des Lernstands von Schülerinnen und Schülern wird vereinfacht, wenn beispielsweise große Gruppen über digitale Testmodule die Möglichkeit haben, Aufgaben zu lösen oder Feedback digital geben zu können.

Beispiel: Gehen wir davon aus, dass Du, wie viele Lehrenden, nicht viel Zeit zur Verfügung hast, Dir am Ende Deines Kurses das Feedback aller Lernenden einzuholen. Trotzdem interessiert Dich natürlich, was diese von Deinem Angebot halten, was sie gelernt haben und was Du womöglich noch besser machen könntest. Open Source Feedback-Software wie beispielsweise Lime Survey erlaubt Dir anonymes, zeit- und ortsunabhängiges Feedback und andere Umfragemöglichkeiten.

Reflexion

Digitale Werkzeuge wie z. B. E-Portfolios erlauben es, Lernprozesse festzuhalten, den eigenen Wissensstand, eigene Kenntnisse und Fähigkeiten zu reflektieren und mit anderen zu teilen.

Beispiel: Möchtest Du, dass sich Deine Studierenden mit dem Kursinhalt auseinandersetzen und diesen bezogen auf eine Fragestellung reflektieren. Oder befinden sie sich in einem Praktikum und sollen ihre Erfahrungen mit ihrem Studium in einen Kontext setzen? Dann ist all das beispielsweise in Form eines E-Portfolios möglich. Dieses kann Dir von den Lernenden nach Erstellung zur Verfügung gestellt werden. Ein Open Source Tool hierfür wäre unter anderem Mahara.

Digitale Medien setzen an der Lebenswelt der Lernenden an

Möchtest Du digitale Medien in der Lehre einsetzen, wirst Du höchstwahrscheinlich nicht vor dem Problem stehen, dass Deine Lernenden digitale Medien nicht kennen. Eventuell kennen sie sich sogar besser mit ihnen aus als Du. Nutzt Du digitale Medien in der Lehre, kannst Du im besten Fall also davon profitieren, dass die Lernenden dessen Nutzung aus dem Alltag kennen. Du setzt an ihrer Lebenswelt an, was durchaus motovierende Einflüsse haben kann.

Beispiel: Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, Deine Lernenden einen Kurzfilm zu einem Lehrinhalt mit Hilfe ihres Smartphones drehen zu lassen? Genau so gut funktioniert das Gerät für Audio- oder Fotoaufnahmen. Möglichkeiten zum mobilen Lernen mit dem Smartphone zeigt beispielsweise das Landesinstitut Hamburg hier auf.

Der multimediale Medieneinsatz kann sich positiv auf die Lernmotivation auswirken

"Das Lernen mit digitalen Medien macht Spaß und trägt zu einer Intensivierung von Lernaktivitäten bei." (Kerres 2003, S.3)

Nicht nur das Erkunden neuer Technik kann dazu beitragen, dass einem Lerninhalt motivierter begegnet wird, auch die Möglichkeiten, den Lerngegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, kann sich positiv auf das Interesse am Lerninhalt auswirken. Anders als in einem rein verbalen Vortrag, können digitale Medien unterschiedliche Zugänge zu einem Bildungsinhalt eröffnen und diesen anschaulicher wiedergeben, beispielsweise auf interaktiver und visueller Ebene. Dies führt dazu, dass unterschiedliche Lerntypen individueller angesprochen werden können, was wiederum eine erhöhte Lernwirksamkeit begünstigt. Außerdem kann die abwechslungsreiche Auseinandersetzung mit Lerninhalten die Motivation der Lernenden steigern (vgl. ebd.)

Beispiel: Sagen wir, Du möchtest Deinen Lernenden das Thema nachhaltige Ressourcennutzung nahebringen. Dafür möchtest Du aber nicht nur Arbeitsblätter oder Literaturempfehlungen aushändigen. Du möchtest, dass sie sich interaktiv mit dem Thema auseinandersetzen. Im Internet finden sich bereits viele Plattformen, die digitale und freie Unterrichtsmaterialien anbieten. Unter anderem auch digitale Simulationsspiele, die einen sicheren Raum zum Testen und Ausprobieren schaffen. Nehmen wir als Beispiel die Materialien des Projektes RUVIVAL, das im Rahmen der Hamburg Open Online University entstanden ist. Hier können sich die Lernenden multimedial mit den jeweiligen Lehrinhalten auseinandersetzen.

Digitale Medien ermöglichen Räume zum Üben und Wiederholen

Insbesondere interaktive Tools wie Simulationsspiele (Serious Games) oder H5P-Dateien ermöglichen Lernenden, einen erlernten Inhalte ohne zu fürchtende Konsequenzen anzuwenden. Sie können üben, verschiedene Lösungsmöglichkeiten ausprobieren und sich interaktiv mit dem Inhalt auseinandersetzen.


Tipps für eine erfolgreiche mediendidaktische Lehre

Möchtest Du digitale Medien in der Lehre einsetzen und ihre Potenziale nutzen, dann können Dir diese drei Tipps sicherlich weiterhelfen:

Akzeptanz schaffen

Lernangebote, die digital umgesetzt oder bereichert werden, benötigen sowohl bei Lehrenden als auch bei Lernenden eine Akzeptanz. Sie lässt sich unter anderem durch eine adäquate Einführung in die neue Lernform, durch eine entsprechende Benutzerbetreuung und einen Konsens über den Mehrwert der digitalen Umsetzung sicherstellen.

Selbstlernfertigkeiten anregen

Lernende sollten dabei unterstützt werden, das digitalisierte Lernangebot auch eigenständig nutzen zu können, um das Lernziel zu erreichen und selbstbestimmt lernen zu können.

Drop-out verhindern

Mediengestütztes Lernen fällt nicht jedem leicht. Um zu verhindern, dass Lernende den Kurs abbrechen oder das Lernziel nicht erreichen, sollte das Medienangebot nicht zu anspruchsvoll sein bzw. der Zielgruppe entsprechend gewählt werden (vgl. Kerres 2003, Seite 6)


Aufgabe - Jetzt bist du dran


Bild WORKSPACE

Um Dir einen Eindruck vermitteln zu können, inwiefern digitale Medien Deinem Unterricht einen Mehrwert bieten können, möchte ich Dir gerne die Unterrichtsideen aus der edulabs-Community ans Herz legen, die frei nutzbar sind. Schau Dich dort doch mal um und tausche Dich im WORKSPACE gerne zu folgenden Fragestellungen aus:

  • Welche Potenziale kannst Du in dem didaktischen Einsatz digitaler Medien entdecken? Stimmst du mit den oben genannten zu?

  • Welchen Mehrwert muss ein digitales Medium für Dich bieten, damit Du es in der Lehre einbindest?

  • Von welchen Potenzialen hast Du womöglich bereits profitiert?