1. Was ist die Bioökonomie?
1.1 Entwicklung des Begriffs Bioökonomie
Laut Birner (2018) kann der Ursprung des Begriffs bis in die späten 1960er Jahre zurückverfolgt werden. Bei Birner (2018) findet sich außerdem ein schöner Überblick der Geschichte des Begriffs und Konzeptes der Bioökonomie.
Die Ursprünge
Oft wird der Ursprung des Begriffs dem rumänischen Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Georgescu-Roegen zugeschrieben, der Mitte der 1970er-Jahre das Konzept einer Bioökonomie (Bioeconomics) beschrieb. In seinem fast schon philosophischen Aufsatz von 1977 (siehe Literaturübersicht) analysiert er das sozio-ökonomische System der westlichen Welt, deren Verhältnis zur Nutzung natürlicher Ressourcen und den Zusammenhang mit der Armut in weniger entwickelten Ländern. Er macht darauf aufmerksam, dass biologische Ressourcen als Grundlage für wirtschaftliche Tätigkeiten beschränkt sind und im Gegensatz zum klassischen ökonomischen Ansatz nicht gleich verteilt und verfügbar sind.
Bedeutung für die EU-Politik
In den frühen 2000er-Jahren wurde das Thema Bioökonomie von der EU-Kommission auf die politische Agenda gesetzt (Strategy on Biotechnology 2002). Damals lag der Fokus aber noch mehr auf der Biotechnologie als einer „Zukunftstechnologie“ und nicht unbedingt auf der Erreichung von diversen Umweltzielen. Erst später entwickelte sich das Konzept zu einem Ansatz zur Lösung vielfältiger zukünftiger Herausforderungen, wie z.B. Bevölkerungswachstum, Erschöpfung fossiler Ressourcen oder Umweltverschmutzung. Im 7. Forschungsrahmenprogramm wurden Fördergelder eingestellt, um die Grundlagen für eine Bioökonomie auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in verschiedenen Disziplinen (Land- und Forstwirtschaft, Energieerzeugung, Chemie und Biotechnologien) zu schaffen.
Neben den EU-Mitgliedstaaten entwickelten auch andere Länder in den folgenden Jahren ihre eigenen Bioökonomie-Strategien.
In den Anfangsjahren dominierte vor allem die Vermeidung des Klimawandels durch Substitution fossiler Brennstoffe das Engagement im Bereich Bioökonomie. Zunehmend wurden aber immer wieder Bedenken über die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und andere Umweltauswirkungen einer verstärkten Biomassenutzung geäußert. Somit konzentrierte sich die Forschung und Entwicklung seitdem vor allem auf die Erschließung neuer Biomasse-Quellen aus Nebenprodukten, Abfällen oder Pflanzen, die nicht als Nahrungsmittel verwendet werden. Auch der wirtschaftliche Nutzen biotechnologischer Innovationen rückte stärker in den Vordergrund. Auf der Rio+20 UN-Versammlung 2012 wurde dann die Green Economy als Mittel zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung postuliert, wobei die Bioökonomie als Teil der Green Economy begriffen wird.
2012 veröffentlichte auch die EU ihre Bioökonomie-Strategie. In der überarbeiteten Version der Strategie aus dem Jahr 2018 wird der Fokus stark auf Nachhaltigkeits- und Klimaziele gelenkt, die mithilfe der Bioökonomie in der EU erreicht werden sollen, sowie auf die Modernisierung und Stärkung der Industrie. In diesem Sinne, wird die Bioökonomie mehr als ein Instrument zur Erreichung verschiedener Ziele der EU-Politik (z.B. Green Deal, Forst- und Agrarpolitik, Aktionsplan Kreislaufwirtschaft) angesehen.
Laut EU Bioökonomie Monitoring Dashboard trugen die Sektoren der Bioökonomie 657 Mrd. EUR zur Wertschöpfung im Jahr 2019 bei. Das entsprach 4,7 % der europäischen Wertschöpfung.
Ein aktueller Bericht über den Stand und die künftige Entwicklung der europäischen Bioökonomiepolitik kann hier abgerufen werden.